Freundschaft für Dich so ganz, daß ich Dich unmöglich ohne Neid in ihren Umar- mungen die süßeste Wohllust genießen sehen konnte: die Freundschaft kämpfte wider die Eifersucht, und ich war blos ihr Tummel- platz: ich konnte nichts wollen und nichts beschließen: die Leidenschaft siegte, ich ver- drängte Dich, und wurde ein Falscher, um mir die Scham vor Deinen Vorwürfen zu ersparen, hintergieng Dich zweimal mit Lü- gen: doch Akantens Treulosigkeit strafte mich dafür. -- Freund, vergiebst Du mir einen Fehltritt, zu welchem mich alles hinriß? Ich war meiner nicht mächtig, ich mußte ihn thun, in meiner Lage war er unvermeid- lich, nothwendig.
Belph. Meine Freundschaft vergab Dir ihn, ehe Du ihn thatest. Umarme mich! Verzeihung geben und empfangen ist die Ge- schichte des Menschen. Jeder dieser Fehl- tritte ist mir begreiflich; allein wie Du, ein so entschloßner Feind aller Unterdrückung, verleitet werden konntest, Handlungen zu begehn, die Du jederzeit verabscheutest, das, das ist mir unerklärbar.
From.
T 3
Freundſchaft fuͤr Dich ſo ganz, daß ich Dich unmoͤglich ohne Neid in ihren Umar- mungen die ſuͤßeſte Wohlluſt genießen ſehen konnte: die Freundſchaft kaͤmpfte wider die Eiferſucht, und ich war blos ihr Tummel- platz: ich konnte nichts wollen und nichts beſchließen: die Leidenſchaft ſiegte, ich ver- draͤngte Dich, und wurde ein Falſcher, um mir die Scham vor Deinen Vorwuͤrfen zu erſparen, hintergieng Dich zweimal mit Luͤ- gen: doch Akantens Treuloſigkeit ſtrafte mich dafuͤr. — Freund, vergiebſt Du mir einen Fehltritt, zu welchem mich alles hinriß? Ich war meiner nicht maͤchtig, ich mußte ihn thun, in meiner Lage war er unvermeid- lich, nothwendig.
Belph. Meine Freundſchaft vergab Dir ihn, ehe Du ihn thateſt. Umarme mich! Verzeihung geben und empfangen iſt die Ge- ſchichte des Menſchen. Jeder dieſer Fehl- tritte iſt mir begreiflich; allein wie Du, ein ſo entſchloßner Feind aller Unterdruͤckung, verleitet werden konnteſt, Handlungen zu begehn, die Du jederzeit verabſcheuteſt, das, das iſt mir unerklaͤrbar.
From.
T 3
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Freundſchaft fuͤr Dich ſo ganz, daß ich
Dich unmoͤglich ohne Neid in ihren Umar-
mungen die ſuͤßeſte Wohlluſt genießen ſehen
konnte: die Freundſchaft kaͤmpfte wider die
Eiferſucht, und ich war blos ihr Tummel-
platz: ich konnte nichts wollen und nichts
beſchließen: die Leidenſchaft ſiegte, ich ver-
draͤngte Dich, und wurde ein Falſcher, um
mir die Scham vor Deinen Vorwuͤrfen zu
erſparen, hintergieng Dich zweimal mit Luͤ-
gen: doch Akantens Treuloſigkeit ſtrafte mich
dafuͤr. — Freund, vergiebſt Du mir einen
Fehltritt, zu welchem mich alles hinriß? Ich
war meiner nicht maͤchtig, ich mußte ihn
thun, in meiner Lage war er unvermeid-
lich, nothwendig.
Belph. Meine Freundſchaft vergab Dir
ihn, ehe Du ihn thateſt. Umarme mich!
Verzeihung geben und empfangen iſt die Ge-
ſchichte des Menſchen. Jeder dieſer Fehl-
tritte iſt mir begreiflich; allein wie Du, ein
ſo entſchloßner Feind aller Unterdruͤckung,
verleitet werden konnteſt, Handlungen zu
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/297>, abgerufen am 22.12.2024.
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