Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

Bild:
<< vorherige Seite
Agathon.

Die grösseste Schwachheit des Prinzen, seiner Mey-
nung nach, war sein übermässiger Hang zur Gemäch-
lichkeit und Wollust. Er hoffte dem ersten dadurch
zu begegnen, daß er ihm die Geschäfte so leicht und
so angenehm zu machen suchte als möglich war; und
dem andern, wenn er ihn wenigstens von den wilden
Ausschweiffungen abgewöhnte, zu denen er sich bisher
hatte hinreissen lassen. Unsre Vergnügungen werden
desto feiner, edler und sittlicher, je mehr die Musen
Antheil daran haben. Aus diesem richtigen Grundsaz
bemühte er sich, dem Dionys mehr Geschmak an den
schönen Künsten beyzubringen, als er bisher davon ge-
habt hatte. Jn kurzem wurden seine Paläste, Landhän-
ser und Gärten, mit den Meisterstüken der besten Mahler
und Bildhauer Griechenlandes angefüllt. Agathon zog
die berühmtesten Virtuosen in allen Gattungen von
Athen nach Syracus; er führte ein prächtiges Odeon
nach dem Muster dessen, worauf Perikles den öffentli-
chen Schaz der Griechen verwendet hatte, auf; und
Dionys fand so viel Vergnügen an den verschiedenen
Arten von Schauspielen, womit er, unter der Aufsicht
seines Günstlings, fast täglich auf diesem Theater belusti-
get wurde, daß er, seiner Gewohnheit nach, eine Zeit-
lang allen Geschmak an andern Ergözlichkeiten verloh-
ren zu haben schien. Jndessen war doch eine andre
Leidenschaft übrig, deren Herrschaft über ihn allein hin-
länglich war, alle guten Absichten seines neuen Freun-
des zu hintertreiben. Gegenwärtig befand sich die Täu-
zerin Bacchidion im Besiz derselben; aber es fiel bereits

in
Agathon.

Die groͤſſeſte Schwachheit des Prinzen, ſeiner Mey-
nung nach, war ſein uͤbermaͤſſiger Hang zur Gemaͤch-
lichkeit und Wolluſt. Er hoffte dem erſten dadurch
zu begegnen, daß er ihm die Geſchaͤfte ſo leicht und
ſo angenehm zu machen ſuchte als moͤglich war; und
dem andern, wenn er ihn wenigſtens von den wilden
Ausſchweiffungen abgewoͤhnte, zu denen er ſich bisher
hatte hinreiſſen laſſen. Unſre Vergnuͤgungen werden
deſto feiner, edler und ſittlicher, je mehr die Muſen
Antheil daran haben. Aus dieſem richtigen Grundſaz
bemuͤhte er ſich, dem Dionys mehr Geſchmak an den
ſchoͤnen Kuͤnſten beyzubringen, als er bisher davon ge-
habt hatte. Jn kurzem wurden ſeine Palaͤſte, Landhaͤn-
ſer und Gaͤrten, mit den Meiſterſtuͤken der beſten Mahler
und Bildhauer Griechenlandes angefuͤllt. Agathon zog
die beruͤhmteſten Virtuoſen in allen Gattungen von
Athen nach Syracus; er fuͤhrte ein praͤchtiges Odeon
nach dem Muſter deſſen, worauf Perikles den oͤffentli-
chen Schaz der Griechen verwendet hatte, auf; und
Dionys fand ſo viel Vergnuͤgen an den verſchiedenen
Arten von Schauſpielen, womit er, unter der Aufſicht
ſeines Guͤnſtlings, faſt taͤglich auf dieſem Theater beluſti-
get wurde, daß er, ſeiner Gewohnheit nach, eine Zeit-
lang allen Geſchmak an andern Ergoͤzlichkeiten verloh-
ren zu haben ſchien. Jndeſſen war doch eine andre
Leidenſchaft uͤbrig, deren Herrſchaft uͤber ihn allein hin-
laͤnglich war, alle guten Abſichten ſeines neuen Freun-
des zu hintertreiben. Gegenwaͤrtig befand ſich die Taͤu-
zerin Bacchidion im Beſiz derſelben; aber es fiel bereits

