Hungernd und durstend wanderten wir von neuem durch lange Sandfelder, kamen dem Ufer zufallsweise nahe, wollten es nicht wie- der verlassen, und verließen es doch wider unsern Willen. Brüderchen, nichts war ge- wisser als unser Tod; und mir giengen die Augen schon über, wenn ich nur daran dachte, wer wohl zuerst sterben würde: was sollte aus meiner gutherzigen Zaninny wer- den, wenn ich vor ihr aus dem Leben müß- te; und wenn sie vorangieng -- daran konnte ich gar nicht denken. Plötzlich, da wir mit der größten Angst kämpften, kamen wir an Hütten: wir waren im Lande der Maladellasitten. Wir fanden wieder Dat- teln, und ich hielt mit meiner Zaninny die erste frohe Mahlzeit: wir labten uns, wa- ren zusammen frölich und giengen tiefer ins Land. Auf einer Ebne, die mit grünen ein- zelnen Sträuchen und Palmbäumen besetzt war, saß an einem Flüßchen, das sich viel- fältig auf dem Platze herumschlängelte, ein Kreis von nackten Damen, die auf den kreuz- weis untergeschlagenen Füssen mit einer Feier- lichkeit und Ernsthaftigkeit da saßen, als wenn sie über die Staatsangelegenheiten des ma-
ladella-
Hungernd und durſtend wanderten wir von neuem durch lange Sandfelder, kamen dem Ufer zufallsweiſe nahe, wollten es nicht wie- der verlaſſen, und verließen es doch wider unſern Willen. Bruͤderchen, nichts war ge- wiſſer als unſer Tod; und mir giengen die Augen ſchon uͤber, wenn ich nur daran dachte, wer wohl zuerſt ſterben wuͤrde: was ſollte aus meiner gutherzigen Zaninny wer- den, wenn ich vor ihr aus dem Leben muͤß- te; und wenn ſie vorangieng — daran konnte ich gar nicht denken. Ploͤtzlich, da wir mit der groͤßten Angſt kaͤmpften, kamen wir an Huͤtten: wir waren im Lande der Maladellaſitten. Wir fanden wieder Dat- teln, und ich hielt mit meiner Zaninny die erſte frohe Mahlzeit: wir labten uns, wa- ren zuſammen froͤlich und giengen tiefer ins Land. Auf einer Ebne, die mit gruͤnen ein- zelnen Straͤuchen und Palmbaͤumen beſetzt war, ſaß an einem Fluͤßchen, das ſich viel- faͤltig auf dem Platze herumſchlaͤngelte, ein Kreis von nackten Damen, die auf den kreuz- weis untergeſchlagenen Fuͤſſen mit einer Feier- lichkeit und Ernſthaftigkeit da ſaßen, als wenn ſie uͤber die Staatsangelegenheiten des ma-
ladella-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0030"n="24"/>
Hungernd und durſtend wanderten wir von<lb/>
neuem durch lange Sandfelder, kamen dem<lb/>
Ufer zufallsweiſe nahe, wollten es nicht wie-<lb/>
der verlaſſen, und verließen es doch wider<lb/>
unſern Willen. Bruͤderchen, nichts war ge-<lb/>
wiſſer als unſer Tod; und mir giengen die<lb/>
Augen ſchon uͤber, wenn ich nur daran<lb/>
dachte, wer wohl zuerſt ſterben wuͤrde: was<lb/>ſollte aus meiner gutherzigen <hirendition="#fr">Zaninny</hi> wer-<lb/>
den, wenn ich vor ihr aus dem Leben muͤß-<lb/>
te; und wenn <hirendition="#fr">ſie</hi> vorangieng — daran<lb/>
konnte ich gar nicht denken. Ploͤtzlich, da<lb/>
wir mit der groͤßten Angſt kaͤmpften, kamen<lb/>
wir an Huͤtten: wir waren im Lande der<lb/><hirendition="#fr">Maladellaſitten.</hi> Wir fanden wieder Dat-<lb/>
teln, und ich hielt mit meiner <hirendition="#fr">Zaninny</hi> die<lb/>
erſte frohe Mahlzeit: wir labten uns, wa-<lb/>
ren zuſammen froͤlich und giengen tiefer ins<lb/>
Land. Auf einer Ebne, die mit gruͤnen ein-<lb/>
zelnen Straͤuchen und Palmbaͤumen beſetzt<lb/>
war, ſaß an einem Fluͤßchen, das ſich viel-<lb/>
faͤltig auf dem Platze herumſchlaͤngelte, ein<lb/>
Kreis von nackten Damen, die auf den kreuz-<lb/>
weis untergeſchlagenen Fuͤſſen mit einer Feier-<lb/>
lichkeit und Ernſthaftigkeit da ſaßen, als wenn<lb/>ſie uͤber die Staatsangelegenheiten des ma-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ladella-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[24/0030]
Hungernd und durſtend wanderten wir von
neuem durch lange Sandfelder, kamen dem
Ufer zufallsweiſe nahe, wollten es nicht wie-
der verlaſſen, und verließen es doch wider
unſern Willen. Bruͤderchen, nichts war ge-
wiſſer als unſer Tod; und mir giengen die
Augen ſchon uͤber, wenn ich nur daran
dachte, wer wohl zuerſt ſterben wuͤrde: was
ſollte aus meiner gutherzigen Zaninny wer-
den, wenn ich vor ihr aus dem Leben muͤß-
te; und wenn ſie vorangieng — daran
konnte ich gar nicht denken. Ploͤtzlich, da
wir mit der groͤßten Angſt kaͤmpften, kamen
wir an Huͤtten: wir waren im Lande der
Maladellaſitten. Wir fanden wieder Dat-
teln, und ich hielt mit meiner Zaninny die
erſte frohe Mahlzeit: wir labten uns, wa-
ren zuſammen froͤlich und giengen tiefer ins
Land. Auf einer Ebne, die mit gruͤnen ein-
zelnen Straͤuchen und Palmbaͤumen beſetzt
war, ſaß an einem Fluͤßchen, das ſich viel-
faͤltig auf dem Platze herumſchlaͤngelte, ein
Kreis von nackten Damen, die auf den kreuz-
weis untergeſchlagenen Fuͤſſen mit einer Feier-
lichkeit und Ernſthaftigkeit da ſaßen, als wenn
ſie uͤber die Staatsangelegenheiten des ma-
ladella-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/30>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.