Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Zehentes Buch, erstes Capitel. wöhnlichen, wiewol sehr betrüglichen Vorurtheil derHofleute) von den Menschen zu haben glaubte, die schwache Seite unsers Helden nicht ausfündig machen. Es blieb ihm also kein andrer Weg übrig, als durch eine grosse Arbeitsamkeit und Pünctlichkeit in den Ge- schäften sich bey dem neuen Günstling in das Ansehen eines brauchbaren Mannes, und durch Tug enden, die er eben so leicht als man eine Maskerade-Kleidung an- zieht, affectiren konnte, so bald er ihrer vonnöthen hatte, sich endlich so gar in das Ansehen eines ehrli- chen Mannes zu sezen. Da zu diesen Eigenschaften, welche Agathon in ihm zu finden glaubte, noch die Achtung, welche Dionys für ihn trug, und die Be- trachtung hinzukam, daß es für den Staat weniger sicher sey, einen ehrgeizigen Minister abzudanken, als ihn mit scheinbarer Beybehaltung seines Ansehens in engere Schranken zu sezen: So geschah es, daß sich diejenige in ihrer Meynung betrogen fanden, welche den Fall des Philistus für eine unfehlbare Folge der Erhe- bung Agathons gehalten hatten. Das Ansehen desselben schien sich eher zu vermehren, indem er zum Vorsteher aller der verschiednen Tribunalien ernennt wurde, un- ter welche Agathon, mit der erforderlichen Einschrän- kung und Subordination, diejenige Gewalt vertheilte, welche vormals von den Vertrauten des Prinzen will- kührlich ausgeübt worden war: Jn der That aber wurde er dadurch beynahe in die Unmöglichkeit gesezt, böses zu thun, wofern ihn etwan eine Versuchung dazu an- kommen sollte; da er bey allen seinen Handlungen von so
Zehentes Buch, erſtes Capitel. woͤhnlichen, wiewol ſehr betruͤglichen Vorurtheil derHofleute) von den Menſchen zu haben glaubte, die ſchwache Seite unſers Helden nicht ausfuͤndig machen. Es blieb ihm alſo kein andrer Weg uͤbrig, als durch eine groſſe Arbeitſamkeit und Puͤnctlichkeit in den Ge- ſchaͤften ſich bey dem neuen Guͤnſtling in das Anſehen eines brauchbaren Mannes, und durch Tug enden, die er eben ſo leicht als man eine Maskerade-Kleidung an- zieht, affectiren konnte, ſo bald er ihrer vonnoͤthen hatte, ſich endlich ſo gar in das Anſehen eines ehrli- chen Mannes zu ſezen. Da zu dieſen Eigenſchaften, welche Agathon in ihm zu finden glaubte, noch die Achtung, welche Dionys fuͤr ihn trug, und die Be- trachtung hinzukam, daß es fuͤr den Staat weniger ſicher ſey, einen ehrgeizigen Miniſter abzudanken, als ihn mit ſcheinbarer Beybehaltung ſeines Anſehens in engere Schranken zu ſezen: So geſchah es, daß ſich diejenige in ihrer Meynung betrogen fanden, welche den Fall des Philiſtus fuͤr eine unfehlbare Folge der Erhe- bung Agathons gehalten hatten. Das Anſehen deſſelben ſchien ſich eher zu vermehren, indem er zum Vorſteher aller der verſchiednen Tribunalien ernennt wurde, un- ter welche Agathon, mit der erforderlichen Einſchraͤn- kung und Subordination, diejenige Gewalt vertheilte, welche vormals von den Vertrauten des Prinzen will- kuͤhrlich ausgeuͤbt worden war: Jn der That aber wurde er dadurch beynahe in die Unmoͤglichkeit geſezt, boͤſes zu thun, wofern ihn etwan eine Verſuchung dazu an- kommen ſollte; da er bey allen ſeinen Handlungen von ſo
