Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Eilftes Buch, zweytes Capitel. Aufenthalt Agathons zu Smyrna eine Zeitlang unter-brochen, aber sogleich nach seinem Entschluß, bey dem Dionys zu leben, wieder erneuert, und seither sorg- fältig unterhalten worden. Agathon hatte während seiner Staats-Verwaltung sich öfters bey der weisen Er- fahrenheit des Archytas Raths erholt; und die verschie- denen Verhältnisse, worinn die Tarentiner und Syra- cusaner, besonders in Absicht der Handelschaft, mit einander stuhnden, hatten ihm öfters Gelegenheit ge- geben, sich um die ersten verdient zu machen. Bey allen diesen Umständen ist leicht zu ermessen, daß er den zärtlichen und dringenden Einladungen seines Freundes Critolaus um so weniger widerstehen konnte, als die Pflichten der Erkenntlichkeit gegen seine Erret- ter ihm keine Freyheit zu lassen schienen, andere Be- weggründe bey der Wahl seines Aufenthalts in Betrach- tung zu ziehen. Jn der That hätte er sich auch keinen zu seinen nun- publik
Eilftes Buch, zweytes Capitel. Aufenthalt Agathons zu Smyrna eine Zeitlang unter-brochen, aber ſogleich nach ſeinem Entſchluß, bey dem Dionys zu leben, wieder erneuert, und ſeither ſorg- faͤltig unterhalten worden. Agathon hatte waͤhrend ſeiner Staats-Verwaltung ſich oͤfters bey der weiſen Er- fahrenheit des Archytas Raths erholt; und die verſchie- denen Verhaͤltniſſe, worinn die Tarentiner und Syra- cuſaner, beſonders in Abſicht der Handelſchaft, mit einander ſtuhnden, hatten ihm oͤfters Gelegenheit ge- geben, ſich um die erſten verdient zu machen. Bey allen dieſen Umſtaͤnden iſt leicht zu ermeſſen, daß er den zaͤrtlichen und dringenden Einladungen ſeines Freundes Critolaus um ſo weniger widerſtehen konnte, als die Pflichten der Erkenntlichkeit gegen ſeine Erret- ter ihm keine Freyheit zu laſſen ſchienen, andere Be- weggruͤnde bey der Wahl ſeines Aufenthalts in Betrach- tung zu ziehen. Jn der That haͤtte er ſich auch keinen zu ſeinen nun- publik
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Eilftes Buch, zweytes Capitel.
Aufenthalt Agathons zu Smyrna eine Zeitlang unter-
brochen, aber ſogleich nach ſeinem Entſchluß, bey dem
Dionys zu leben, wieder erneuert, und ſeither ſorg-
faͤltig unterhalten worden. Agathon hatte waͤhrend
ſeiner Staats-Verwaltung ſich oͤfters bey der weiſen Er-
fahrenheit des Archytas Raths erholt; und die verſchie-
denen Verhaͤltniſſe, worinn die Tarentiner und Syra-
cuſaner, beſonders in Abſicht der Handelſchaft, mit
einander ſtuhnden, hatten ihm oͤfters Gelegenheit ge-
geben, ſich um die erſten verdient zu machen. Bey
allen dieſen Umſtaͤnden iſt leicht zu ermeſſen, daß er
den zaͤrtlichen und dringenden Einladungen ſeines
Freundes Critolaus um ſo weniger widerſtehen konnte,
als die Pflichten der Erkenntlichkeit gegen ſeine Erret-
ter ihm keine Freyheit zu laſſen ſchienen, andere Be-
weggruͤnde bey der Wahl ſeines Aufenthalts in Betrach-
tung zu ziehen.
Jn der That haͤtte er ſich auch keinen zu ſeinen nun-
mehrigen Abſichten bequemern Ort erwaͤhlen koͤnnen als
Tarent. Dieſe Republik war damals gerade in dem Zu-
ſtande, worinn ein jeder patriotiſcher Republicaner die
ſeinige zu ſehen wuͤnſchen ſoll ‒‒ zu klein, um ehrgeizige
Projecte zu machen, und zu groß, um dem Ehrgeiz
und die Vergroͤßrungs-Sucht ihrer Nachbarn fuͤrchten zu
muͤſſen; zu ſchwach, um in andern Unternehmungen,
als in den Kuͤnſten des Friedens, ihren Vortheil zu fin-
den; ſtark genug, ſich gegen einen jeden nicht allzuuͤber-
maͤchtigen Feind (und ſolche Feinde hat eine kleine Re-
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