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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
gegen die Sicilianer, als welche aus seinem Vertrag
mit dem Dionys entsprangen, und vermöge eben dieses
Vertrags aufhörten, so bald diesem seine Dienste nicht
mehr angenehm seyn würden. Syracus war nicht sein
Vaterland. Dionys hatte durch die stillschweigende
Anerkenntniß der Erbfolge, kraft deren er nach seines
Vaters Tode den Thron bestieg, eine Art von Recht er,
langt. Agathon selbst würde sich nicht in seine Dienste
begeben haben, wenn er ihn nicht für einen rechtmäs-
sigen Fürsten gehalten hätte. Die nehmlichen Gründe,
welche ihn damals bewogen hatten, die Monarchie der
Republik vorzuziehen, und aus diesem Grunde sich bis-
her den Absichten des Dion zu widersezen, bestuhnden
noch in ihrer ganzen Stärke. Es war sehr ungewiß, ob
eine Empörung gegen den Dionys die Sicilianer würk-
lich in einen glüklichern Stand sezen, oder ihnen nur
einen andern, und vielleicht noch schlimmern Herrn
geben würde, da sie schon so viele Proben gegeben hat-
ten, daß sie die Freyheit nicht ertragen könnten. Dio-
nys hatte Macht genug, seine Absezung schwer zu ma-
chen; und die verderblichen Folgen eines Bürgerkriegs
waren die einzigen gewissen Folgen, welche man von
einer so zweifelhaften Unternehmung voraussehen konnte --
Alle diese Betrachtungen würden kein geringes Gewicht
auf der Wagschale einer kalten unpartheyischen Ueber-
legung gemacht, und vermuthlich den entgegenstehenden
Gründen das Gleichgewicht gehalten haben. Aber Aga-
thon war weder kalt noch unpartheyisch; er war ein
Mensch. Seine Eigenliebe war an ihrem empfindlich-

sten

Agathon.
gegen die Sicilianer, als welche aus ſeinem Vertrag
mit dem Dionys entſprangen, und vermoͤge eben dieſes
Vertrags aufhoͤrten, ſo bald dieſem ſeine Dienſte nicht
mehr angenehm ſeyn wuͤrden. Syracus war nicht ſein
Vaterland. Dionys hatte durch die ſtillſchweigende
Anerkenntniß der Erbfolge, kraft deren er nach ſeines
Vaters Tode den Thron beſtieg, eine Art von Recht er,
langt. Agathon ſelbſt wuͤrde ſich nicht in ſeine Dienſte
begeben haben, wenn er ihn nicht fuͤr einen rechtmaͤſ-
ſigen Fuͤrſten gehalten haͤtte. Die nehmlichen Gruͤnde,
welche ihn damals bewogen hatten, die Monarchie der
Republik vorzuziehen, und aus dieſem Grunde ſich bis-
her den Abſichten des Dion zu widerſezen, beſtuhnden
noch in ihrer ganzen Staͤrke. Es war ſehr ungewiß, ob
eine Empoͤrung gegen den Dionys die Sicilianer wuͤrk-
lich in einen gluͤklichern Stand ſezen, oder ihnen nur
einen andern, und vielleicht noch ſchlimmern Herrn
geben wuͤrde, da ſie ſchon ſo viele Proben gegeben hat-
ten, daß ſie die Freyheit nicht ertragen koͤnnten. Dio-
nys hatte Macht genug, ſeine Abſezung ſchwer zu ma-
chen; und die verderblichen Folgen eines Buͤrgerkriegs
waren die einzigen gewiſſen Folgen, welche man von
einer ſo zweifelhaften Unternehmung vorausſehen konnte ‒‒
Alle dieſe Betrachtungen wuͤrden kein geringes Gewicht
auf der Wagſchale einer kalten unpartheyiſchen Ueber-
legung gemacht, und vermuthlich den entgegenſtehenden
Gruͤnden das Gleichgewicht gehalten haben. Aber Aga-
thon war weder kalt noch unpartheyiſch; er war ein
Menſch. Seine Eigenliebe war an ihrem empfindlich-

ſten
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[252/0254] Agathon. gegen die Sicilianer, als welche aus ſeinem Vertrag mit dem Dionys entſprangen, und vermoͤge eben dieſes Vertrags aufhoͤrten, ſo bald dieſem ſeine Dienſte nicht mehr angenehm ſeyn wuͤrden. Syracus war nicht ſein Vaterland. Dionys hatte durch die ſtillſchweigende Anerkenntniß der Erbfolge, kraft deren er nach ſeines Vaters Tode den Thron beſtieg, eine Art von Recht er, langt. Agathon ſelbſt wuͤrde ſich nicht in ſeine Dienſte begeben haben, wenn er ihn nicht fuͤr einen rechtmaͤſ- ſigen Fuͤrſten gehalten haͤtte. Die nehmlichen Gruͤnde, welche ihn damals bewogen hatten, die Monarchie der Republik vorzuziehen, und aus dieſem Grunde ſich bis- her den Abſichten des Dion zu widerſezen, beſtuhnden noch in ihrer ganzen Staͤrke. Es war ſehr ungewiß, ob eine Empoͤrung gegen den Dionys die Sicilianer wuͤrk- lich in einen gluͤklichern Stand ſezen, oder ihnen nur einen andern, und vielleicht noch ſchlimmern Herrn geben wuͤrde, da ſie ſchon ſo viele Proben gegeben hat- ten, daß ſie die Freyheit nicht ertragen koͤnnten. Dio- nys hatte Macht genug, ſeine Abſezung ſchwer zu ma- chen; und die verderblichen Folgen eines Buͤrgerkriegs waren die einzigen gewiſſen Folgen, welche man von einer ſo zweifelhaften Unternehmung vorausſehen konnte ‒‒ Alle dieſe Betrachtungen wuͤrden kein geringes Gewicht auf der Wagſchale einer kalten unpartheyiſchen Ueber- legung gemacht, und vermuthlich den entgegenſtehenden Gruͤnden das Gleichgewicht gehalten haben. Aber Aga- thon war weder kalt noch unpartheyiſch; er war ein Menſch. Seine Eigenliebe war an ihrem empfindlich- ſten

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/254>, abgerufen am 28.11.2024.