Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mir in seinem grauen Rock. Mir geht's kalt über den Rücken, doch rufe ich: Halt! -- Keine Antwort! -- Ich schieße, der Bursche rührt sich nicht und steht wie zuvor; ich sehe ihn ganz deutlich. Ich hinter das Holz springen und noch einmal laden und noch einmal schießen, war Eins; immer bewegt sich die Figur nicht. Da fass' ich mir ein Herz, ziehe vom Leder und auf den Kerl los; -- ich sah aber nichts als einen moosigen Baumstrunk von Mannshöhe, auf dem ein Kittel hing, den die Arbeiter vergessen hatten. -- Seither lach' ich über euren Schnickschnack! Und doch ist es so, entgegnete der Hobbächer Waldschütz; mit Verlaub, gnädiger Herr, es giebt einmal Dinge, an die man nicht rühren soll. Freilich, man kann irren; hab' es auch erfahren, als ich aus dem Unterland vor bald fünfzig Jahren herkam, blutjung. Es war Herbstzeit, und auf den Bergen hatte es schon Schnee. Nun schickt mich der Förster am Abend spät hinauf ins Jlgenfeld. Weil's kalt ist, trinke ich unterwegs in Dürrau einen Schnaps und hörte da Allerlei erzählen, auch, daß ein Mann auf dem Jlgenfeld wohne, der nur alle hundert Jahr einmal ins Thal herabkomme, dann gäbe es eine Mordkälte. Er habe oben ein Haus von Karfunkel; es sei aber so eisig darin, daß selbst das Licht in der Ampel gefroren sei, und man könne ihn nicht anders erlösen, als wenn man den goldigen Eiszapfen am Licht wegbreche ; dann aber werde man reich, viel tausend Ducaten. mir in seinem grauen Rock. Mir geht's kalt über den Rücken, doch rufe ich: Halt! — Keine Antwort! — Ich schieße, der Bursche rührt sich nicht und steht wie zuvor; ich sehe ihn ganz deutlich. Ich hinter das Holz springen und noch einmal laden und noch einmal schießen, war Eins; immer bewegt sich die Figur nicht. Da fass' ich mir ein Herz, ziehe vom Leder und auf den Kerl los; — ich sah aber nichts als einen moosigen Baumstrunk von Mannshöhe, auf dem ein Kittel hing, den die Arbeiter vergessen hatten. — Seither lach' ich über euren Schnickschnack! Und doch ist es so, entgegnete der Hobbächer Waldschütz; mit Verlaub, gnädiger Herr, es giebt einmal Dinge, an die man nicht rühren soll. Freilich, man kann irren; hab' es auch erfahren, als ich aus dem Unterland vor bald fünfzig Jahren herkam, blutjung. Es war Herbstzeit, und auf den Bergen hatte es schon Schnee. Nun schickt mich der Förster am Abend spät hinauf ins Jlgenfeld. Weil's kalt ist, trinke ich unterwegs in Dürrau einen Schnaps und hörte da Allerlei erzählen, auch, daß ein Mann auf dem Jlgenfeld wohne, der nur alle hundert Jahr einmal ins Thal herabkomme, dann gäbe es eine Mordkälte. Er habe oben ein Haus von Karfunkel; es sei aber so eisig darin, daß selbst das Licht in der Ampel gefroren sei, und man könne ihn nicht anders erlösen, als wenn man den goldigen Eiszapfen am Licht wegbreche ; dann aber werde man reich, viel tausend Ducaten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054"/> mir in seinem grauen Rock. Mir geht's kalt über den Rücken, doch rufe ich: Halt! — Keine Antwort! — Ich schieße, der Bursche rührt sich nicht und steht wie zuvor; ich sehe ihn ganz deutlich. Ich hinter das Holz springen und noch einmal laden und noch einmal schießen, war Eins; immer bewegt sich die Figur nicht. Da fass' ich mir ein Herz, ziehe vom Leder und auf den Kerl los; — ich sah aber nichts als einen moosigen Baumstrunk von Mannshöhe, auf dem ein Kittel hing, den die Arbeiter vergessen hatten. — Seither lach' ich über euren Schnickschnack!</p><lb/> <p>Und doch ist es so, entgegnete der Hobbächer Waldschütz; mit Verlaub, gnädiger Herr, es giebt einmal Dinge, an die man nicht rühren soll. Freilich, man kann irren; hab' es auch erfahren, als ich aus dem Unterland vor bald fünfzig Jahren herkam, blutjung. Es war Herbstzeit, und auf den Bergen hatte es schon Schnee. Nun schickt mich der Förster am Abend spät hinauf ins Jlgenfeld. Weil's kalt ist, trinke ich unterwegs in Dürrau einen Schnaps und hörte da Allerlei erzählen, auch, daß ein Mann auf dem Jlgenfeld wohne, der nur alle hundert Jahr einmal ins Thal herabkomme, dann gäbe es eine Mordkälte. Er habe oben ein Haus von Karfunkel; es sei aber so eisig darin, daß selbst das Licht in der Ampel gefroren sei, und man könne ihn nicht anders erlösen, als wenn man den goldigen Eiszapfen am Licht wegbreche ; dann aber werde man reich, viel tausend Ducaten.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0054]
mir in seinem grauen Rock. Mir geht's kalt über den Rücken, doch rufe ich: Halt! — Keine Antwort! — Ich schieße, der Bursche rührt sich nicht und steht wie zuvor; ich sehe ihn ganz deutlich. Ich hinter das Holz springen und noch einmal laden und noch einmal schießen, war Eins; immer bewegt sich die Figur nicht. Da fass' ich mir ein Herz, ziehe vom Leder und auf den Kerl los; — ich sah aber nichts als einen moosigen Baumstrunk von Mannshöhe, auf dem ein Kittel hing, den die Arbeiter vergessen hatten. — Seither lach' ich über euren Schnickschnack!
Und doch ist es so, entgegnete der Hobbächer Waldschütz; mit Verlaub, gnädiger Herr, es giebt einmal Dinge, an die man nicht rühren soll. Freilich, man kann irren; hab' es auch erfahren, als ich aus dem Unterland vor bald fünfzig Jahren herkam, blutjung. Es war Herbstzeit, und auf den Bergen hatte es schon Schnee. Nun schickt mich der Förster am Abend spät hinauf ins Jlgenfeld. Weil's kalt ist, trinke ich unterwegs in Dürrau einen Schnaps und hörte da Allerlei erzählen, auch, daß ein Mann auf dem Jlgenfeld wohne, der nur alle hundert Jahr einmal ins Thal herabkomme, dann gäbe es eine Mordkälte. Er habe oben ein Haus von Karfunkel; es sei aber so eisig darin, daß selbst das Licht in der Ampel gefroren sei, und man könne ihn nicht anders erlösen, als wenn man den goldigen Eiszapfen am Licht wegbreche ; dann aber werde man reich, viel tausend Ducaten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/54 |
Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/54>, abgerufen am 04.07.2024. |