Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Agathon. ledigen, einen Aufstand erregten, worinn sie von denSpartanern heimlich unterstüzt wurden. Man konnte (diejenige Theorie, welche man zu Hause erwerben kann, ausgenommen) des Kriegs-Wesens nicht uner- fahrner seyn, als ich es war. Jch hatte das Alter noch nicht erreicht, welches die Geseze zu Bekleidung eines öffentlichen Amts erfoderten; wir hatten keinen Mangel an geschikten und geübten Kriegs-Leuten; ich selbst wandte alles Ansehen, das ich hatte, an, um einen davon, den ich, seines moralischen Characters wegen, vorzüglich hoch schäzte, zum Feld-Herrn gegen die Em- pörten erwählen zu machen; aber das alles half nichts gegen die warme Einbildungs-Kraft des lebhaftesten und leichtsinnigsten Volks in der Welt. Agathon, welchem man alle Talente zutraute, und von welchem man sich berechtigt hielt, Wunder zu erwarten, -- war allein tauglich, die Ehre des Atheniensischen Namens zu behaupten, und die hochfliegenden Träume der poli- tischen Müssiggänger zu Athen, welche bey diesem An- las in die Wette eiferten, wer die lächerlichsten Pro- jecte machen könne, in die Würklichkeit zu sezen. Diese Art von Leuten war so geschäftig, daß es ihnen ge- lang, den grössesten Theil ihrer Mitbürger mit ihrer Thorheit anzusteken. Jede Nachricht, daß sich wieder eine andere Jnsul aufzulehnen anfange, verursachte eine allgemeine Freude; man würde es gerne gesehen haben, wenn das ganze Griechenland an dieser Sache Antheil genommen hätte; auch fehlte es nicht an Zeitungen, welche das Feuer grösser machten, als es war, und endlich
Agathon. ledigen, einen Aufſtand erregtẽ, worinn ſie von denSpartanern heimlich unterſtuͤzt wurden. Man konnte (diejenige Theorie, welche man zu Hauſe erwerben kann, ausgenommen) des Kriegs-Weſens nicht uner- fahrner ſeyn, als ich es war. Jch hatte das Alter noch nicht erreicht, welches die Geſeze zu Bekleidung eines oͤffentlichen Amts erfoderten; wir hatten keinen Mangel an geſchikten und geuͤbten Kriegs-Leuten; ich ſelbſt wandte alles Anſehen, das ich hatte, an, um einen davon, den ich, ſeines moraliſchen Characters wegen, vorzuͤglich hoch ſchaͤzte, zum Feld-Herrn gegen die Em- poͤrten erwaͤhlen zu machen; aber das alles half nichts gegen die warme Einbildungs-Kraft des lebhafteſten und leichtſinnigſten Volks in der Welt. Agathon, welchem man alle Talente zutraute, und von welchem man ſich berechtigt hielt, Wunder zu erwarten, — war allein tauglich, die Ehre des Athenienſiſchen Namens zu behaupten, und die hochfliegenden Traͤume der poli- tiſchen Muͤſſiggaͤnger zu Athen, welche bey dieſem An- las in die Wette eiferten, wer die laͤcherlichſten Pro- jecte machen koͤnne, in die Wuͤrklichkeit zu ſezen. Dieſe Art von Leuten war ſo geſchaͤftig, daß es ihnen ge- lang, den groͤſſeſten Theil ihrer Mitbuͤrger mit ihrer Thorheit anzuſteken. Jede Nachricht, daß ſich wieder eine andere Jnſul aufzulehnen anfange, verurſachte eine allgemeine Freude; man wuͤrde es gerne geſehen haben, wenn das ganze Griechenland an dieſer Sache Antheil genommen haͤtte; auch fehlte es nicht an Zeitungen, welche das Feuer groͤſſer machten, als es war, und endlich
