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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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ven das Ihrige wieder zu erstatten, wie der
geringste unter ihnen zu leben, seine ganze
Macht niederzulegen, mit ihm zu einem
Kruge Apfelwein zurückzuwandern und so
viel Gutes zu thun, als er könnte. Bel-
phegor war mit seiner Reue zufrieden und
fragte ihn, um ihre Aufrichtigkeit zu versu-
chen, welchen Tag er alle diese Versprechun-
gen erfüllen würde. Er stuzte ein wenig
über die Frage, doch setzte er lebhaft hinzu:
Morgendes Tages! Belphegor nahm seine
Hand darauf an und brach die Materie ab,
doch sein Freund kehrte oft zu ihr wieder
zurück. -- Brüderchen, sagte er, es ist ein
verzweifelt schweres Ding, allein Herr von
seinem Willen zu seyn und lauter Gutes zu
thun. Sonst, wenn ich einem armen dur-
stigen Manne einen Trunk Apfelwein reichte,
wünschte ich immer: o wer dich doch auf
einen Thron setzte, daß du die Leute glückli-
cher machen könntest! Jämmerlich ist doch
die Armuth, daß man nicht mehr für den
armen Nebenmenschen thun kann, als ihm
höchstens auf ein Paar Minuten den Durst
löschen oder den Hunger stillen! wenn ich
reich, wenn ich mächtig wäre -- kein

Mensch
C 5

ven das Ihrige wieder zu erſtatten, wie der
geringſte unter ihnen zu leben, ſeine ganze
Macht niederzulegen, mit ihm zu einem
Kruge Apfelwein zuruͤckzuwandern und ſo
viel Gutes zu thun, als er koͤnnte. Bel-
phegor war mit ſeiner Reue zufrieden und
fragte ihn, um ihre Aufrichtigkeit zu verſu-
chen, welchen Tag er alle dieſe Verſprechun-
gen erfuͤllen wuͤrde. Er ſtuzte ein wenig
uͤber die Frage, doch ſetzte er lebhaft hinzu:
Morgendes Tages! Belphegor nahm ſeine
Hand darauf an und brach die Materie ab,
doch ſein Freund kehrte oft zu ihr wieder
zuruͤck. — Bruͤderchen, ſagte er, es iſt ein
verzweifelt ſchweres Ding, allein Herr von
ſeinem Willen zu ſeyn und lauter Gutes zu
thun. Sonſt, wenn ich einem armen dur-
ſtigen Manne einen Trunk Apfelwein reichte,
wuͤnſchte ich immer: o wer dich doch auf
einen Thron ſetzte, daß du die Leute gluͤckli-
cher machen koͤnnteſt! Jaͤmmerlich iſt doch
die Armuth, daß man nicht mehr fuͤr den
armen Nebenmenſchen thun kann, als ihm
hoͤchſtens auf ein Paar Minuten den Durſt
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[39/0045] ven das Ihrige wieder zu erſtatten, wie der geringſte unter ihnen zu leben, ſeine ganze Macht niederzulegen, mit ihm zu einem Kruge Apfelwein zuruͤckzuwandern und ſo viel Gutes zu thun, als er koͤnnte. Bel- phegor war mit ſeiner Reue zufrieden und fragte ihn, um ihre Aufrichtigkeit zu verſu- chen, welchen Tag er alle dieſe Verſprechun- gen erfuͤllen wuͤrde. Er ſtuzte ein wenig uͤber die Frage, doch ſetzte er lebhaft hinzu: Morgendes Tages! Belphegor nahm ſeine Hand darauf an und brach die Materie ab, doch ſein Freund kehrte oft zu ihr wieder zuruͤck. — Bruͤderchen, ſagte er, es iſt ein verzweifelt ſchweres Ding, allein Herr von ſeinem Willen zu ſeyn und lauter Gutes zu thun. Sonſt, wenn ich einem armen dur- ſtigen Manne einen Trunk Apfelwein reichte, wuͤnſchte ich immer: o wer dich doch auf einen Thron ſetzte, daß du die Leute gluͤckli- cher machen koͤnnteſt! Jaͤmmerlich iſt doch die Armuth, daß man nicht mehr fuͤr den armen Nebenmenſchen thun kann, als ihm hoͤchſtens auf ein Paar Minuten den Durſt loͤſchen oder den Hunger ſtillen! wenn ich reich, wenn ich maͤchtig waͤre — kein Menſch C 5

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/45>, abgerufen am 26.04.2024.