Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.14. Allein, gleich wieder wirft ihn Obrons wort danieder;Und da er schon, durch ihre güte dreist, An seine brust sie ziehen will, entreißt Er schnell sich ihrem kuß, sich ihrem Busen wieder; Will fliehn, bleibt wieder stehn, kommt rasch auf sie zurük In ihre arme sich zu stürzen, Und plözlich starrt er weg, mit wildem rollendem blik, Als wünscht' er seine qual auf einmal abzukürzen. 15. Sie sinkt aufs lager hin, hoch schlägt ihr volles herzDurchs weichende gewand, und stromweis stürzt der schmerz Aus ihren schmachtenden vor Liebe schweren augen. Er sieht's; und länger hält die menschheit es nicht aus; Halb sinnlos nimmt er sie (werd' auch das ärgste draus!) In seinen arm, die glühnden lippen saugen Mit heißem durst den thau der Liebe auf, Und ganz entfesselt strömt das herz in vollem lauf. 16. Auch Rezia, von Lieb und wonne hingerissen,Vergißt zu widerstehn, und überläßt, entzükt, Und wechselsweis' ans herz ihn drückend und gedrükt, Sich ahnunglos den langentbehrten küssen. Mit vollen zügen schlürft sein nimmersatter mund Ein herzberauschendes wollüstiges vergessen Aus ihren lippen ein; die sehnsucht wird vermessen, Und ach! an Hymens statt krönt Amor ihren bund. 17. Straks
14. Allein, gleich wieder wirft ihn Obrons wort danieder;Und da er ſchon, durch ihre guͤte dreiſt, An ſeine bruſt ſie ziehen will, entreißt Er ſchnell ſich ihrem kuß, ſich ihrem Buſen wieder; Will fliehn, bleibt wieder ſtehn, kommt raſch auf ſie zuruͤk In ihre arme ſich zu ſtuͤrzen, Und ploͤzlich ſtarrt er weg, mit wildem rollendem blik, Als wuͤnſcht' er ſeine qual auf einmal abzukuͤrzen. 15. Sie ſinkt aufs lager hin, hoch ſchlaͤgt ihr volles herzDurchs weichende gewand, und ſtromweis ſtuͤrzt der ſchmerz Aus ihren ſchmachtenden vor Liebe ſchweren augen. Er ſieht's; und laͤnger haͤlt die menſchheit es nicht aus; Halb ſinnlos nimmt er ſie (werd' auch das aͤrgſte draus!) In ſeinen arm, die gluͤhnden lippen ſaugen Mit heißem durſt den thau der Liebe auf, Und ganz entfeſſelt ſtroͤmt das herz in vollem lauf. 16. Auch Rezia, von Lieb und wonne hingeriſſen,Vergißt zu widerſtehn, und uͤberlaͤßt, entzuͤkt, Und wechſelsweis' ans herz ihn druͤckend und gedruͤkt, Sich ahnunglos den langentbehrten kuͤſſen. Mit vollen zuͤgen ſchluͤrft ſein nimmerſatter mund Ein herzberauſchendes wolluͤſtiges vergeſſen Aus ihren lippen ein; die ſehnſucht wird vermeſſen, Und ach! an Hymens ſtatt kroͤnt Amor ihren bund. 17. Straks
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14.
Allein, gleich wieder wirft ihn Obrons wort danieder;
Und da er ſchon, durch ihre guͤte dreiſt,
An ſeine bruſt ſie ziehen will, entreißt
Er ſchnell ſich ihrem kuß, ſich ihrem Buſen wieder;
Will fliehn, bleibt wieder ſtehn, kommt raſch auf ſie zuruͤk
In ihre arme ſich zu ſtuͤrzen,
Und ploͤzlich ſtarrt er weg, mit wildem rollendem blik,
Als wuͤnſcht' er ſeine qual auf einmal abzukuͤrzen.
15.
Sie ſinkt aufs lager hin, hoch ſchlaͤgt ihr volles herz
Durchs weichende gewand, und ſtromweis ſtuͤrzt der ſchmerz
Aus ihren ſchmachtenden vor Liebe ſchweren augen.
Er ſieht's; und laͤnger haͤlt die menſchheit es nicht aus;
Halb ſinnlos nimmt er ſie (werd' auch das aͤrgſte draus!)
In ſeinen arm, die gluͤhnden lippen ſaugen
Mit heißem durſt den thau der Liebe auf,
Und ganz entfeſſelt ſtroͤmt das herz in vollem lauf.
16.
Auch Rezia, von Lieb und wonne hingeriſſen,
Vergißt zu widerſtehn, und uͤberlaͤßt, entzuͤkt,
Und wechſelsweis' ans herz ihn druͤckend und gedruͤkt,
Sich ahnunglos den langentbehrten kuͤſſen.
Mit vollen zuͤgen ſchluͤrft ſein nimmerſatter mund
Ein herzberauſchendes wolluͤſtiges vergeſſen
Aus ihren lippen ein; die ſehnſucht wird vermeſſen,
Und ach! an Hymens ſtatt kroͤnt Amor ihren bund.
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