Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
Zehentes Buch, erstes Capitel.

Nur einen Umstand können wir nicht vorbeygehen,
weil er einen merklichen Einfluß in die folgende Bege-
benheiten unsers Helden hatte. Dionys befand sich,
als Agathon an seinen Hof kam, in einen Krieg mit
den Carthaginensern verwikelt, welche durch verschiedene
kleine Republiken des südlichen und westlichen Theils von
Sicilien unterstüzt, unter dem Schein sie gegen die
Uebermacht von Syracus zu schüzen, sich der innerli-
chen Zwietracht der Sicilianer, als einer guten Gele-
genheit bedienen wollten, diese für ihre Handlungs-Ab-
sichten unendlich vortheilhaft gelegene Jnsel in ihre Ge-
walt zu bringen. Einige von diesen kleinen Republiken
wurden von so genannten Tyrannen beherrscht; und
diese hatten sich bereits in die Arme der Carthaginen-
ser geworfen; die andren hatten sich bisher noch in ei-
ner Art von Freyheit erhalten, und schwankten, zwi-
schen der Furcht von Dionysen überwältiget zu werden,
und dem Mißtrauen in die Absichten ihrer anmaßlichen
Beschüzer, in einem Gleichgewicht, welches alle Augen-
blike auf die Seite der leztern überzuziehen drohte.
Timocrates dem Dionys die oberste Befehlhabers-Stelle
in diesem Kriege anvertraute, hatte sich bereits durch
einige Vortheile über die Feinde den oft wolfeilen Ruhm
eines guten Generals erworben; aber mehr darauf be-
dacht, bey dieser Gelegenheit Lorbeern und Reichthümer
zu sammeln, als das wahre Jnteresse seines Prinzen zu
besorgen, hatte er das Feuer der innerlichen Unruhen
Siciliens mehr ausgebreitet als gedämpft, und durch
seine Aufführung sich bey denenjenigen, welche noch

keine
[Agath. II. Th.] O
Zehentes Buch, erſtes Capitel.

Nur einen Umſtand koͤnnen wir nicht vorbeygehen,
weil er einen merklichen Einfluß in die folgende Bege-
benheiten unſers Helden hatte. Dionys befand ſich,
als Agathon an ſeinen Hof kam, in einen Krieg mit
den Carthaginenſern verwikelt, welche durch verſchiedene
kleine Republiken des ſuͤdlichen und weſtlichen Theils von
Sicilien unterſtuͤzt, unter dem Schein ſie gegen die
Uebermacht von Syracus zu ſchuͤzen, ſich der innerli-
chen Zwietracht der Sicilianer, als einer guten Gele-
genheit bedienen wollten, dieſe fuͤr ihre Handlungs-Ab-
ſichten unendlich vortheilhaft gelegene Jnſel in ihre Ge-
walt zu bringen. Einige von dieſen kleinen Republiken
wurden von ſo genannten Tyrannen beherrſcht; und
dieſe hatten ſich bereits in die Arme der Carthaginen-
ſer geworfen; die andren hatten ſich bisher noch in ei-
ner Art von Freyheit erhalten, und ſchwankten, zwi-
ſchen der Furcht von Dionyſen uͤberwaͤltiget zu werden,
und dem Mißtrauen in die Abſichten ihrer anmaßlichen
Beſchuͤzer, in einem Gleichgewicht, welches alle Augen-
blike auf die Seite der leztern uͤberzuziehen drohte.
Timocrates dem Dionys die oberſte Befehlhabers-Stelle
in dieſem Kriege anvertraute, hatte ſich bereits durch
einige Vortheile uͤber die Feinde den oft wolfeilen Ruhm
eines guten Generals erworben; aber mehr darauf be-
dacht, bey dieſer Gelegenheit Lorbeern und Reichthuͤmer
zu ſammeln, als das wahre Jntereſſe ſeines Prinzen zu
beſorgen, hatte er das Feuer der innerlichen Unruhen
Siciliens mehr ausgebreitet als gedaͤmpft, und durch
ſeine Auffuͤhrung ſich bey denenjenigen, welche noch

