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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Neuntes Buch, viertes Capitel.
der gute Weise sich vielleicht selbst nicht gerne gestund)
alle Herzen zu gewinnen.

Diese Maßnehmungen erreichten den vorgesezten Zwek
vollkommen. Das Volk, welches nicht nur in Grie-
chenlande, sondern aller Orten, in einer immerwäh-
renden Kindheit lebt, hörte auf zu murmeln; verlohr
in kurzer Zeit den blossen Wunsch einer Veränderung;
faßte eine heftige Zuneigung für seinen Prinzen; erhob
die Glükseligkeit seiner Regierung; bewunderte die präch-
tige Kleidung und Waffen, die er seinen Trabanten hatte
machen lassen; betrank sich auf seine Gesundheit; und
war bereit allem was er unternehmen wollte, seinen
dummen Beyfall zu zuklatschen.

Philistus und Timocrat sahen sich durch diesen glük-
lichen Ausschlag in der Gunst ihres Herrn aufs neue be-
festiget; aber sie waren nicht zufrieden, so lange sie sel-
bige mit dem Plato theilen mußten, für welchen er
eine Art von Schwachheit behielt, die ihren Grund
vielleicht in der natürlichen Obermacht eines grossen Gei-
stes über einen Kleinen hatte. Timocrat gerieth auf einen
Einfall, wozu ihm die geheime Unterredung in dem
Schlafzimmer des Dionys den ersten Wink gegeben hat-
te, und wodurch er zu gleicher Zeit sich ein Verdienst
um den Tyrannen zu machen, und das Ansehen des
Philosophen bey demselben zu untergraben hoffen konnte.

Dionys

Neuntes Buch, viertes Capitel.
der gute Weiſe ſich vielleicht ſelbſt nicht gerne geſtund)
alle Herzen zu gewinnen.

Dieſe Maßnehmungen erreichten den vorgeſezten Zwek
vollkommen. Das Volk, welches nicht nur in Grie-
chenlande, ſondern aller Orten, in einer immerwaͤh-
renden Kindheit lebt, hoͤrte auf zu murmeln; verlohr
in kurzer Zeit den bloſſen Wunſch einer Veraͤnderung;
faßte eine heftige Zuneigung fuͤr ſeinen Prinzen; erhob
die Gluͤkſeligkeit ſeiner Regierung; bewunderte die praͤch-
tige Kleidung und Waffen, die er ſeinen Trabanten hatte
machen laſſen; betrank ſich auf ſeine Geſundheit; und
war bereit allem was er unternehmen wollte, ſeinen
dummen Beyfall zu zuklatſchen.

Philiſtus und Timocrat ſahen ſich durch dieſen gluͤk-
lichen Ausſchlag in der Gunſt ihres Herrn aufs neue be-
feſtiget; aber ſie waren nicht zufrieden, ſo lange ſie ſel-
bige mit dem Plato theilen mußten, fuͤr welchen er
eine Art von Schwachheit behielt, die ihren Grund
vielleicht in der natuͤrlichen Obermacht eines groſſen Gei-
ſtes uͤber einen Kleinen hatte. Timocrat gerieth auf einen
Einfall, wozu ihm die geheime Unterredung in dem
Schlafzimmer des Dionys den erſten Wink gegeben hat-
te, und wodurch er zu gleicher Zeit ſich ein Verdienſt
um den Tyrannen zu machen, und das Anſehen des
Philoſophen bey demſelben zu untergraben hoffen konnte.

Dionys
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[139/0141] Neuntes Buch, viertes Capitel. der gute Weiſe ſich vielleicht ſelbſt nicht gerne geſtund) alle Herzen zu gewinnen. Dieſe Maßnehmungen erreichten den vorgeſezten Zwek vollkommen. Das Volk, welches nicht nur in Grie- chenlande, ſondern aller Orten, in einer immerwaͤh- renden Kindheit lebt, hoͤrte auf zu murmeln; verlohr in kurzer Zeit den bloſſen Wunſch einer Veraͤnderung; faßte eine heftige Zuneigung fuͤr ſeinen Prinzen; erhob die Gluͤkſeligkeit ſeiner Regierung; bewunderte die praͤch- tige Kleidung und Waffen, die er ſeinen Trabanten hatte machen laſſen; betrank ſich auf ſeine Geſundheit; und war bereit allem was er unternehmen wollte, ſeinen dummen Beyfall zu zuklatſchen. Philiſtus und Timocrat ſahen ſich durch dieſen gluͤk- lichen Ausſchlag in der Gunſt ihres Herrn aufs neue be- feſtiget; aber ſie waren nicht zufrieden, ſo lange ſie ſel- bige mit dem Plato theilen mußten, fuͤr welchen er eine Art von Schwachheit behielt, die ihren Grund vielleicht in der natuͤrlichen Obermacht eines groſſen Gei- ſtes uͤber einen Kleinen hatte. Timocrat gerieth auf einen Einfall, wozu ihm die geheime Unterredung in dem Schlafzimmer des Dionys den erſten Wink gegeben hat- te, und wodurch er zu gleicher Zeit ſich ein Verdienſt um den Tyrannen zu machen, und das Anſehen des Philoſophen bey demſelben zu untergraben hoffen konnte. Dionys

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/141>, abgerufen am 24.04.2024.