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0209" n="207"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zehentes Buch, erſtes Capitel.</hi></fw><lb/> woͤhnlichen, wiewol ſehr betruͤglichen Vorurtheil der<lb/> Hofleute) von den Menſchen zu haben glaubte, die<lb/> ſchwache Seite unſers Helden nicht ausfuͤndig machen.<lb/> Es blieb ihm alſo kein andrer Weg uͤbrig, als durch<lb/> eine groſſe Arbeitſamkeit und Puͤnctlichkeit in den Ge-<lb/> ſchaͤften ſich bey dem neuen Guͤnſtling in das Anſehen<lb/> eines brauchbaren Mannes, und durch Tug enden, die<lb/> er eben ſo leicht als man eine Maskerade-Kleidung an-<lb/> zieht, affectiren konnte, ſo bald er ihrer vonnoͤthen<lb/> hatte, ſich endlich ſo gar in das Anſehen eines ehrli-<lb/> chen Mannes zu ſezen. Da zu dieſen Eigenſchaften,<lb/> welche Agathon in ihm zu finden glaubte, noch die<lb/> Achtung, welche Dionys fuͤr ihn trug, und die Be-<lb/> trachtung hinzukam, daß es fuͤr den Staat weniger<lb/> ſicher ſey, einen ehrgeizigen Miniſter abzudanken, als<lb/> ihn mit ſcheinbarer Beybehaltung ſeines Anſehens in<lb/> engere Schranken zu ſezen: So geſchah es, daß ſich<lb/> diejenige in ihrer Meynung betrogen fanden, welche den<lb/> Fall des Philiſtus fuͤr eine unfehlbare Folge der Erhe-<lb/> bung Agathons gehalten hatten. Das Anſehen deſſelben<lb/> ſchien ſich eher zu vermehren, indem er zum Vorſteher<lb/> aller der verſchiednen Tribunalien ernennt wurde, un-<lb/> ter welche Agathon, mit der erforderlichen Einſchraͤn-<lb/> kung und Subordination, diejenige Gewalt vertheilte,<lb/> welche vormals von den Vertrauten des Prinzen will-<lb/> kuͤhrlich ausgeuͤbt worden war: Jn der That aber wurde<lb/> er dadurch beynahe in die Unmoͤglichkeit geſezt, boͤſes<lb/> zu thun, wofern ihn etwan eine Verſuchung dazu an-<lb/> kommen ſollte; da er bey allen ſeinen Handlungen von<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſo</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [207/0209]
Zehentes Buch, erſtes Capitel.
woͤhnlichen, wiewol ſehr betruͤglichen Vorurtheil der
Hofleute) von den Menſchen zu haben glaubte, die
ſchwache Seite unſers Helden nicht ausfuͤndig machen.
Es blieb ihm alſo kein andrer Weg uͤbrig, als durch
eine groſſe Arbeitſamkeit und Puͤnctlichkeit in den Ge-
ſchaͤften ſich bey dem neuen Guͤnſtling in das Anſehen
eines brauchbaren Mannes, und durch Tug enden, die
er eben ſo leicht als man eine Maskerade-Kleidung an-
zieht, affectiren konnte, ſo bald er ihrer vonnoͤthen
hatte, ſich endlich ſo gar in das Anſehen eines ehrli-
chen Mannes zu ſezen. Da zu dieſen Eigenſchaften,
welche Agathon in ihm zu finden glaubte, noch die
Achtung, welche Dionys fuͤr ihn trug, und die Be-
trachtung hinzukam, daß es fuͤr den Staat weniger
ſicher ſey, einen ehrgeizigen Miniſter abzudanken, als
ihn mit ſcheinbarer Beybehaltung ſeines Anſehens in
engere Schranken zu ſezen: So geſchah es, daß ſich
diejenige in ihrer Meynung betrogen fanden, welche den
Fall des Philiſtus fuͤr eine unfehlbare Folge der Erhe-
bung Agathons gehalten hatten. Das Anſehen deſſelben
ſchien ſich eher zu vermehren, indem er zum Vorſteher
aller der verſchiednen Tribunalien ernennt wurde, un-
ter welche Agathon, mit der erforderlichen Einſchraͤn-
kung und Subordination, diejenige Gewalt vertheilte,
welche vormals von den Vertrauten des Prinzen will-
kuͤhrlich ausgeuͤbt worden war: Jn der That aber wurde
er dadurch beynahe in die Unmoͤglichkeit geſezt, boͤſes
zu thun, wofern ihn etwan eine Verſuchung dazu an-
kommen ſollte; da er bey allen ſeinen Handlungen von
ſo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |