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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
genossen den besondern Schuz der Geseze, wie allenthal-
ben, und waren durch die Sitten und Gebräuche die-
ses Volkes vor Nachstellungen ungleich besser gesichert,
als sie es bey uns sind. Ein Anschlag auf ihre Tugend
war so schwer zu bewerkstelligen, als die Bestraffung
eines solchen Verbrechens strenge war. Ohne Zweifel
geschah es, diese in den Augen der Griechischen Gesezge-
ber geheiligte Personen, die Mütter der Bürger, und
diejenige welche zu dieser Ehre bestimmt waren, den
Unternehmungen einer unbändigen Jugend desto gewis-
ser zu entziehen, daß der Stand der Phrynen und Lai-
den geduldet wurde; und so ausgelassen uns auch der
asotische Wizling Aristophanes die Damen von Athen
vorstellet, so ist doch gewiß, daß die Weiber und Töch-
ter der Griechen überhaubt sehr sittsame Geschöpfe wa-
ren; und daß die Sitten einer Vermählten und einer
Buhlerin bey ihnen eben so stark mit einander absezten,
als man dermalen in gewissen Hauptstädten von Europa
bemüht ist, sie mit einander zu vermengen.

Ob diese ganze Einrichtung löblich war, ist eine
andre Frage, von der hier die Rede nicht ist; wir füh-
ren sie bloß deswegen an, damit man nicht glaube,
als ob die Reue und die Gewissens-Bisse unsers Aga-
thon aus dem Begriff entstanden, daß es unrecht sey
mit einer Danae der Liebe zu pflegen. Agathon dachte
in diesem Stüke, wie alle andren Griechen seiner Zeit.
Bey seiner Nation (die Spartaner vielleicht allein aus-
genommen) durfte man, wenigstens in seinem Alter,

die

Agathon.
genoſſen den beſondern Schuz der Geſeze, wie allenthal-
ben, und waren durch die Sitten und Gebraͤuche die-
ſes Volkes vor Nachſtellungen ungleich beſſer geſichert,
als ſie es bey uns ſind. Ein Anſchlag auf ihre Tugend
war ſo ſchwer zu bewerkſtelligen, als die Beſtraffung
eines ſolchen Verbrechens ſtrenge war. Ohne Zweifel
geſchah es, dieſe in den Augen der Griechiſchen Geſezge-
ber geheiligte Perſonen, die Muͤtter der Buͤrger, und
diejenige welche zu dieſer Ehre beſtimmt waren, den
Unternehmungen einer unbaͤndigen Jugend deſto gewiſ-
ſer zu entziehen, daß der Stand der Phrynen und Lai-
den geduldet wurde; und ſo ausgelaſſen uns auch der
aſotiſche Wizling Ariſtophanes die Damen von Athen
vorſtellet, ſo iſt doch gewiß, daß die Weiber und Toͤch-
ter der Griechen uͤberhaubt ſehr ſittſame Geſchoͤpfe wa-
ren; und daß die Sitten einer Vermaͤhlten und einer
Buhlerin bey ihnen eben ſo ſtark mit einander abſezten,
als man dermalen in gewiſſen Hauptſtaͤdten von Europa
bemuͤht iſt, ſie mit einander zu vermengen.

Ob dieſe ganze Einrichtung loͤblich war, iſt eine
andre Frage, von der hier die Rede nicht iſt; wir fuͤh-
ren ſie bloß deswegen an, damit man nicht glaube,
als ob die Reue und die Gewiſſens-Biſſe unſers Aga-
thon aus dem Begriff entſtanden, daß es unrecht ſey
mit einer Danae der Liebe zu pflegen. Agathon dachte
in dieſem Stuͤke, wie alle andren Griechen ſeiner Zeit.
Bey ſeiner Nation (die Spartaner vielleicht allein aus-
genommen) durfte man, wenigſtens in ſeinem Alter,

die
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[72/0074] Agathon. genoſſen den beſondern Schuz der Geſeze, wie allenthal- ben, und waren durch die Sitten und Gebraͤuche die- ſes Volkes vor Nachſtellungen ungleich beſſer geſichert, als ſie es bey uns ſind. Ein Anſchlag auf ihre Tugend war ſo ſchwer zu bewerkſtelligen, als die Beſtraffung eines ſolchen Verbrechens ſtrenge war. Ohne Zweifel geſchah es, dieſe in den Augen der Griechiſchen Geſezge- ber geheiligte Perſonen, die Muͤtter der Buͤrger, und diejenige welche zu dieſer Ehre beſtimmt waren, den Unternehmungen einer unbaͤndigen Jugend deſto gewiſ- ſer zu entziehen, daß der Stand der Phrynen und Lai- den geduldet wurde; und ſo ausgelaſſen uns auch der aſotiſche Wizling Ariſtophanes die Damen von Athen vorſtellet, ſo iſt doch gewiß, daß die Weiber und Toͤch- ter der Griechen uͤberhaubt ſehr ſittſame Geſchoͤpfe wa- ren; und daß die Sitten einer Vermaͤhlten und einer Buhlerin bey ihnen eben ſo ſtark mit einander abſezten, als man dermalen in gewiſſen Hauptſtaͤdten von Europa bemuͤht iſt, ſie mit einander zu vermengen. Ob dieſe ganze Einrichtung loͤblich war, iſt eine andre Frage, von der hier die Rede nicht iſt; wir fuͤh- ren ſie bloß deswegen an, damit man nicht glaube, als ob die Reue und die Gewiſſens-Biſſe unſers Aga- thon aus dem Begriff entſtanden, daß es unrecht ſey mit einer Danae der Liebe zu pflegen. Agathon dachte in dieſem Stuͤke, wie alle andren Griechen ſeiner Zeit. Bey ſeiner Nation (die Spartaner vielleicht allein aus- genommen) durfte man, wenigſtens in ſeinem Alter, die

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/74>, abgerufen am 22.11.2024.