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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
in dem Gegenstande seiner Anbetung beleidigten Liebha-
bers wegen des zweydeutigen Tons zu Rede, womit er
sich anmasse, von einer Person wie Danae zu sprechen;
und sein Unwille sowohl als seine Verwirrung stieg auf
den äussersten Grad, da ein Satyr-mässiges Gelächter
die ganze Antwort des Hippias war.

Es ist so leicht voraus zu sehen, was für einen Aus-
gang diese Scene nehmen mußte, daß wir nach allem
was von den Absichten des Sophisten bereits gesagt wor-
den ist, den Leser seiner eignen Einbildung überlassen
können. Ungeduldige Fragen auf der einen -- Aus-
flüchte und schalkhafte Wendungen auf der andern Seite;
bis sich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheim-
niß des wahren Standes der schönen Danae, und der-
jenigen Anecdoten, welche wir (wiewol aus unschul-
digern Absichten) unsern Lesern schon im dritten Capi-
tel des vierten Buches verrathen haben, mit einer Ge-
walt, welcher seine vorgebliche Freundschaft für Agathon
nicht widerstehen konnte, abnöthigen ließ.

Wir haben schon bemerkt, wie viel es bey Erzäh-
lung einer Begebenheit auf die Absicht des Erzählers an-
komme, und wie verschieden die Wendungen seyen,
welche sie durch die Verschiedenheit derselben erhält.
Danae erzählte ihre Geschichte mit der unschuldigen Ab-
sicht zu gefallen. Sie sah natürlicher Weise ihre Auf-
führung, ihre Schwachheiten, ihre Fehltritte selbst in

einem

Agathon.
in dem Gegenſtande ſeiner Anbetung beleidigten Liebha-
bers wegen des zweydeutigen Tons zu Rede, womit er
ſich anmaſſe, von einer Perſon wie Danae zu ſprechen;
und ſein Unwille ſowohl als ſeine Verwirrung ſtieg auf
den aͤuſſerſten Grad, da ein Satyr-maͤſſiges Gelaͤchter
die ganze Antwort des Hippias war.

Es iſt ſo leicht voraus zu ſehen, was fuͤr einen Aus-
gang dieſe Scene nehmen mußte, daß wir nach allem
was von den Abſichten des Sophiſten bereits geſagt wor-
den iſt, den Leſer ſeiner eignen Einbildung uͤberlaſſen
koͤnnen. Ungeduldige Fragen auf der einen — Aus-
fluͤchte und ſchalkhafte Wendungen auf der andern Seite;
bis ſich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheim-
niß des wahren Standes der ſchoͤnen Danae, und der-
jenigen Anecdoten, welche wir (wiewol aus unſchul-
digern Abſichten) unſern Leſern ſchon im dritten Capi-
tel des vierten Buches verrathen haben, mit einer Ge-
walt, welcher ſeine vorgebliche Freundſchaft fuͤr Agathon
nicht widerſtehen konnte, abnoͤthigen ließ.

Wir haben ſchon bemerkt, wie viel es bey Erzaͤh-
lung einer Begebenheit auf die Abſicht des Erzaͤhlers an-
komme, und wie verſchieden die Wendungen ſeyen,
welche ſie durch die Verſchiedenheit derſelben erhaͤlt.
Danae erzaͤhlte ihre Geſchichte mit der unſchuldigen Ab-
ſicht zu gefallen. Sie ſah natuͤrlicher Weiſe ihre Auf-
fuͤhrung, ihre Schwachheiten, ihre Fehltritte ſelbſt in

einem
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[20/0022] Agathon. in dem Gegenſtande ſeiner Anbetung beleidigten Liebha- bers wegen des zweydeutigen Tons zu Rede, womit er ſich anmaſſe, von einer Perſon wie Danae zu ſprechen; und ſein Unwille ſowohl als ſeine Verwirrung ſtieg auf den aͤuſſerſten Grad, da ein Satyr-maͤſſiges Gelaͤchter die ganze Antwort des Hippias war. Es iſt ſo leicht voraus zu ſehen, was fuͤr einen Aus- gang dieſe Scene nehmen mußte, daß wir nach allem was von den Abſichten des Sophiſten bereits geſagt wor- den iſt, den Leſer ſeiner eignen Einbildung uͤberlaſſen koͤnnen. Ungeduldige Fragen auf der einen — Aus- fluͤchte und ſchalkhafte Wendungen auf der andern Seite; bis ſich Hippias auf vieles Zureden endlich das Geheim- niß des wahren Standes der ſchoͤnen Danae, und der- jenigen Anecdoten, welche wir (wiewol aus unſchul- digern Abſichten) unſern Leſern ſchon im dritten Capi- tel des vierten Buches verrathen haben, mit einer Ge- walt, welcher ſeine vorgebliche Freundſchaft fuͤr Agathon nicht widerſtehen konnte, abnoͤthigen ließ. Wir haben ſchon bemerkt, wie viel es bey Erzaͤh- lung einer Begebenheit auf die Abſicht des Erzaͤhlers an- komme, und wie verſchieden die Wendungen ſeyen, welche ſie durch die Verſchiedenheit derſelben erhaͤlt. Danae erzaͤhlte ihre Geſchichte mit der unſchuldigen Ab- ſicht zu gefallen. Sie ſah natuͤrlicher Weiſe ihre Auf- fuͤhrung, ihre Schwachheiten, ihre Fehltritte ſelbſt in einem

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/22>, abgerufen am 29.03.2024.