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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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verminderten Menschlichkeit in meine Würde,
erhielt einen weitern und freyern Wirkungs-
platz, mehr Gegenstände der Begierden und
mehr Gewalt, meine Begierden wuchsen,
wuchsen über meine Kräfte hinweg und --
Freunde, soll ichs euch weiter erzählen?
Meine Geschichte ist die Geschichte aller Men-
schen. Ich wurde die Marionette meines
Eigennutzes und meiner Eigenliebe; und
Belphegor, Du weißt es, wie sehr ich unter
ihrem Befehle stund, als Du mir Deine
freundschaftliche Hülfe zur Besserung anbo-
test. Wegen dieses einzigen glücklichen Er-
folgs laß Dich alle Wunden und Beulen
nicht gereuen, die Dir Dein zu feuriger Ei-
fer für Recht und Gerechtigkeit geschlagen
hat. Du hast mich zum Menschen wieder
umgeschaffen, Dir bin ich mehr als mein
Leben -- meine Rückkehr zur Vernünftig-
keit schuldig. Freunde! laßt uns unsre Er-
fahrung nicht umsonst mit dem Verluste unsrer
Tugend, eingesammelt haben! Wir haben
bewiesen, daß man nie gut genug seyn kann,
um es beständig und in allen Vorfallenheiten
zu seyn, daß der Sauerteig des Neides und
der Herrschsucht in jedem Herze liegt und bey

stärkrer

verminderten Menſchlichkeit in meine Wuͤrde,
erhielt einen weitern und freyern Wirkungs-
platz, mehr Gegenſtaͤnde der Begierden und
mehr Gewalt, meine Begierden wuchſen,
wuchſen uͤber meine Kraͤfte hinweg und —
Freunde, ſoll ichs euch weiter erzaͤhlen?
Meine Geſchichte iſt die Geſchichte aller Men-
ſchen. Ich wurde die Marionette meines
Eigennutzes und meiner Eigenliebe; und
Belphegor, Du weißt es, wie ſehr ich unter
ihrem Befehle ſtund, als Du mir Deine
freundſchaftliche Huͤlfe zur Beſſerung anbo-
teſt. Wegen dieſes einzigen gluͤcklichen Er-
folgs laß Dich alle Wunden und Beulen
nicht gereuen, die Dir Dein zu feuriger Ei-
fer fuͤr Recht und Gerechtigkeit geſchlagen
hat. Du haſt mich zum Menſchen wieder
umgeſchaffen, Dir bin ich mehr als mein
Leben — meine Ruͤckkehr zur Vernuͤnftig-
keit ſchuldig. Freunde! laßt uns unſre Er-
fahrung nicht umſonſt mit dem Verluſte unſrer
Tugend, eingeſammelt haben! Wir haben
bewieſen, daß man nie gut genug ſeyn kann,
um es beſtaͤndig und in allen Vorfallenheiten
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[294/0300] verminderten Menſchlichkeit in meine Wuͤrde, erhielt einen weitern und freyern Wirkungs- platz, mehr Gegenſtaͤnde der Begierden und mehr Gewalt, meine Begierden wuchſen, wuchſen uͤber meine Kraͤfte hinweg und — Freunde, ſoll ichs euch weiter erzaͤhlen? Meine Geſchichte iſt die Geſchichte aller Men- ſchen. Ich wurde die Marionette meines Eigennutzes und meiner Eigenliebe; und Belphegor, Du weißt es, wie ſehr ich unter ihrem Befehle ſtund, als Du mir Deine freundſchaftliche Huͤlfe zur Beſſerung anbo- teſt. Wegen dieſes einzigen gluͤcklichen Er- folgs laß Dich alle Wunden und Beulen nicht gereuen, die Dir Dein zu feuriger Ei- fer fuͤr Recht und Gerechtigkeit geſchlagen hat. Du haſt mich zum Menſchen wieder umgeſchaffen, Dir bin ich mehr als mein Leben — meine Ruͤckkehr zur Vernuͤnftig- keit ſchuldig. Freunde! laßt uns unſre Er- fahrung nicht umſonſt mit dem Verluſte unſrer Tugend, eingeſammelt haben! Wir haben bewieſen, daß man nie gut genug ſeyn kann, um es beſtaͤndig und in allen Vorfallenheiten zu ſeyn, daß der Sauerteig des Neides und der Herrſchſucht in jedem Herze liegt und bey ſtaͤrkrer

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/300>, abgerufen am 19.05.2024.