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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.

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Agathon.
liesse, meine Galeeren zu entwafnen, meine Trabanten
zu entlassen, und mich am Ende in Begleitung eines von
diesen zottelbärtigen Knaben, die der Sophist mit sich
gebracht hat, als einen Neuangeworbenen nach Athen in
die Academie schiken zu lassen, um unter einem Schwarm
junger Geken darüber zu disputiren, ob Dionystus recht
oder unrecht daran gethan habe, daß er sich in einer
so armseligen Mausfalle habe fangen lassen -- Aber ists
möglich, fragte Philistus mit angenommener Verwun-
derung, daß Plato den sinnlosen Einfall haben konnte,
meinem Prinzen solche Räthe zu geben? -- Es ist mög-
lich, weil ich dir sage, daß ers gethan hat. Jch habe
selbst Mühe zu begreiffen, wie ich mich von diesem
Schwäzer so bezaubern lassen konnte -- Das soll sich
Dionys nicht verdriessen lassen, erwiederte der gefäl-
lige Philistus; Plato ist in der That ein grosser Mann
in seiner Art; ein vortreflicher Mann, wenn es dar-
auf ankommt, den Entwurf zu einer Welt zu machen,
oder zu beweisen, daß der Schnee nicht würklich weiß
ist; aber seine Regierungs-Maximen sind, wie es
scheint, ein wenig unsicher in der Ausübung. Jn der
That, das würde den Atheniensern was zu reden gege-
ben haben, und es wäre wahrlich kein kleiner Triumph
für die Philosophie gewesen, wenn ein einziger Sophist,
ohne Schwerdtschlag, durch die blosse Zauberkraft seiner
Worte zn Stande gebracht hätte, was die Athenienser
mit grossen Flotten und Kriegs-Heeren vergeblich unter-
nommen haben -- Es ist mir unerträglich nur daran
zu denken, sagte Dionys, was für eine einfältige Figur

ich

Agathon.
lieſſe, meine Galeeren zu entwafnen, meine Trabanten
zu entlaſſen, und mich am Ende in Begleitung eines von
dieſen zottelbaͤrtigen Knaben, die der Sophiſt mit ſich
gebracht hat, als einen Neuangeworbenen nach Athen in
die Academie ſchiken zu laſſen, um unter einem Schwarm
junger Geken daruͤber zu diſputiren, ob Dionyſtus recht
oder unrecht daran gethan habe, daß er ſich in einer
ſo armſeligen Mausfalle habe fangen laſſen ‒‒ Aber iſts
moͤglich, fragte Philiſtus mit angenommener Verwun-
derung, daß Plato den ſinnloſen Einfall haben konnte,
meinem Prinzen ſolche Raͤthe zu geben? ‒‒ Es iſt moͤg-
lich, weil ich dir ſage, daß ers gethan hat. Jch habe
ſelbſt Muͤhe zu begreiffen, wie ich mich von dieſem
Schwaͤzer ſo bezaubern laſſen konnte ‒‒ Das ſoll ſich
Dionys nicht verdrieſſen laſſen, erwiederte der gefaͤl-
lige Philiſtus; Plato iſt in der That ein groſſer Mann
in ſeiner Art; ein vortreflicher Mann, wenn es dar-
auf ankommt, den Entwurf zu einer Welt zu machen,
oder zu beweiſen, daß der Schnee nicht wuͤrklich weiß
iſt; aber ſeine Regierungs-Maximen ſind, wie es
ſcheint, ein wenig unſicher in der Ausuͤbung. Jn der
That, das wuͤrde den Athenienſern was zu reden gege-
ben haben, und es waͤre wahrlich kein kleiner Triumph
fuͤr die Philoſophie geweſen, wenn ein einziger Sophiſt,
ohne Schwerdtſchlag, durch die bloſſe Zauberkraft ſeiner
Worte zn Stande gebracht haͤtte, was die Athenienſer
mit groſſen Flotten und Kriegs-Heeren vergeblich unter-
nommen haben ‒‒ Es iſt mir unertraͤglich nur daran
zu denken, ſagte Dionys, was fuͤr eine einfaͤltige Figur

ich
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[130/0132] Agathon. lieſſe, meine Galeeren zu entwafnen, meine Trabanten zu entlaſſen, und mich am Ende in Begleitung eines von dieſen zottelbaͤrtigen Knaben, die der Sophiſt mit ſich gebracht hat, als einen Neuangeworbenen nach Athen in die Academie ſchiken zu laſſen, um unter einem Schwarm junger Geken daruͤber zu diſputiren, ob Dionyſtus recht oder unrecht daran gethan habe, daß er ſich in einer ſo armſeligen Mausfalle habe fangen laſſen ‒‒ Aber iſts moͤglich, fragte Philiſtus mit angenommener Verwun- derung, daß Plato den ſinnloſen Einfall haben konnte, meinem Prinzen ſolche Raͤthe zu geben? ‒‒ Es iſt moͤg- lich, weil ich dir ſage, daß ers gethan hat. Jch habe ſelbſt Muͤhe zu begreiffen, wie ich mich von dieſem Schwaͤzer ſo bezaubern laſſen konnte ‒‒ Das ſoll ſich Dionys nicht verdrieſſen laſſen, erwiederte der gefaͤl- lige Philiſtus; Plato iſt in der That ein groſſer Mann in ſeiner Art; ein vortreflicher Mann, wenn es dar- auf ankommt, den Entwurf zu einer Welt zu machen, oder zu beweiſen, daß der Schnee nicht wuͤrklich weiß iſt; aber ſeine Regierungs-Maximen ſind, wie es ſcheint, ein wenig unſicher in der Ausuͤbung. Jn der That, das wuͤrde den Athenienſern was zu reden gege- ben haben, und es waͤre wahrlich kein kleiner Triumph fuͤr die Philoſophie geweſen, wenn ein einziger Sophiſt, ohne Schwerdtſchlag, durch die bloſſe Zauberkraft ſeiner Worte zn Stande gebracht haͤtte, was die Athenienſer mit groſſen Flotten und Kriegs-Heeren vergeblich unter- nommen haben ‒‒ Es iſt mir unertraͤglich nur daran zu denken, ſagte Dionys, was fuͤr eine einfaͤltige Figur ich

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/132>, abgerufen am 23.11.2024.