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0202" n="200"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Agathon.</hi> </hi> </fw><lb/>
            <p>Die gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Schwachheit des Prinzen, &#x017F;einer Mey-<lb/>
nung nach, war &#x017F;ein u&#x0364;berma&#x0364;&#x017F;&#x017F;iger Hang zur Gema&#x0364;ch-<lb/>
lichkeit und Wollu&#x017F;t. Er hoffte dem er&#x017F;ten dadurch<lb/>
zu begegnen, daß er ihm die Ge&#x017F;cha&#x0364;fte &#x017F;o leicht und<lb/>
&#x017F;o angenehm zu machen &#x017F;uchte als mo&#x0364;glich war; und<lb/>
dem andern, wenn er ihn wenig&#x017F;tens von den wilden<lb/>
Aus&#x017F;chweiffungen abgewo&#x0364;hnte, zu denen er &#x017F;ich bisher<lb/>
hatte hinrei&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en. Un&#x017F;re Vergnu&#x0364;gungen werden<lb/>
de&#x017F;to feiner, edler und &#x017F;ittlicher, je mehr die Mu&#x017F;en<lb/>
Antheil daran haben. Aus die&#x017F;em richtigen Grund&#x017F;az<lb/>
bemu&#x0364;hte er &#x017F;ich, dem Dionys mehr Ge&#x017F;chmak an den<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen Ku&#x0364;n&#x017F;ten beyzubringen, als er bisher davon ge-<lb/>
habt hatte. Jn kurzem wurden &#x017F;eine Pala&#x0364;&#x017F;te, Landha&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;er und Ga&#x0364;rten, mit den Mei&#x017F;ter&#x017F;tu&#x0364;ken der be&#x017F;ten Mahler<lb/>
und Bildhauer Griechenlandes angefu&#x0364;llt. Agathon zog<lb/>
die beru&#x0364;hmte&#x017F;ten Virtuo&#x017F;en in allen Gattungen von<lb/>
Athen nach Syracus; er fu&#x0364;hrte ein pra&#x0364;chtiges Odeon<lb/>
nach dem Mu&#x017F;ter de&#x017F;&#x017F;en, worauf Perikles den o&#x0364;ffentli-<lb/>
chen Schaz der Griechen verwendet hatte, auf; und<lb/>
Dionys fand &#x017F;o viel Vergnu&#x0364;gen an den ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Arten von Schau&#x017F;pielen, womit er, unter der Auf&#x017F;icht<lb/>
&#x017F;eines Gu&#x0364;n&#x017F;tlings, fa&#x017F;t ta&#x0364;glich auf die&#x017F;em Theater belu&#x017F;ti-<lb/>
get wurde, daß er, &#x017F;einer Gewohnheit nach, eine Zeit-<lb/>
lang allen Ge&#x017F;chmak an andern Ergo&#x0364;zlichkeiten verloh-<lb/>
ren zu haben &#x017F;chien. Jnde&#x017F;&#x017F;en war doch eine andre<lb/>
Leiden&#x017F;chaft u&#x0364;brig, deren Herr&#x017F;chaft u&#x0364;ber ihn allein hin-<lb/>
la&#x0364;nglich war, alle guten Ab&#x017F;ichten &#x017F;eines neuen Freun-<lb/>
des zu hintertreiben. Gegenwa&#x0364;rtig befand &#x017F;ich die Ta&#x0364;u-<lb/>
zerin Bacchidion im Be&#x017F;iz der&#x017F;elben; aber es fiel bereits<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0202] Agathon. Die groͤſſeſte Schwachheit des Prinzen, ſeiner Mey- nung nach, war ſein uͤbermaͤſſiger Hang zur Gemaͤch- lichkeit und Wolluſt. Er hoffte dem erſten dadurch zu begegnen, daß er ihm die Geſchaͤfte ſo leicht und ſo angenehm zu machen ſuchte als moͤglich war; und dem andern, wenn er ihn wenigſtens von den wilden Ausſchweiffungen abgewoͤhnte, zu denen er ſich bisher hatte hinreiſſen laſſen. Unſre Vergnuͤgungen werden deſto feiner, edler und ſittlicher, je mehr die Muſen Antheil daran haben. Aus dieſem richtigen Grundſaz bemuͤhte er ſich, dem Dionys mehr Geſchmak an den ſchoͤnen Kuͤnſten beyzubringen, als er bisher davon ge- habt hatte. Jn kurzem wurden ſeine Palaͤſte, Landhaͤn- ſer und Gaͤrten, mit den Meiſterſtuͤken der beſten Mahler und Bildhauer Griechenlandes angefuͤllt. Agathon zog die beruͤhmteſten Virtuoſen in allen Gattungen von Athen nach Syracus; er fuͤhrte ein praͤchtiges Odeon nach dem Muſter deſſen, worauf Perikles den oͤffentli- chen Schaz der Griechen verwendet hatte, auf; und Dionys fand ſo viel Vergnuͤgen an den verſchiedenen Arten von Schauſpielen, womit er, unter der Aufſicht ſeines Guͤnſtlings, faſt taͤglich auf dieſem Theater beluſti- get wurde, daß er, ſeiner Gewohnheit nach, eine Zeit- lang allen Geſchmak an andern Ergoͤzlichkeiten verloh- ren zu haben ſchien. Jndeſſen war doch eine andre Leidenſchaft uͤbrig, deren Herrſchaft uͤber ihn allein hin- laͤnglich war, alle guten Abſichten ſeines neuen Freun- des zu hintertreiben. Gegenwaͤrtig befand ſich die Taͤu- zerin Bacchidion im Beſiz derſelben; aber es fiel bereits in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/202
Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/202>, abgerufen am 24.11.2024.