Die grösseste Schwachheit des Prinzen, seiner Mey- nung nach, war sein übermässiger Hang zur Gemäch- lichkeit und Wollust. Er hoffte dem ersten dadurch zu begegnen, daß er ihm die Geschäfte so leicht und so angenehm zu machen suchte als möglich war; und dem andern, wenn er ihn wenigstens von den wilden Ausschweiffungen abgewöhnte, zu denen er sich bisher hatte hinreissen lassen. Unsre Vergnügungen werden desto feiner, edler und sittlicher, je mehr die Musen Antheil daran haben. Aus diesem richtigen Grundsaz bemühte er sich, dem Dionys mehr Geschmak an den schönen Künsten beyzubringen, als er bisher davon ge- habt hatte. Jn kurzem wurden seine Paläste, Landhän- ser und Gärten, mit den Meisterstüken der besten Mahler und Bildhauer Griechenlandes angefüllt. Agathon zog die berühmtesten Virtuosen in allen Gattungen von Athen nach Syracus; er führte ein prächtiges Odeon nach dem Muster dessen, worauf Perikles den öffentli- chen Schaz der Griechen verwendet hatte, auf; und Dionys fand so viel Vergnügen an den verschiedenen Arten von Schauspielen, womit er, unter der Aufsicht seines Günstlings, fast täglich auf diesem Theater belusti- get wurde, daß er, seiner Gewohnheit nach, eine Zeit- lang allen Geschmak an andern Ergözlichkeiten verloh- ren zu haben schien. Jndessen war doch eine andre Leidenschaft übrig, deren Herrschaft über ihn allein hin- länglich war, alle guten Absichten seines neuen Freun- des zu hintertreiben. Gegenwärtig befand sich die Täu- zerin Bacchidion im Besiz derselben; aber es fiel bereits
in
Agathon.
Die groͤſſeſte Schwachheit des Prinzen, ſeiner Mey- nung nach, war ſein uͤbermaͤſſiger Hang zur Gemaͤch- lichkeit und Wolluſt. Er hoffte dem erſten dadurch zu begegnen, daß er ihm die Geſchaͤfte ſo leicht und ſo angenehm zu machen ſuchte als moͤglich war; und dem andern, wenn er ihn wenigſtens von den wilden Ausſchweiffungen abgewoͤhnte, zu denen er ſich bisher hatte hinreiſſen laſſen. Unſre Vergnuͤgungen werden deſto feiner, edler und ſittlicher, je mehr die Muſen Antheil daran haben. Aus dieſem richtigen Grundſaz bemuͤhte er ſich, dem Dionys mehr Geſchmak an den ſchoͤnen Kuͤnſten beyzubringen, als er bisher davon ge- habt hatte. Jn kurzem wurden ſeine Palaͤſte, Landhaͤn- ſer und Gaͤrten, mit den Meiſterſtuͤken der beſten Mahler und Bildhauer Griechenlandes angefuͤllt. Agathon zog die beruͤhmteſten Virtuoſen in allen Gattungen von Athen nach Syracus; er fuͤhrte ein praͤchtiges Odeon nach dem Muſter deſſen, worauf Perikles den oͤffentli- chen Schaz der Griechen verwendet hatte, auf; und Dionys fand ſo viel Vergnuͤgen an den verſchiedenen Arten von Schauſpielen, womit er, unter der Aufſicht ſeines Guͤnſtlings, faſt taͤglich auf dieſem Theater beluſti- get wurde, daß er, ſeiner Gewohnheit nach, eine Zeit- lang allen Geſchmak an andern Ergoͤzlichkeiten verloh- ren zu haben ſchien. Jndeſſen war doch eine andre Leidenſchaft uͤbrig, deren Herrſchaft uͤber ihn allein hin- laͤnglich war, alle guten Abſichten ſeines neuen Freun- des zu hintertreiben. Gegenwaͤrtig befand ſich die Taͤu- zerin Bacchidion im Beſiz derſelben; aber es fiel bereits
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Agathon.
Die groͤſſeſte Schwachheit des Prinzen, ſeiner Mey-
nung nach, war ſein uͤbermaͤſſiger Hang zur Gemaͤch-
lichkeit und Wolluſt. Er hoffte dem erſten dadurch
zu begegnen, daß er ihm die Geſchaͤfte ſo leicht und
ſo angenehm zu machen ſuchte als moͤglich war; und
dem andern, wenn er ihn wenigſtens von den wilden
Ausſchweiffungen abgewoͤhnte, zu denen er ſich bisher
hatte hinreiſſen laſſen. Unſre Vergnuͤgungen werden
deſto feiner, edler und ſittlicher, je mehr die Muſen
Antheil daran haben. Aus dieſem richtigen Grundſaz
bemuͤhte er ſich, dem Dionys mehr Geſchmak an den
ſchoͤnen Kuͤnſten beyzubringen, als er bisher davon ge-
habt hatte. Jn kurzem wurden ſeine Palaͤſte, Landhaͤn-
ſer und Gaͤrten, mit den Meiſterſtuͤken der beſten Mahler
und Bildhauer Griechenlandes angefuͤllt. Agathon zog
die beruͤhmteſten Virtuoſen in allen Gattungen von
Athen nach Syracus; er fuͤhrte ein praͤchtiges Odeon
nach dem Muſter deſſen, worauf Perikles den oͤffentli-
chen Schaz der Griechen verwendet hatte, auf; und
Dionys fand ſo viel Vergnuͤgen an den verſchiedenen
Arten von Schauſpielen, womit er, unter der Aufſicht
ſeines Guͤnſtlings, faſt taͤglich auf dieſem Theater beluſti-
get wurde, daß er, ſeiner Gewohnheit nach, eine Zeit-
lang allen Geſchmak an andern Ergoͤzlichkeiten verloh-
ren zu haben ſchien. Jndeſſen war doch eine andre
Leidenſchaft uͤbrig, deren Herrſchaft uͤber ihn allein hin-
laͤnglich war, alle guten Abſichten ſeines neuen Freun-
des zu hintertreiben. Gegenwaͤrtig befand ſich die Taͤu-
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/202>, abgerufen am 24.11.2024.
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