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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
thun, allem Unrecht in der Welt zu steuern, mit den
Feinden der allgemeinen Glükseligkeit sich herumzuschla-
gen, und die Menschen, wider ihren Dank und Wil-
len, glüklich machen zu wollen. Nun sage man mir,
nachdem es mit unserm Helden dazu gekommen war,
(und, alles wol erwogen, mußte es auf eine oder
andere Art endlich dazu kommen; denn die edelste, die
liebenswürdigste Schwärmerey, wenn sie gar zu lange
dauert, und sich so gar durch die Maul-Esel-Treiber
von Jangois nicht austreiben lassen will, wird endlich
zu Narrheit,) was sollte, was konnte unser Autor
nun weiter mit ihm anfangen? Einen misanthropischen
Einsiedler aus ihm machen? -- Dazu war sein Kopf
zu heiter und sein Herz zu schwach -- oder zu zärt-
lich -- oder zu gut; was ihr wollt; und zudem mochte
unser Autor, der ein Grieche war, und wenigstens in
die Zeiten des Alciphrons gesezt werden muß, (wie
die Gelehrten ohne unser Erinnern bemerkt haben)
vermuthlich von der Vortreflichkeit einer einsiedlerischen
Tugend die erhabenen Begriffe nicht haben, welche
man sich in den wundervollen Zeiten des dreyzehnten
und vierzehnten Jahrhunderts bis zu unsern philosophi-
schen Zeiten davon gemacht hat, und (allem Ansehen
nach) in einigen Ländern noch lange machen wird.
Jhn wieder in die weite Welt zurükzuführen, wäre
nichts anders gewesen, als ihn der augenscheinlichsten
Gefahr aussezen, in seiner antiplatonischen Denk-Art
durch immer neue Erfahrungen bestärkt, und durch
die Gesellschaft wiziger und liebenswürdiger Leute,

welche

Agathon.
thun, allem Unrecht in der Welt zu ſteuern, mit den
Feinden der allgemeinen Gluͤkſeligkeit ſich herumzuſchla-
gen, und die Menſchen, wider ihren Dank und Wil-
len, gluͤklich machen zu wollen. Nun ſage man mir,
nachdem es mit unſerm Helden dazu gekommen war,
(und, alles wol erwogen, mußte es auf eine oder
andere Art endlich dazu kommen; denn die edelſte, die
liebenswuͤrdigſte Schwaͤrmerey, wenn ſie gar zu lange
dauert, und ſich ſo gar durch die Maul-Eſel-Treiber
von Jangois nicht austreiben laſſen will, wird endlich
zu Narrheit,) was ſollte, was konnte unſer Autor
nun weiter mit ihm anfangen? Einen miſanthropiſchen
Einſiedler aus ihm machen? ‒‒ Dazu war ſein Kopf
zu heiter und ſein Herz zu ſchwach ‒‒ oder zu zaͤrt-
lich ‒‒ oder zu gut; was ihr wollt; und zudem mochte
unſer Autor, der ein Grieche war, und wenigſtens in
die Zeiten des Alciphrons geſezt werden muß, (wie
die Gelehrten ohne unſer Erinnern bemerkt haben)
vermuthlich von der Vortreflichkeit einer einſiedleriſchen
Tugend die erhabenen Begriffe nicht haben, welche
man ſich in den wundervollen Zeiten des dreyzehnten
und vierzehnten Jahrhunderts bis zu unſern philoſophi-
ſchen Zeiten davon gemacht hat, und (allem Anſehen
nach) in einigen Laͤndern noch lange machen wird.
Jhn wieder in die weite Welt zuruͤkzufuͤhren, waͤre
nichts anders geweſen, als ihn der augenſcheinlichſten
Gefahr ausſezen, in ſeiner antiplatoniſchen Denk-Art
durch immer neue Erfahrungen beſtaͤrkt, und durch
die Geſellſchaft wiziger und liebenswuͤrdiger Leute,

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[296/0298] Agathon. thun, allem Unrecht in der Welt zu ſteuern, mit den Feinden der allgemeinen Gluͤkſeligkeit ſich herumzuſchla- gen, und die Menſchen, wider ihren Dank und Wil- len, gluͤklich machen zu wollen. Nun ſage man mir, nachdem es mit unſerm Helden dazu gekommen war, (und, alles wol erwogen, mußte es auf eine oder andere Art endlich dazu kommen; denn die edelſte, die liebenswuͤrdigſte Schwaͤrmerey, wenn ſie gar zu lange dauert, und ſich ſo gar durch die Maul-Eſel-Treiber von Jangois nicht austreiben laſſen will, wird endlich zu Narrheit,) was ſollte, was konnte unſer Autor nun weiter mit ihm anfangen? Einen miſanthropiſchen Einſiedler aus ihm machen? ‒‒ Dazu war ſein Kopf zu heiter und ſein Herz zu ſchwach ‒‒ oder zu zaͤrt- lich ‒‒ oder zu gut; was ihr wollt; und zudem mochte unſer Autor, der ein Grieche war, und wenigſtens in die Zeiten des Alciphrons geſezt werden muß, (wie die Gelehrten ohne unſer Erinnern bemerkt haben) vermuthlich von der Vortreflichkeit einer einſiedleriſchen Tugend die erhabenen Begriffe nicht haben, welche man ſich in den wundervollen Zeiten des dreyzehnten und vierzehnten Jahrhunderts bis zu unſern philoſophi- ſchen Zeiten davon gemacht hat, und (allem Anſehen nach) in einigen Laͤndern noch lange machen wird. Jhn wieder in die weite Welt zuruͤkzufuͤhren, waͤre nichts anders geweſen, als ihn der augenſcheinlichſten Gefahr ausſezen, in ſeiner antiplatoniſchen Denk-Art durch immer neue Erfahrungen beſtaͤrkt, und durch die Geſellſchaft wiziger und liebenswuͤrdiger Leute, welche

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/298>, abgerufen am 26.04.2024.