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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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8.
Nie wird die Bildnerin Natur
Ein göttlicher modell zu einer Venus bauen
Als diesen leib. Sein reizender Kontur
Floß wellenhaft, dem feinsten auge nur
Bemerklich, zwischen dem Genauen
Und Ueberflüßigen, so weich, so lieblich hin,
Schwer war's dem kältsten Josephssinn,
Sie ohne lüsternheit und sehnsucht anzuschauen!
9.
Es war, in jedem theil, was je die Fantasie
Der Alkamenen und Lysippen
Sich als das Schönste dacht' und ihren Bildern lieh,
Es war Helenens Brust, und Atalantens Knie,
Und Leda's Arm, und Erigonens Lippen.
Doch bis zu jenem reiz erhob die kunst sich nie,
Der stets, sobald dazu die lust in ihr erwachte,
Sie zur Besiegerin von allen herzen machte.
10.
Der Geist der Wollust schien alsdann
Mit ihrem athem sich den lüften mitzutheilen
Die um sie wehn. Von Amors schärfsten pfeilen
Sind ihre augen voll, und wehe dann dem Mann,
Der mit ihr kämpfen will! Denn, könnt' er auch entgehen
Dem feurigschmachtenden Blik, der ihn so lieblich kirrt,
Wie wird er dieses Mund's verführungen, wie wird
Er ihrem Lächeln widerstehen?
11. Wie
R 3
8.
Nie wird die Bildnerin Natur
Ein goͤttlicher modell zu einer Venus bauen
Als dieſen leib. Sein reizender Kontur
Floß wellenhaft, dem feinſten auge nur
Bemerklich, zwiſchen dem Genauen
Und Ueberfluͤßigen, ſo weich, ſo lieblich hin,
Schwer war's dem kaͤltſten Joſephsſinn,
Sie ohne luͤſternheit und ſehnſucht anzuſchauen!
9.
Es war, in jedem theil, was je die Fantaſie
Der Alkamenen und Lyſippen
Sich als das Schoͤnſte dacht' und ihren Bildern lieh,
Es war Helenens Bruſt, und Atalantens Knie,
Und Leda's Arm, und Erigonens Lippen.
Doch bis zu jenem reiz erhob die kunſt ſich nie,
Der ſtets, ſobald dazu die luſt in ihr erwachte,
Sie zur Beſiegerin von allen herzen machte.
10.
Der Geiſt der Wolluſt ſchien alsdann
Mit ihrem athem ſich den luͤften mitzutheilen
Die um ſie wehn. Von Amors ſchaͤrfſten pfeilen
Sind ihre augen voll, und wehe dann dem Mann,
Der mit ihr kaͤmpfen will! Denn, koͤnnt' er auch entgehen
Dem feurigſchmachtenden Blik, der ihn ſo lieblich kirrt,
Wie wird er dieſes Mund's verfuͤhrungen, wie wird
Er ihrem Laͤcheln widerſtehen?
11. Wie
R 3
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[0267] 8. Nie wird die Bildnerin Natur Ein goͤttlicher modell zu einer Venus bauen Als dieſen leib. Sein reizender Kontur Floß wellenhaft, dem feinſten auge nur Bemerklich, zwiſchen dem Genauen Und Ueberfluͤßigen, ſo weich, ſo lieblich hin, Schwer war's dem kaͤltſten Joſephsſinn, Sie ohne luͤſternheit und ſehnſucht anzuſchauen! 9. Es war, in jedem theil, was je die Fantaſie Der Alkamenen und Lyſippen Sich als das Schoͤnſte dacht' und ihren Bildern lieh, Es war Helenens Bruſt, und Atalantens Knie, Und Leda's Arm, und Erigonens Lippen. Doch bis zu jenem reiz erhob die kunſt ſich nie, Der ſtets, ſobald dazu die luſt in ihr erwachte, Sie zur Beſiegerin von allen herzen machte. 10. Der Geiſt der Wolluſt ſchien alsdann Mit ihrem athem ſich den luͤften mitzutheilen Die um ſie wehn. Von Amors ſchaͤrfſten pfeilen Sind ihre augen voll, und wehe dann dem Mann, Der mit ihr kaͤmpfen will! Denn, koͤnnt' er auch entgehen Dem feurigſchmachtenden Blik, der ihn ſo lieblich kirrt, Wie wird er dieſes Mund's verfuͤhrungen, wie wird Er ihrem Laͤcheln widerſtehen? 11. Wie R 3

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/267>, abgerufen am 28.12.2024.