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Wiegmann, Rudolf: Grundzüge der Lehre von der Perspektive. Düsseldorf, 1846.

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In dem Obigen sind nun alle die Regeln mitgetheilt wor-
den, nach welchen die Auflösung der gewöhnlichen Aufgaben
auf eine ungemein leichte und zweckmässige Weise geschieht.
Man wird indess sehr bald gewahr werden, dass jene Methode
in vielen andern Fällen den Zeichner entweder ganz im Stiche
lässt oder doch sehr unbequem werden kann. So z. B. ist sie
zur perspektivischen Zeichnung spitzer und stumpfer Winkel
meistens ungeeignet.

Es ist bei diesem Mangel freilich auch der grosse Vortheil
nicht zu übersehen, dass wir zur Fertigung der perspektivi-
schen Zeichnung weder einen geometrischen Grundriss, noch
einen Aufriss nöthig hatten, sondern, mit äusserst wenigen Aus-
nahmen, die Zeichnung unmittelbar entwerfen konnten. Dieses
ist aber begreiflicherweise nur bei solchen Aufgaben möglich,
wo es sich um Winkel, Formen und Verhältnisse handelt,
welche durch wenige Worte zu unserer innern Anschauung ge-
bracht werden können. Wo dieses nicht mehr angeht, ist eine
geometrische Darstellung des Gegenstandes unerlässlich, und
zwar ein Grundriss und ein Aufriss (letzterer behuf der Höhen).

Das allgemeine Verfahren,

jeden beliebigen Gegenstand nach dessen Grund- und Aufriss
in Perspektive zu bringen, soll an einem Beispiele erläutert
werden.

Aufgabe 54.

Der Grundriss einer Burg G ist gege-
ben, man soll eine perspektivische Ansicht derselben von dem
Gesichtspunkte p' machen, jedoch so, dass die Burg nicht in die
Mitte der Tafel, sondern grösstentheils rechts vom Hauptpunkte
zu stehen kommt. Die perspektivische Gruppe soll auf Fig. 31
von H bis I sich ausdehnen und der Gesichtspunkt p (Fig. 30)
um DE über dem Grunde erhaben sein.

Auflösung. Man bestimme im Grundrisse den Punkt P',
welcher in der Zeichnung mit dem Hauptpunkte zusammenfallen



In dem Obigen sind nun alle die Regeln mitgetheilt wor-
den, nach welchen die Auflösung der gewöhnlichen Aufgaben
auf eine ungemein leichte und zweckmässige Weise geschieht.
Man wird indess sehr bald gewahr werden, dass jene Methode
in vielen andern Fällen den Zeichner entweder ganz im Stiche
lässt oder doch sehr unbequem werden kann. So z. B. ist sie
zur perspektivischen Zeichnung spitzer und stumpfer Winkel
meistens ungeeignet.

Es ist bei diesem Mangel freilich auch der grosse Vortheil
nicht zu übersehen, dass wir zur Fertigung der perspektivi-
schen Zeichnung weder einen geometrischen Grundriss, noch
einen Aufriss nöthig hatten, sondern, mit äusserst wenigen Aus-
nahmen, die Zeichnung unmittelbar entwerfen konnten. Dieses
ist aber begreiflicherweise nur bei solchen Aufgaben möglich,
wo es sich um Winkel, Formen und Verhältnisse handelt,
welche durch wenige Worte zu unserer innern Anschauung ge-
bracht werden können. Wo dieses nicht mehr angeht, ist eine
geometrische Darstellung des Gegenstandes unerlässlich, und
zwar ein Grundriss und ein Aufriss (letzterer behuf der Höhen).

Das allgemeine Verfahren,

jeden beliebigen Gegenstand nach dessen Grund- und Aufriss
in Perspektive zu bringen, soll an einem Beispiele erläutert
werden.

Aufgabe 54.

Der Grundriss einer Burg G ist gege-
ben, man soll eine perspektivische Ansicht derselben von dem
Gesichtspunkte p′ machen, jedoch so, dass die Burg nicht in die
Mitte der Tafel, sondern grösstentheils rechts vom Hauptpunkte
zu stehen kommt. Die perspektivische Gruppe soll auf Fig. 31
von H bis I sich ausdehnen und der Gesichtspunkt p (Fig. 30)
um DE über dem Grunde erhaben sein.

Auflösung. Man bestimme im Grundrisse den Punkt P′,
welcher in der Zeichnung mit dem Hauptpunkte zusammenfallen

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[50/0054] In dem Obigen sind nun alle die Regeln mitgetheilt wor- den, nach welchen die Auflösung der gewöhnlichen Aufgaben auf eine ungemein leichte und zweckmässige Weise geschieht. Man wird indess sehr bald gewahr werden, dass jene Methode in vielen andern Fällen den Zeichner entweder ganz im Stiche lässt oder doch sehr unbequem werden kann. So z. B. ist sie zur perspektivischen Zeichnung spitzer und stumpfer Winkel meistens ungeeignet. Es ist bei diesem Mangel freilich auch der grosse Vortheil nicht zu übersehen, dass wir zur Fertigung der perspektivi- schen Zeichnung weder einen geometrischen Grundriss, noch einen Aufriss nöthig hatten, sondern, mit äusserst wenigen Aus- nahmen, die Zeichnung unmittelbar entwerfen konnten. Dieses ist aber begreiflicherweise nur bei solchen Aufgaben möglich, wo es sich um Winkel, Formen und Verhältnisse handelt, welche durch wenige Worte zu unserer innern Anschauung ge- bracht werden können. Wo dieses nicht mehr angeht, ist eine geometrische Darstellung des Gegenstandes unerlässlich, und zwar ein Grundriss und ein Aufriss (letzterer behuf der Höhen). Das allgemeine Verfahren, jeden beliebigen Gegenstand nach dessen Grund- und Aufriss in Perspektive zu bringen, soll an einem Beispiele erläutert werden. Aufgabe 54. Der Grundriss einer Burg G ist gege- ben, man soll eine perspektivische Ansicht derselben von dem Gesichtspunkte p′ machen, jedoch so, dass die Burg nicht in die Mitte der Tafel, sondern grösstentheils rechts vom Hauptpunkte zu stehen kommt. Die perspektivische Gruppe soll auf Fig. 31 von H bis I sich ausdehnen und der Gesichtspunkt p (Fig. 30) um DE über dem Grunde erhaben sein. Auflösung. Man bestimme im Grundrisse den Punkt P′, welcher in der Zeichnung mit dem Hauptpunkte zusammenfallen

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Zitationshilfe: Wiegmann, Rudolf: Grundzüge der Lehre von der Perspektive. Düsseldorf, 1846, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wiegmann_perspektive_1846/54>, abgerufen am 05.05.2024.