keine
[Agath. II. Th.] O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0211" n="209"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zehentes Buch, er&#x017F;tes Capitel.</hi> </fw><lb/>
            <p>Nur einen Um&#x017F;tand ko&#x0364;nnen wir nicht vorbeygehen,<lb/>
weil er einen merklichen Einfluß in die folgende Bege-<lb/>
benheiten un&#x017F;ers Helden hatte. Dionys befand &#x017F;ich,<lb/>
als Agathon an &#x017F;einen Hof kam, in einen Krieg mit<lb/>
den Carthaginen&#x017F;ern verwikelt, welche durch ver&#x017F;chiedene<lb/>
kleine Republiken des &#x017F;u&#x0364;dlichen und we&#x017F;tlichen Theils von<lb/>
Sicilien unter&#x017F;tu&#x0364;zt, unter dem Schein &#x017F;ie gegen die<lb/>
Uebermacht von Syracus zu &#x017F;chu&#x0364;zen, &#x017F;ich der innerli-<lb/>
chen Zwietracht der Sicilianer, als einer guten Gele-<lb/>
genheit bedienen wollten, die&#x017F;e fu&#x0364;r ihre Handlungs-Ab-<lb/>
&#x017F;ichten unendlich vortheilhaft gelegene Jn&#x017F;el in ihre Ge-<lb/>
walt zu bringen. Einige von die&#x017F;en kleinen Republiken<lb/>
wurden von &#x017F;o genannten Tyrannen beherr&#x017F;cht; und<lb/>
die&#x017F;e hatten &#x017F;ich bereits in die Arme der Carthaginen-<lb/>
&#x017F;er geworfen; die andren hatten &#x017F;ich bisher noch in ei-<lb/>
ner Art von Freyheit erhalten, und &#x017F;chwankten, zwi-<lb/>
&#x017F;chen der Furcht von Diony&#x017F;en u&#x0364;berwa&#x0364;ltiget zu werden,<lb/>
und dem Mißtrauen in die Ab&#x017F;ichten ihrer anmaßlichen<lb/>
Be&#x017F;chu&#x0364;zer, in einem Gleichgewicht, welches alle Augen-<lb/>
blike auf die Seite der leztern u&#x0364;berzuziehen drohte.<lb/>
Timocrates dem Dionys die ober&#x017F;te Befehlhabers-Stelle<lb/>
in die&#x017F;em Kriege anvertraute, hatte &#x017F;ich bereits durch<lb/>
einige Vortheile u&#x0364;ber die Feinde den oft wolfeilen Ruhm<lb/>
eines guten Generals erworben; aber mehr darauf be-<lb/>
dacht, bey die&#x017F;er Gelegenheit Lorbeern und Reichthu&#x0364;mer<lb/>
zu &#x017F;ammeln, als das wahre Jntere&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eines Prinzen zu<lb/>
be&#x017F;orgen, hatte er das Feuer der innerlichen Unruhen<lb/>
Siciliens mehr ausgebreitet als geda&#x0364;mpft, und durch<lb/>
&#x017F;eine Auffu&#x0364;hrung &#x017F;ich bey denenjenigen, welche noch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">[Agath. <hi rendition="#aq">II.</hi> Th.] O</fw><fw place="bottom" type="catch">keine</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0211] Zehentes Buch, erſtes Capitel. Nur einen Umſtand koͤnnen wir nicht vorbeygehen, weil er einen merklichen Einfluß in die folgende Bege- benheiten unſers Helden hatte. Dionys befand ſich, als Agathon an ſeinen Hof kam, in einen Krieg mit den Carthaginenſern verwikelt, welche durch verſchiedene kleine Republiken des ſuͤdlichen und weſtlichen Theils von Sicilien unterſtuͤzt, unter dem Schein ſie gegen die Uebermacht von Syracus zu ſchuͤzen, ſich der innerli- chen Zwietracht der Sicilianer, als einer guten Gele- genheit bedienen wollten, dieſe fuͤr ihre Handlungs-Ab- ſichten unendlich vortheilhaft gelegene Jnſel in ihre Ge- walt zu bringen. Einige von dieſen kleinen Republiken wurden von ſo genannten Tyrannen beherrſcht; und dieſe hatten ſich bereits in die Arme der Carthaginen- ſer geworfen; die andren hatten ſich bisher noch in ei- ner Art von Freyheit erhalten, und ſchwankten, zwi- ſchen der Furcht von Dionyſen uͤberwaͤltiget zu werden, und dem Mißtrauen in die Abſichten ihrer anmaßlichen Beſchuͤzer, in einem Gleichgewicht, welches alle Augen- blike auf die Seite der leztern uͤberzuziehen drohte. Timocrates dem Dionys die oberſte Befehlhabers-Stelle in dieſem Kriege anvertraute, hatte ſich bereits durch einige Vortheile uͤber die Feinde den oft wolfeilen Ruhm eines guten Generals erworben; aber mehr darauf be- dacht, bey dieſer Gelegenheit Lorbeern und Reichthuͤmer zu ſammeln, als das wahre Jntereſſe ſeines Prinzen zu beſorgen, hatte er das Feuer der innerlichen Unruhen Siciliens mehr ausgebreitet als gedaͤmpft, und durch ſeine Auffuͤhrung ſich bey denenjenigen, welche noch keine [Agath. II. Th.] O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/211
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/211>, abgerufen am 21.11.2024.