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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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6.
Und noch ist nicht des rächers zorn erweicht,
Noch hat ihr elend nicht die höchste stuf' erreicht;
Es nährt nur ihre strafbarn flammen,
Sie leiden zwar, doch leiden sie beysammen.
Getrennt zu seyn, so wie in donner und blitz
Der wilde sturm zwei bruderschiffe trennet,
Und ausgelöscht, wenn im geheimsten sitz
Der hoffnung noch ein schwaches flämmchen brennet:
7.
Dies fehlte noch! -- O du, ihr Genius einst, ihr freund!
Verdient was liebe gefehlt die rache sonder grenzen?
Weh euch! Noch seh ich thränen in seinen augen glänzen,
Erwartet das ärgste wenn Oberon weint! --
Doch, Muse, wohin trägt dich die adlersschwinge
Der hohen trunknen schwärmerey?
Dein hörer steht bestürzt, er fragt sich wie ihm sey,
Und was du siehst sind ihm geheimnisvolle dinge.
8.
Komm, laß dich nieder zu uns auf diesen kanapee,
Und, statt zu rufen, ich seh, ich seh,
Was niemand sieht als du, erzähl' uns fein gelassen
Wie alles sich begab. Sieh, wie mit lauschendem mund
Und weitgeöfnetem aug die hörer alle passen,
Geneigt zum gegenseit'gen bund
Wenn du sie täuschen kannst sich willig täuschen zu lassen?
Wolan! so höret dann die sache aus dem grund!
9. Der
A 3
6.
Und noch iſt nicht des raͤchers zorn erweicht,
Noch hat ihr elend nicht die hoͤchſte ſtuf' erreicht;
Es naͤhrt nur ihre ſtrafbarn flammen,
Sie leiden zwar, doch leiden ſie beyſammen.
Getrennt zu ſeyn, ſo wie in donner und blitz
Der wilde ſturm zwei bruderſchiffe trennet,
Und ausgeloͤſcht, wenn im geheimſten ſitz
Der hoffnung noch ein ſchwaches flaͤmmchen brennet:
7.
Dies fehlte noch! — O du, ihr Genius einſt, ihr freund!
Verdient was liebe gefehlt die rache ſonder grenzen?
Weh euch! Noch ſeh ich thraͤnen in ſeinen augen glaͤnzen,
Erwartet das aͤrgſte wenn Oberon weint! —
Doch, Muſe, wohin traͤgt dich die adlersſchwinge
Der hohen trunknen ſchwaͤrmerey?
Dein hoͤrer ſteht beſtuͤrzt, er fragt ſich wie ihm ſey,
Und was du ſiehſt ſind ihm geheimnisvolle dinge.
8.
Komm, laß dich nieder zu uns auf dieſen kanapee,
Und, ſtatt zu rufen, ich ſeh, ich ſeh,
Was niemand ſieht als du, erzaͤhl' uns fein gelaſſen
Wie alles ſich begab. Sieh, wie mit lauſchendem mund
Und weitgeoͤfnetem aug die hoͤrer alle paſſen,
Geneigt zum gegenſeit'gen bund
Wenn du ſie taͤuſchen kannſt ſich willig taͤuſchen zu laſſen?
Wolan! ſo hoͤret dann die ſache aus dem grund!
9. Der
A 3
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[0011] 6. Und noch iſt nicht des raͤchers zorn erweicht, Noch hat ihr elend nicht die hoͤchſte ſtuf' erreicht; Es naͤhrt nur ihre ſtrafbarn flammen, Sie leiden zwar, doch leiden ſie beyſammen. Getrennt zu ſeyn, ſo wie in donner und blitz Der wilde ſturm zwei bruderſchiffe trennet, Und ausgeloͤſcht, wenn im geheimſten ſitz Der hoffnung noch ein ſchwaches flaͤmmchen brennet: 7. Dies fehlte noch! — O du, ihr Genius einſt, ihr freund! Verdient was liebe gefehlt die rache ſonder grenzen? Weh euch! Noch ſeh ich thraͤnen in ſeinen augen glaͤnzen, Erwartet das aͤrgſte wenn Oberon weint! — Doch, Muſe, wohin traͤgt dich die adlersſchwinge Der hohen trunknen ſchwaͤrmerey? Dein hoͤrer ſteht beſtuͤrzt, er fragt ſich wie ihm ſey, Und was du ſiehſt ſind ihm geheimnisvolle dinge. 8. Komm, laß dich nieder zu uns auf dieſen kanapee, Und, ſtatt zu rufen, ich ſeh, ich ſeh, Was niemand ſieht als du, erzaͤhl' uns fein gelaſſen Wie alles ſich begab. Sieh, wie mit lauſchendem mund Und weitgeoͤfnetem aug die hoͤrer alle paſſen, Geneigt zum gegenſeit'gen bund Wenn du ſie taͤuſchen kannſt ſich willig taͤuſchen zu laſſen? Wolan! ſo hoͤret dann die ſache aus dem grund! 9. Der A 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/11>, abgerufen am 21.11.2024.