Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.wollte, fuhr jetzt selbst glühend empor und knallte nach dem Haufen, der dem Walde zudrängte. Natürlich zerstäubten die Schrotkörner der leichten Flinte auf der halben Zielweite. Der Alte lachte: Es ist nichts mit so leichten Dingern! Von Morgen ab muß der Herr Otto immer die Büchse tragen, und dann immer nur mitten auf den Leib gehalten! Aber was thun wir jetzt? fragte Otto, indem er das Beispiel des Alten befolgte und sein Gewehr frisch lud. Nichts! -- Wir lassen sie ihn forttragen, antwortete Rühs, legte die Büchse wieder in den Schooß und fuhr still in seinem vorhin unterbrochenen Mahl fort, bis er damit zu Ende war und aufstand. Der Herr Otto hat ein zu unruhiges Blut, sagte er zu dem Jüngling, dessen Pulse hörbar klopften, zu heiß für diese Gegend. -- Ich will jetzt noch sehen, wohin ich den Kerl geschossen habe; es will mir nicht recht scheinen; -- aber der Herr Otto bleibt da; müßt' ich mich doch zu Tod schämen, wenn ihm etwas geschähe. -- Nein, nein! fuhr er fort, als der Jüngling doch Miene machte, zu folgen: es geht nicht und darf nicht sein; ich könnte ja nicht mehr vor den Herrn Vater treten, wenn ich seinen Augapfel unnütz in Gefahr brächte. Der Herr Otto bleibt hier, wo er ist, und hält die Augen offen; 's wird nöthig sein. Der Jüngling blieb stehen, an die Ecke des Felsens gelehnt, und sah erst dem Alten nach, der mit einigen wollte, fuhr jetzt selbst glühend empor und knallte nach dem Haufen, der dem Walde zudrängte. Natürlich zerstäubten die Schrotkörner der leichten Flinte auf der halben Zielweite. Der Alte lachte: Es ist nichts mit so leichten Dingern! Von Morgen ab muß der Herr Otto immer die Büchse tragen, und dann immer nur mitten auf den Leib gehalten! Aber was thun wir jetzt? fragte Otto, indem er das Beispiel des Alten befolgte und sein Gewehr frisch lud. Nichts! — Wir lassen sie ihn forttragen, antwortete Rühs, legte die Büchse wieder in den Schooß und fuhr still in seinem vorhin unterbrochenen Mahl fort, bis er damit zu Ende war und aufstand. Der Herr Otto hat ein zu unruhiges Blut, sagte er zu dem Jüngling, dessen Pulse hörbar klopften, zu heiß für diese Gegend. — Ich will jetzt noch sehen, wohin ich den Kerl geschossen habe; es will mir nicht recht scheinen; — aber der Herr Otto bleibt da; müßt' ich mich doch zu Tod schämen, wenn ihm etwas geschähe. — Nein, nein! fuhr er fort, als der Jüngling doch Miene machte, zu folgen: es geht nicht und darf nicht sein; ich könnte ja nicht mehr vor den Herrn Vater treten, wenn ich seinen Augapfel unnütz in Gefahr brächte. Der Herr Otto bleibt hier, wo er ist, und hält die Augen offen; 's wird nöthig sein. Der Jüngling blieb stehen, an die Ecke des Felsens gelehnt, und sah erst dem Alten nach, der mit einigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0030"/> wollte, fuhr jetzt selbst glühend empor und knallte nach dem Haufen, der dem Walde zudrängte. Natürlich zerstäubten die Schrotkörner der leichten Flinte auf der halben Zielweite. Der Alte lachte: Es ist nichts mit so leichten Dingern! Von Morgen ab muß der Herr Otto immer die Büchse tragen, und dann immer nur mitten auf den Leib gehalten!</p><lb/> <p>Aber was thun wir jetzt? fragte Otto, indem er das Beispiel des Alten befolgte und sein Gewehr frisch lud.</p><lb/> <p>Nichts! — Wir lassen sie ihn forttragen, antwortete Rühs, legte die Büchse wieder in den Schooß und fuhr still in seinem vorhin unterbrochenen Mahl fort, bis er damit zu Ende war und aufstand. Der Herr Otto hat ein zu unruhiges Blut, sagte er zu dem Jüngling, dessen Pulse hörbar klopften, zu heiß für diese Gegend. — Ich will jetzt noch sehen, wohin ich den Kerl geschossen habe; es will mir nicht recht scheinen; — aber der Herr Otto bleibt da; müßt' ich mich doch zu Tod schämen, wenn ihm etwas geschähe. — Nein, nein! fuhr er fort, als der Jüngling doch Miene machte, zu folgen: es geht nicht und darf nicht sein; ich könnte ja nicht mehr vor den Herrn Vater treten, wenn ich seinen Augapfel unnütz in Gefahr brächte. Der Herr Otto bleibt hier, wo er ist, und hält die Augen offen; 's wird nöthig sein.</p><lb/> <p>Der Jüngling blieb stehen, an die Ecke des Felsens gelehnt, und sah erst dem Alten nach, der mit einigen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
wollte, fuhr jetzt selbst glühend empor und knallte nach dem Haufen, der dem Walde zudrängte. Natürlich zerstäubten die Schrotkörner der leichten Flinte auf der halben Zielweite. Der Alte lachte: Es ist nichts mit so leichten Dingern! Von Morgen ab muß der Herr Otto immer die Büchse tragen, und dann immer nur mitten auf den Leib gehalten!
Aber was thun wir jetzt? fragte Otto, indem er das Beispiel des Alten befolgte und sein Gewehr frisch lud.
Nichts! — Wir lassen sie ihn forttragen, antwortete Rühs, legte die Büchse wieder in den Schooß und fuhr still in seinem vorhin unterbrochenen Mahl fort, bis er damit zu Ende war und aufstand. Der Herr Otto hat ein zu unruhiges Blut, sagte er zu dem Jüngling, dessen Pulse hörbar klopften, zu heiß für diese Gegend. — Ich will jetzt noch sehen, wohin ich den Kerl geschossen habe; es will mir nicht recht scheinen; — aber der Herr Otto bleibt da; müßt' ich mich doch zu Tod schämen, wenn ihm etwas geschähe. — Nein, nein! fuhr er fort, als der Jüngling doch Miene machte, zu folgen: es geht nicht und darf nicht sein; ich könnte ja nicht mehr vor den Herrn Vater treten, wenn ich seinen Augapfel unnütz in Gefahr brächte. Der Herr Otto bleibt hier, wo er ist, und hält die Augen offen; 's wird nöthig sein.
Der Jüngling blieb stehen, an die Ecke des Felsens gelehnt, und sah erst dem Alten nach, der mit einigen
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/30>, abgerufen am 04.07.2024. |