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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon.
wird dich hievon am besten überzeugen können. Jch
will dir die Geheimnisse einer Weisheit entdeken, die
zum Genuß alles dessen führt, was die Natur, die
Kunst, die Gesellschaft, und selbst die Einbildung
(denn der Mensch ist doch nicht gemacht immer weise
zu seyn) Gutes und Angenehmes zu geben haben; und
ich müste mich ganz mit dir betrügen, wenn die Stim-
me der Vernunft, die du noch niemals gehört zu ha-
ben scheinst, dich nicht von einem Jrrwege zurükrufen
könnte, wo du am Ende deiner Reise in das Land der
Hofnungen dich um nichts reicher befinden würdest, als
um die Erfahrung dich betrogen zu haben. Jzo ist
es Zeit schlafen zu gehen; aber der nächste ruhige Mor-
gen den ich habe, soll dein seyn. Jch brauche dir
nicht zu sagen, wie zufrieden ich mit der Art bin, wie
du bisher dein Amt versehen hast; und ich wünsche
nichts, als daß eine bessere Uebereinstimmung unsrer
Denkungsart mich in den Stand seze, dir Beweise von
meiner Freundschaft zu geben."

Mit diesen Worten
begab sich Hippias hinweg, und ließ unsern Agathon
in einer Verfassung, die der Leser aus dem folgenden
Capitel ersehen wird.

Sieben-
Agathon.
wird dich hievon am beſten uͤberzeugen koͤnnen. Jch
will dir die Geheimniſſe einer Weisheit entdeken, die
zum Genuß alles deſſen fuͤhrt, was die Natur, die
Kunſt, die Geſellſchaft, und ſelbſt die Einbildung
(denn der Menſch iſt doch nicht gemacht immer weiſe
zu ſeyn) Gutes und Angenehmes zu geben haben; und
ich muͤſte mich ganz mit dir betruͤgen, wenn die Stim-
me der Vernunft, die du noch niemals gehoͤrt zu ha-
ben ſcheinſt, dich nicht von einem Jrrwege zuruͤkrufen
koͤnnte, wo du am Ende deiner Reiſe in das Land der
Hofnungen dich um nichts reicher befinden wuͤrdeſt, als
um die Erfahrung dich betrogen zu haben. Jzo iſt
es Zeit ſchlafen zu gehen; aber der naͤchſte ruhige Mor-
gen den ich habe, ſoll dein ſeyn. Jch brauche dir
nicht zu ſagen, wie zufrieden ich mit der Art bin, wie
du bisher dein Amt verſehen haſt; und ich wuͤnſche
nichts, als daß eine beſſere Uebereinſtimmung unſrer
Denkungsart mich in den Stand ſeze, dir Beweiſe von
meiner Freundſchaft zu geben.„

Mit dieſen Worten
begab ſich Hippias hinweg, und ließ unſern Agathon
in einer Verfaſſung, die der Leſer aus dem folgenden
Capitel erſehen wird.

Sieben-
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[68/0090] Agathon. wird dich hievon am beſten uͤberzeugen koͤnnen. Jch will dir die Geheimniſſe einer Weisheit entdeken, die zum Genuß alles deſſen fuͤhrt, was die Natur, die Kunſt, die Geſellſchaft, und ſelbſt die Einbildung (denn der Menſch iſt doch nicht gemacht immer weiſe zu ſeyn) Gutes und Angenehmes zu geben haben; und ich muͤſte mich ganz mit dir betruͤgen, wenn die Stim- me der Vernunft, die du noch niemals gehoͤrt zu ha- ben ſcheinſt, dich nicht von einem Jrrwege zuruͤkrufen koͤnnte, wo du am Ende deiner Reiſe in das Land der Hofnungen dich um nichts reicher befinden wuͤrdeſt, als um die Erfahrung dich betrogen zu haben. Jzo iſt es Zeit ſchlafen zu gehen; aber der naͤchſte ruhige Mor- gen den ich habe, ſoll dein ſeyn. Jch brauche dir nicht zu ſagen, wie zufrieden ich mit der Art bin, wie du bisher dein Amt verſehen haſt; und ich wuͤnſche nichts, als daß eine beſſere Uebereinſtimmung unſrer Denkungsart mich in den Stand ſeze, dir Beweiſe von meiner Freundſchaft zu geben.„ Mit dieſen Worten begab ſich Hippias hinweg, und ließ unſern Agathon in einer Verfaſſung, die der Leſer aus dem folgenden Capitel erſehen wird. Sieben-

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/90>, abgerufen am 29.03.2024.