Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.in den Saal ein. Er sah sich zuerst nach seinem gewohnten Plätzchen im Erker um; allein die Erkerthür war zu; das junge Volk hatte Hirschfänger und Gewehre hineingestellt, daß kein Stück mehr an den vielendigen Geweihen hing, welche die Stube zierten; dazu hatten sie noch Tisch und Bänke vor der schmalen Thüre zusammengerückt, um Platz zum Tanzen zu haben, und wohl auch Unglück zu verhüten, wenn die Köpfe heiß wurden. Nur ein Tisch am Fenster war frei: daran setzte sich Otto zu zwei alten Jägern und einem Bauern. Freundlich unterhielt er sich mit den Graubärten, während er seine Forellen verspeis'te, die nirgends so rosenrothes Fleisch haben, wie hier. Sie redeten von Geistergeschichten, die hier zu Hause sind, und Otto verlachte sie über ihren Aberglauben. Ich habe selbst erfahren, wie man sich täuscht, sagt er. Ich war so fünfzehn, sechszehn Jahre alt und glaubte auch steif und fest, was mir unser Förster auf dem Gut von Freikugeln und so vorschwatzte. Mein Vater sah dies nicht gern und schickte mich oft des Nachts in Wald hinaus. Nun hatte ich besonders viel von einem alten Wilderer gehört, den man Korbmacher nannte, der kugelfest sein sollte und sich unsichtbar machen konnte. Eines Nachts gehe ich auch pfeifend durch einen alten Schlag, der ganz ausgereutet werden sollte, weßhalb bereits eine Menge Klafterholz hin und her aufgeschüttet lag, da steht mit einem Male der Korbmacher vor in den Saal ein. Er sah sich zuerst nach seinem gewohnten Plätzchen im Erker um; allein die Erkerthür war zu; das junge Volk hatte Hirschfänger und Gewehre hineingestellt, daß kein Stück mehr an den vielendigen Geweihen hing, welche die Stube zierten; dazu hatten sie noch Tisch und Bänke vor der schmalen Thüre zusammengerückt, um Platz zum Tanzen zu haben, und wohl auch Unglück zu verhüten, wenn die Köpfe heiß wurden. Nur ein Tisch am Fenster war frei: daran setzte sich Otto zu zwei alten Jägern und einem Bauern. Freundlich unterhielt er sich mit den Graubärten, während er seine Forellen verspeis'te, die nirgends so rosenrothes Fleisch haben, wie hier. Sie redeten von Geistergeschichten, die hier zu Hause sind, und Otto verlachte sie über ihren Aberglauben. Ich habe selbst erfahren, wie man sich täuscht, sagt er. Ich war so fünfzehn, sechszehn Jahre alt und glaubte auch steif und fest, was mir unser Förster auf dem Gut von Freikugeln und so vorschwatzte. Mein Vater sah dies nicht gern und schickte mich oft des Nachts in Wald hinaus. Nun hatte ich besonders viel von einem alten Wilderer gehört, den man Korbmacher nannte, der kugelfest sein sollte und sich unsichtbar machen konnte. Eines Nachts gehe ich auch pfeifend durch einen alten Schlag, der ganz ausgereutet werden sollte, weßhalb bereits eine Menge Klafterholz hin und her aufgeschüttet lag, da steht mit einem Male der Korbmacher vor <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0053"/> in den Saal ein. Er sah sich zuerst nach seinem gewohnten Plätzchen im Erker um; allein die Erkerthür war zu; das junge Volk hatte Hirschfänger und Gewehre hineingestellt, daß kein Stück mehr an den vielendigen Geweihen hing, welche die Stube zierten; dazu hatten sie noch Tisch und Bänke vor der schmalen Thüre zusammengerückt, um Platz zum Tanzen zu haben, und wohl auch Unglück zu verhüten, wenn die Köpfe heiß wurden.</p><lb/> <p>Nur ein Tisch am Fenster war frei: daran setzte sich Otto zu zwei alten Jägern und einem Bauern. Freundlich unterhielt er sich mit den Graubärten, während er seine Forellen verspeis'te, die nirgends so rosenrothes Fleisch haben, wie hier. Sie redeten von Geistergeschichten, die hier zu Hause sind, und Otto verlachte sie über ihren Aberglauben. Ich habe selbst erfahren, wie man sich täuscht, sagt er. Ich war so fünfzehn, sechszehn Jahre alt und glaubte auch steif und fest, was mir unser Förster auf dem Gut von Freikugeln und so vorschwatzte. Mein Vater sah dies nicht gern und schickte mich oft des Nachts in Wald hinaus. Nun hatte ich besonders viel von einem alten Wilderer gehört, den man Korbmacher nannte, der kugelfest sein sollte und sich unsichtbar machen konnte. Eines Nachts gehe ich auch pfeifend durch einen alten Schlag, der ganz ausgereutet werden sollte, weßhalb bereits eine Menge Klafterholz hin und her aufgeschüttet lag, da steht mit einem Male der Korbmacher vor<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
in den Saal ein. Er sah sich zuerst nach seinem gewohnten Plätzchen im Erker um; allein die Erkerthür war zu; das junge Volk hatte Hirschfänger und Gewehre hineingestellt, daß kein Stück mehr an den vielendigen Geweihen hing, welche die Stube zierten; dazu hatten sie noch Tisch und Bänke vor der schmalen Thüre zusammengerückt, um Platz zum Tanzen zu haben, und wohl auch Unglück zu verhüten, wenn die Köpfe heiß wurden.
Nur ein Tisch am Fenster war frei: daran setzte sich Otto zu zwei alten Jägern und einem Bauern. Freundlich unterhielt er sich mit den Graubärten, während er seine Forellen verspeis'te, die nirgends so rosenrothes Fleisch haben, wie hier. Sie redeten von Geistergeschichten, die hier zu Hause sind, und Otto verlachte sie über ihren Aberglauben. Ich habe selbst erfahren, wie man sich täuscht, sagt er. Ich war so fünfzehn, sechszehn Jahre alt und glaubte auch steif und fest, was mir unser Förster auf dem Gut von Freikugeln und so vorschwatzte. Mein Vater sah dies nicht gern und schickte mich oft des Nachts in Wald hinaus. Nun hatte ich besonders viel von einem alten Wilderer gehört, den man Korbmacher nannte, der kugelfest sein sollte und sich unsichtbar machen konnte. Eines Nachts gehe ich auch pfeifend durch einen alten Schlag, der ganz ausgereutet werden sollte, weßhalb bereits eine Menge Klafterholz hin und her aufgeschüttet lag, da steht mit einem Male der Korbmacher vor
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/53>, abgerufen am 25.07.2024. |