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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
wegungen keine Grenzen zu sezen fähig ist. Diese Re-
flexion traf zwar nur die Democratie; aber Agathon
hatte von der Aristocratie keine bessere Meynung. Eine
endlose Reihe von schlimmen Monarchen schien ihm et-
was, das nicht in der Natur ist; und ein einziger gu-
ter Fürst, war, nach seiner Voraussezung, vermö-
gend, das Glük seines Volkes auf ganze Jahrhunderte
zu befestigen; da hingegen (seiner Meynung nach) die
Aristocratie anders nicht als durch die gänzliche Unter-
drükung des Volks auf einen dauerhaften Grund gesezt
werden könne, und also schon aus dieser einzigen Ur-
sache die schlimmste unter allen möglichen Verfassungen
sey. So sehr gegen diese beyde Regierungs-Arten ein-
genommen als er war, konnte er nicht darauf verfallen,
sie mit einander vermischen, und durch eine Art von po-
litischer Chemie aus so widerwärtigen Dingen eine gute
Composition herausbringen zu wollen. Eine solche Ver-
fassung däuchte ihn allzuverwikelt, und aus zu vieler-
ley Gewichtern und Rädern zusammengesezt, um nicht
alle Augenblike in Unordnung zu gerathen, und sich
nach und nach selbst aufzureiben. Die Monarchie schien
ihm also, von allen Seiten betrachtet, die einfacheste,
edelste, und der Analogie des grossen Systems der Natur
gemässeste Art die Menschen zu regieren; und dieses vor-
ausgesezt, glaubte er alles gethan zu haben, wenn er
einen zwischen Tugend und Laster hin und her wanken-
den Prinzen aus den Händen schlimmer Rathgeber zie-
hen; durch einen klugen Gebrauch der Gewalt, die er
über sein Gemüth zu bekommen hoffte, seine Denkungs-

Art

Agathon.
wegungen keine Grenzen zu ſezen faͤhig iſt. Dieſe Re-
flexion traf zwar nur die Democratie; aber Agathon
hatte von der Ariſtocratie keine beſſere Meynung. Eine
endloſe Reihe von ſchlimmen Monarchen ſchien ihm et-
was, das nicht in der Natur iſt; und ein einziger gu-
ter Fuͤrſt, war, nach ſeiner Vorausſezung, vermoͤ-
gend, das Gluͤk ſeines Volkes auf ganze Jahrhunderte
zu befeſtigen; da hingegen (ſeiner Meynung nach) die
Ariſtocratie anders nicht als durch die gaͤnzliche Unter-
druͤkung des Volks auf einen dauerhaften Grund geſezt
werden koͤnne, und alſo ſchon aus dieſer einzigen Ur-
ſache die ſchlimmſte unter allen moͤglichen Verfaſſungen
ſey. So ſehr gegen dieſe beyde Regierungs-Arten ein-
genommen als er war, konnte er nicht darauf verfallen,
ſie mit einander vermiſchen, und durch eine Art von po-
litiſcher Chemie aus ſo widerwaͤrtigen Dingen eine gute
Compoſition herausbringen zu wollen. Eine ſolche Ver-
faſſung daͤuchte ihn allzuverwikelt, und aus zu vieler-
ley Gewichtern und Raͤdern zuſammengeſezt, um nicht
alle Augenblike in Unordnung zu gerathen, und ſich
nach und nach ſelbſt aufzureiben. Die Monarchie ſchien
ihm alſo, von allen Seiten betrachtet, die einfacheſte,
edelſte, und der Analogie des groſſen Syſtems der Natur
gemaͤſſeſte Art die Menſchen zu regieren; und dieſes vor-
ausgeſezt, glaubte er alles gethan zu haben, wenn er
einen zwiſchen Tugend und Laſter hin und her wanken-
den Prinzen aus den Haͤnden ſchlimmer Rathgeber zie-
hen; durch einen klugen Gebrauch der Gewalt, die er
uͤber ſein Gemuͤth zu bekommen hoffte, ſeine Denkungs-

Art
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[162/0164] Agathon. wegungen keine Grenzen zu ſezen faͤhig iſt. Dieſe Re- flexion traf zwar nur die Democratie; aber Agathon hatte von der Ariſtocratie keine beſſere Meynung. Eine endloſe Reihe von ſchlimmen Monarchen ſchien ihm et- was, das nicht in der Natur iſt; und ein einziger gu- ter Fuͤrſt, war, nach ſeiner Vorausſezung, vermoͤ- gend, das Gluͤk ſeines Volkes auf ganze Jahrhunderte zu befeſtigen; da hingegen (ſeiner Meynung nach) die Ariſtocratie anders nicht als durch die gaͤnzliche Unter- druͤkung des Volks auf einen dauerhaften Grund geſezt werden koͤnne, und alſo ſchon aus dieſer einzigen Ur- ſache die ſchlimmſte unter allen moͤglichen Verfaſſungen ſey. So ſehr gegen dieſe beyde Regierungs-Arten ein- genommen als er war, konnte er nicht darauf verfallen, ſie mit einander vermiſchen, und durch eine Art von po- litiſcher Chemie aus ſo widerwaͤrtigen Dingen eine gute Compoſition herausbringen zu wollen. Eine ſolche Ver- faſſung daͤuchte ihn allzuverwikelt, und aus zu vieler- ley Gewichtern und Raͤdern zuſammengeſezt, um nicht alle Augenblike in Unordnung zu gerathen, und ſich nach und nach ſelbſt aufzureiben. Die Monarchie ſchien ihm alſo, von allen Seiten betrachtet, die einfacheſte, edelſte, und der Analogie des groſſen Syſtems der Natur gemaͤſſeſte Art die Menſchen zu regieren; und dieſes vor- ausgeſezt, glaubte er alles gethan zu haben, wenn er einen zwiſchen Tugend und Laſter hin und her wanken- den Prinzen aus den Haͤnden ſchlimmer Rathgeber zie- hen; durch einen klugen Gebrauch der Gewalt, die er uͤber ſein Gemuͤth zu bekommen hoffte, ſeine Denkungs- Art

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/164>, abgerufen am 22.11.2024.