Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. die Geistreiche und die Blöde, die Schöne und die Häß-liche, die Cokette, die Spröde, die Tugendhafte, die Andächtige -- kurz jeder besondere Character beschäf- tige den Geschmak, die Einbildung, und so gar die Sinnen (denn von dem Herzen war bey ihm die Rede nicht) auf eine eigene Weise -- erfordre einen an- dern Plan, seze andre Schwierigkeiten entgegen, und mache auf eine andre Art glüklich. Das Ende dieser schönen Ausführung war, daß es unbegreiflich sey, wie man so viel Vergnügen in seiner Gewalt haben, und es sich nur darum versagen könne, um die einförmigen Freuden einer einzigen, mit romanhafter Treue in gera- der Linie sich fortschleppenden Leidenschaft bis auf die Hefen zu erschöpfen. Agathon gab zu, daß die Abwechselung, wozu ihn Sym-
Agathon. die Geiſtreiche und die Bloͤde, die Schoͤne und die Haͤß-liche, die Cokette, die Sproͤde, die Tugendhafte, die Andaͤchtige — kurz jeder beſondere Character beſchaͤf- tige den Geſchmak, die Einbildung, und ſo gar die Sinnen (denn von dem Herzen war bey ihm die Rede nicht) auf eine eigene Weiſe — erfordre einen an- dern Plan, ſeze andre Schwierigkeiten entgegen, und mache auf eine andre Art gluͤklich. Das Ende dieſer ſchoͤnen Ausfuͤhrung war, daß es unbegreiflich ſey, wie man ſo viel Vergnuͤgen in ſeiner Gewalt haben, und es ſich nur darum verſagen koͤnne, um die einfoͤrmigen Freuden einer einzigen, mit romanhafter Treue in gera- der Linie ſich fortſchleppenden Leidenſchaft bis auf die Hefen zu erſchoͤpfen. Agathon gab zu, daß die Abwechſelung, wozu ihn Sym-
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Agathon.
die Geiſtreiche und die Bloͤde, die Schoͤne und die Haͤß-
liche, die Cokette, die Sproͤde, die Tugendhafte, die
Andaͤchtige — kurz jeder beſondere Character beſchaͤf-
tige den Geſchmak, die Einbildung, und ſo gar die
Sinnen (denn von dem Herzen war bey ihm die Rede
nicht) auf eine eigene Weiſe — erfordre einen an-
dern Plan, ſeze andre Schwierigkeiten entgegen, und
mache auf eine andre Art gluͤklich. Das Ende dieſer
ſchoͤnen Ausfuͤhrung war, daß es unbegreiflich ſey, wie
man ſo viel Vergnuͤgen in ſeiner Gewalt haben, und es
ſich nur darum verſagen koͤnne, um die einfoͤrmigen
Freuden einer einzigen, mit romanhafter Treue in gera-
der Linie ſich fortſchleppenden Leidenſchaft bis auf die
Hefen zu erſchoͤpfen.
Agathon gab zu, daß die Abwechſelung, wozu ihn
Hippias aufmuntre, fuͤr einen muͤſſigen Wolluͤſtling
ganz angenehm ſeyn moͤge, der aus dieſer Art von Zeit-
vertreib das einzige Geſchaͤfte ſeines Lebens mache. Er
behauptete aber, daß dieſe Art von Leuten niemalen
erfahren haben muͤßte, was die wahre Liebe ſey. Er
uͤberließ ſich hierauf der ganzen Schwaͤrmerey ſeines
Herzens, um dem Hippias eine Abſchilderung von dem-
jenigen zu machen, was er von dem erſten Anblik an
bis auf dieſe Stunde fuͤr die ſchoͤne Danae empfunden;
er beſchrieb eine ſo wahre, ſo delicate, ſo vollkommene
Liebe, breitete ſich mit einer ſo begeiſterten Entzuͤkung
uͤber die Vollkommenheiten ſeiner Freundin, uͤber die
Sym-
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Zitationshilfe: | Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/20>, abgerufen am 16.07.2024. |