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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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36.
Nichts von den weltlichen geschichten
Zu sagen, sehn wir nicht sogar das heilge Buch
Den ruhm der weibertreu von anbeginn vernichten?
Kam auf die menschheit nicht durchs erste weib der fluch?
Von seinen töchtern ward der fromme Lot betrogen;
Die kinder Gottes selbst, schon vor der großen flut,
Verbrannten sich, von weibern angezogen,
Die fittiche an ihrer strafbarn glut.
37.
Die Delila'n, die Jaeln, Jesabellen,
Und Bathseba'n, und wie ihr name heißt,
Ist unvonnöthen dir in reyhen aufzustellen,
Wiewohl die Schrift sie nicht der Treue halben preißt.
Doch diese Judith, die den tapfern, frommen, alten
Feldmarschall Holofern erst in die arme schlingt,
Erst liebetrunken macht, und dann ums leben bringt,
Wer kann dabey der thränen sich enthalten?
38.
Wär aber auch der weiber größte zahl
An lastern noch so reich, an tugend noch so kahl,
Dir, meine einz'ge, auserwählte,
Dir, meines alters trost und meiner augen licht,
Dir trau' ichs zu, du bliebst getreu an deiner pflicht,
Und fehltest nicht, wenn auch die beste fehlte.
Dein Gangolf, der so rein, so treu dich liebt,
Wird, o gewiß! von dir so grausam nie betrübt!
39. Wo-
K
36.
Nichts von den weltlichen geſchichten
Zu ſagen, ſehn wir nicht ſogar das heilge Buch
Den ruhm der weibertreu von anbeginn vernichten?
Kam auf die menſchheit nicht durchs erſte weib der fluch?
Von ſeinen toͤchtern ward der fromme Lot betrogen;
Die kinder Gottes ſelbſt, ſchon vor der großen flut,
Verbrannten ſich, von weibern angezogen,
Die fittiche an ihrer ſtrafbarn glut.
37.
Die Delila'n, die Jaeln, Jeſabellen,
Und Bathſeba'n, und wie ihr name heißt,
Iſt unvonnoͤthen dir in reyhen aufzuſtellen,
Wiewohl die Schrift ſie nicht der Treue halben preißt.
Doch dieſe Judith, die den tapfern, frommen, alten
Feldmarſchall Holofern erſt in die arme ſchlingt,
Erſt liebetrunken macht, und dann ums leben bringt,
Wer kann dabey der thraͤnen ſich enthalten?
38.
Waͤr aber auch der weiber groͤßte zahl
An laſtern noch ſo reich, an tugend noch ſo kahl,
Dir, meine einz'ge, auserwaͤhlte,
Dir, meines alters troſt und meiner augen licht,
Dir trau' ichs zu, du bliebſt getreu an deiner pflicht,
Und fehlteſt nicht, wenn auch die beſte fehlte.
Dein Gangolf, der ſo rein, ſo treu dich liebt,
Wird, o gewiß! von dir ſo grauſam nie betruͤbt!
39. Wo-
K
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[0151] 36. Nichts von den weltlichen geſchichten Zu ſagen, ſehn wir nicht ſogar das heilge Buch Den ruhm der weibertreu von anbeginn vernichten? Kam auf die menſchheit nicht durchs erſte weib der fluch? Von ſeinen toͤchtern ward der fromme Lot betrogen; Die kinder Gottes ſelbſt, ſchon vor der großen flut, Verbrannten ſich, von weibern angezogen, Die fittiche an ihrer ſtrafbarn glut. 37. Die Delila'n, die Jaeln, Jeſabellen, Und Bathſeba'n, und wie ihr name heißt, Iſt unvonnoͤthen dir in reyhen aufzuſtellen, Wiewohl die Schrift ſie nicht der Treue halben preißt. Doch dieſe Judith, die den tapfern, frommen, alten Feldmarſchall Holofern erſt in die arme ſchlingt, Erſt liebetrunken macht, und dann ums leben bringt, Wer kann dabey der thraͤnen ſich enthalten? 38. Waͤr aber auch der weiber groͤßte zahl An laſtern noch ſo reich, an tugend noch ſo kahl, Dir, meine einz'ge, auserwaͤhlte, Dir, meines alters troſt und meiner augen licht, Dir trau' ichs zu, du bliebſt getreu an deiner pflicht, Und fehlteſt nicht, wenn auch die beſte fehlte. Dein Gangolf, der ſo rein, ſo treu dich liebt, Wird, o gewiß! von dir ſo grauſam nie betruͤbt! 39. Wo- K

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/151>, abgerufen am 27.11.2024.