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0362" n="340"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Agathon</hi>.</hi></fw><lb/> ledigen, einen Aufſtand erregtẽ, worinn ſie von den<lb/> Spartanern heimlich unterſtuͤzt wurden. Man konnte<lb/> (diejenige Theorie, welche man zu Hauſe erwerben<lb/> kann, ausgenommen) des Kriegs-Weſens nicht uner-<lb/> fahrner ſeyn, als ich es war. Jch hatte das Alter noch<lb/> nicht erreicht, welches die Geſeze zu Bekleidung eines<lb/> oͤffentlichen Amts erfoderten; wir hatten keinen Mangel<lb/> an geſchikten und geuͤbten Kriegs-Leuten; ich ſelbſt<lb/> wandte alles Anſehen, das ich hatte, an, um einen<lb/> davon, den ich, ſeines moraliſchen Characters wegen,<lb/> vorzuͤglich hoch ſchaͤzte, zum Feld-Herrn gegen die Em-<lb/> poͤrten erwaͤhlen zu machen; aber das alles half nichts<lb/> gegen die warme Einbildungs-Kraft des lebhafteſten und<lb/> leichtſinnigſten Volks in der Welt. Agathon, welchem<lb/> man alle Talente zutraute, und von welchem man ſich<lb/> berechtigt hielt, Wunder zu erwarten, — war<lb/> allein tauglich, die Ehre des Athenienſiſchen Namens<lb/> zu behaupten, und die hochfliegenden Traͤume der poli-<lb/> tiſchen Muͤſſiggaͤnger zu Athen, welche bey dieſem An-<lb/> las in die Wette eiferten, wer die laͤcherlichſten Pro-<lb/> jecte machen koͤnne, in die Wuͤrklichkeit zu ſezen. Dieſe<lb/> Art von Leuten war ſo geſchaͤftig, daß es ihnen ge-<lb/> lang, den groͤſſeſten Theil ihrer Mitbuͤrger mit ihrer<lb/> Thorheit anzuſteken. Jede Nachricht, daß ſich wieder<lb/> eine andere Jnſul aufzulehnen anfange, verurſachte eine<lb/> allgemeine Freude; man wuͤrde es gerne geſehen haben,<lb/> wenn das ganze Griechenland an dieſer Sache Antheil<lb/> genommen haͤtte; auch fehlte es nicht an Zeitungen,<lb/> welche das Feuer groͤſſer machten, als es war, und<lb/> <fw place="bottom" type="catch">endlich</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [340/0362]
Agathon.
ledigen, einen Aufſtand erregtẽ, worinn ſie von den
Spartanern heimlich unterſtuͤzt wurden. Man konnte
(diejenige Theorie, welche man zu Hauſe erwerben
kann, ausgenommen) des Kriegs-Weſens nicht uner-
fahrner ſeyn, als ich es war. Jch hatte das Alter noch
nicht erreicht, welches die Geſeze zu Bekleidung eines
oͤffentlichen Amts erfoderten; wir hatten keinen Mangel
an geſchikten und geuͤbten Kriegs-Leuten; ich ſelbſt
wandte alles Anſehen, das ich hatte, an, um einen
davon, den ich, ſeines moraliſchen Characters wegen,
vorzuͤglich hoch ſchaͤzte, zum Feld-Herrn gegen die Em-
poͤrten erwaͤhlen zu machen; aber das alles half nichts
gegen die warme Einbildungs-Kraft des lebhafteſten und
leichtſinnigſten Volks in der Welt. Agathon, welchem
man alle Talente zutraute, und von welchem man ſich
berechtigt hielt, Wunder zu erwarten, — war
allein tauglich, die Ehre des Athenienſiſchen Namens
zu behaupten, und die hochfliegenden Traͤume der poli-
tiſchen Muͤſſiggaͤnger zu Athen, welche bey dieſem An-
las in die Wette eiferten, wer die laͤcherlichſten Pro-
jecte machen koͤnne, in die Wuͤrklichkeit zu ſezen. Dieſe
Art von Leuten war ſo geſchaͤftig, daß es ihnen ge-
lang, den groͤſſeſten Theil ihrer Mitbuͤrger mit ihrer
Thorheit anzuſteken. Jede Nachricht, daß ſich wieder
eine andere Jnſul aufzulehnen anfange, verurſachte eine
allgemeine Freude; man wuͤrde es gerne geſehen haben,
wenn das ganze Griechenland an dieſer Sache Antheil
genommen haͤtte; auch fehlte es nicht an Zeitungen,
welche das Feuer groͤſſer machten, als es war, und
endlich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |