Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. chen bedienten, drükt die Sache bestimmter aus) an wel-cher die Seele so wenig als möglich Antheil nehme. Ein Rath, welcher zwar seine Einschränkungen leidet; aber doch auf die Erfahrungs-Wahrheit gegründet ist; daß die Liebe, welche sich der Seele bemächtiget, sie gemeiniglich der Meisterschaft über sich selbst beraube, entnerve, und zu edeln Anstrengungen untüchtig mache. "Und wozu, (hören wir den scheinheiligen Theogi- serm
Agathon. chen bedienten, druͤkt die Sache beſtimmter aus) an wel-cher die Seele ſo wenig als moͤglich Antheil nehme. Ein Rath, welcher zwar ſeine Einſchraͤnkungen leidet; aber doch auf die Erfahrungs-Wahrheit gegruͤndet iſt; daß die Liebe, welche ſich der Seele bemaͤchtiget, ſie gemeiniglich der Meiſterſchaft uͤber ſich ſelbſt beraube, entnerve, und zu edeln Anſtrengungen untuͤchtig mache. „Und wozu, (hoͤren wir den ſcheinheiligen Theogi- ſerm
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Agathon.
chen bedienten, druͤkt die Sache beſtimmter aus) an wel-
cher die Seele ſo wenig als moͤglich Antheil nehme.
Ein Rath, welcher zwar ſeine Einſchraͤnkungen leidet;
aber doch auf die Erfahrungs-Wahrheit gegruͤndet iſt;
daß die Liebe, welche ſich der Seele bemaͤchtiget, ſie
gemeiniglich der Meiſterſchaft uͤber ſich ſelbſt beraube,
entnerve, und zu edeln Anſtrengungen untuͤchtig mache.
„Und wozu, (hoͤren wir den ſcheinheiligen Theogi-
ton mit einem tiefen Seufzer, in welchem ein halbun-
terdruͤktes Anathema murmelt, fragen) ‒‒‒ wozu dieſe
ganze ſchoͤne Digreſſion? Jſt vielleicht ihre Abſicht, die
aͤrgerlichen Begriffe und Sitten blinder, verdorbener
Heiden unſrer ohnehin zum Boͤſen ſo gelehrigen Jugend
zum Muſter vorzulegen?„ Nein, mein Herr; das
waͤre unnoͤthig; der groͤſſeſte Theil dieſer Jugend,
welche unſer Buch leſen wird (es muͤßte dann in die
Gewuͤrzbuden kommen) hat ſchon den Horaz, den
Ovid, den Martial, den Petron, den Apulejus, viel-
leicht auch den Ariſtophanes geleſen; und was noch
ſonderbarer ſcheinen koͤnnte, hat ſeine Bekanntſchaft mit
dieſen Schriftſtellern, welche nach Dero Grundſaͤzen lau-
ter Seelengift ſind, in den Schulen gemacht. Wir
haben alſo dieſer Jugend nicht viel neues geſagt; und
geſezt, wir haͤtten? Alle Welt weiß, daß andre Verfaſ-
ſungen, andre Geſeze, eine andre Art des Gottesdienſts,
auch andre Sitten hervorbringen und erfodern. Aber
das verhindert nicht, daß es nicht gut ſeyn ſollte, auch
zu wiſſen, nach was fuͤr Begriffen man auſſerhalb un-
ſerm
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