nur zu Gott gekehrt ist, gilt jenes nicht alles gleich? -- O daß doch die Menschen keine Gelegenheit entwischen ließen, sich zu ent- zweyen, sich zu trennen, sich zu hassen, zu verfolgen, sich zu schlagen, würgen, morden! Ja, Fromal, Recht hattest du: -- die Menschen vereinigten sich, um sich zu tren- nen. Konnten sie nicht alle in stiller Ein- tracht auf diesem weiten Erdenkreise sich nie- derwerfen und das ewige Wesen mit der vollen starken Empfindung anbeten, die es verdient? Konnten sie die Welt nicht einen allgemeinen friedsamen Tempel seyn lassen, wo Millionen Menschen, Nationen und Völ- ker in unübersehlicher Weite mit vereintem Gefühle ihren Dank zu dem Allgütigen em- porsandten, der sie fähig machte, ihm zu danken? Konnte es nicht dem einen gleich- gültig seyn, ob sein Nachbar das Gesicht nach Osten oder Westen kehrte, ob er sich im Staube wälzte oder auf den Knieen lag, sich dabey die Haut blutig rizte oder das schönste Festkleid anzog, die Hände erhub oder senkte, ein flammendes Opfer zu seiner Andacht hinzuthat, oder sein Herz nur flam- men ließ? Und sollte es nicht vielleicht dem
Schöpfer
nur zu Gott gekehrt iſt, gilt jenes nicht alles gleich? — O daß doch die Menſchen keine Gelegenheit entwiſchen ließen, ſich zu ent- zweyen, ſich zu trennen, ſich zu haſſen, zu verfolgen, ſich zu ſchlagen, wuͤrgen, morden! Ja, Fromal, Recht hatteſt du: — die Menſchen vereinigten ſich, um ſich zu tren- nen. Konnten ſie nicht alle in ſtiller Ein- tracht auf dieſem weiten Erdenkreiſe ſich nie- derwerfen und das ewige Weſen mit der vollen ſtarken Empfindung anbeten, die es verdient? Konnten ſie die Welt nicht einen allgemeinen friedſamen Tempel ſeyn laſſen, wo Millionen Menſchen, Nationen und Voͤl- ker in unuͤberſehlicher Weite mit vereintem Gefuͤhle ihren Dank zu dem Allguͤtigen em- porſandten, der ſie faͤhig machte, ihm zu danken? Konnte es nicht dem einen gleich- guͤltig ſeyn, ob ſein Nachbar das Geſicht nach Oſten oder Weſten kehrte, ob er ſich im Staube waͤlzte oder auf den Knieen lag, ſich dabey die Haut blutig rizte oder das ſchoͤnſte Feſtkleid anzog, die Haͤnde erhub oder ſenkte, ein flammendes Opfer zu ſeiner Andacht hinzuthat, oder ſein Herz nur flam- men ließ? Und ſollte es nicht vielleicht dem
Schoͤpfer
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nur zu Gott gekehrt iſt, gilt jenes nicht alles
gleich? — O daß doch die Menſchen keine
Gelegenheit entwiſchen ließen, ſich zu ent-
zweyen, ſich zu trennen, ſich zu haſſen, zu
verfolgen, ſich zu ſchlagen, wuͤrgen, morden!
Ja, Fromal, Recht hatteſt du: — die
Menſchen vereinigten ſich, um ſich zu tren-
nen. Konnten ſie nicht alle in ſtiller Ein-
tracht auf dieſem weiten Erdenkreiſe ſich nie-
derwerfen und das ewige Weſen mit der
vollen ſtarken Empfindung anbeten, die es
verdient? Konnten ſie die Welt nicht einen
allgemeinen friedſamen Tempel ſeyn laſſen,
wo Millionen Menſchen, Nationen und Voͤl-
ker in unuͤberſehlicher Weite mit vereintem
Gefuͤhle ihren Dank zu dem Allguͤtigen em-
porſandten, der ſie faͤhig machte, ihm zu
danken? Konnte es nicht dem einen gleich-
guͤltig ſeyn, ob ſein Nachbar das Geſicht
nach Oſten oder Weſten kehrte, ob er ſich
im Staube waͤlzte oder auf den Knieen lag,
ſich dabey die Haut blutig rizte oder das
ſchoͤnſte Feſtkleid anzog, die Haͤnde erhub
oder ſenkte, ein flammendes Opfer zu ſeiner
Andacht hinzuthat, oder ſein Herz nur flam-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/52>, abgerufen am 26.11.2024.
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