Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

gieb den Bedrückten, die Du vor Räube-
reyen schützen solltest und selbst beraubt
hast, gieb ihnen alles wieder, sey künftig
gerecht, billig, menschenfreundlich! -- und
Du bist wieder mein Freund; wo nicht, so
soll Dich meine Nachkommenschaft bis in
Ewigkeit verfluchen, und jeder Tropfen mei-
nes Blutes, so lange er noch in einer Ader
fließt, um Rache wider Dich schreyen. --

Der Brief that seine Wirkung. Belphe-
gor hatte sehr sorgfältig verhelt, daß er der
Urheber von ihm war, und Fromal, der
dieß nicht vermuthete, hatte bereits zu viel
gelesen, um wieder aufhören zu können, als
er den Verfasser desselben errieth. Er las
ihn unruhig und zitternd durch, mußte es
noch einmal thun und wurde in ein tiefes
Nachdenken versenkt, las ihn wieder und
sann, konnte nicht essen und nicht schlafen.
Die schauerhaften Beschwörungen seines
Freundes schlichen unaufhörlich, wie Ge-
spenster, vor seiner Seele vorüber: er
wünschte, sich bey dem Manne rechtfertigen
zu können, der einen solchen Aufruhr in ihm
gemacht hatte, und doch schämte er sich,
ihm in die Augen zu sehn. In dieser unru-

higen

gieb den Bedruͤckten, die Du vor Raͤube-
reyen ſchuͤtzen ſollteſt und ſelbſt beraubt
haſt, gieb ihnen alles wieder, ſey kuͤnftig
gerecht, billig, menſchenfreundlich! — und
Du biſt wieder mein Freund; wo nicht, ſo
ſoll Dich meine Nachkommenſchaft bis in
Ewigkeit verfluchen, und jeder Tropfen mei-
nes Blutes, ſo lange er noch in einer Ader
fließt, um Rache wider Dich ſchreyen. —

Der Brief that ſeine Wirkung. Belphe-
gor hatte ſehr ſorgfaͤltig verhelt, daß er der
Urheber von ihm war, und Fromal, der
dieß nicht vermuthete, hatte bereits zu viel
geleſen, um wieder aufhoͤren zu koͤnnen, als
er den Verfaſſer deſſelben errieth. Er las
ihn unruhig und zitternd durch, mußte es
noch einmal thun und wurde in ein tiefes
Nachdenken verſenkt, las ihn wieder und
ſann, konnte nicht eſſen und nicht ſchlafen.
Die ſchauerhaften Beſchwoͤrungen ſeines
Freundes ſchlichen unaufhoͤrlich, wie Ge-
ſpenſter, vor ſeiner Seele voruͤber: er
wuͤnſchte, ſich bey dem Manne rechtfertigen
zu koͤnnen, der einen ſolchen Aufruhr in ihm
gemacht hatte, und doch ſchaͤmte er ſich,
ihm in die Augen zu ſehn. In dieſer unru-

higen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0273" n="267"/>
gieb den Bedru&#x0364;ckten, die Du vor Ra&#x0364;ube-<lb/>
reyen &#x017F;chu&#x0364;tzen &#x017F;ollte&#x017F;t und &#x017F;elb&#x017F;t beraubt<lb/>
ha&#x017F;t, gieb ihnen alles wieder, &#x017F;ey ku&#x0364;nftig<lb/>
gerecht, billig, men&#x017F;chenfreundlich! &#x2014; und<lb/>
Du bi&#x017F;t wieder mein Freund; wo nicht, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;oll Dich meine Nachkommen&#x017F;chaft bis in<lb/>
Ewigkeit verfluchen, und jeder Tropfen mei-<lb/>
nes Blutes, &#x017F;o lange er noch in einer Ader<lb/>
fließt, um Rache wider Dich &#x017F;chreyen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Der Brief that &#x017F;eine Wirkung. Belphe-<lb/>
gor hatte &#x017F;ehr &#x017F;orgfa&#x0364;ltig verhelt, daß er der<lb/>
Urheber von ihm war, und Fromal, der<lb/>
dieß nicht vermuthete, hatte bereits zu viel<lb/>
gele&#x017F;en, um wieder aufho&#x0364;ren zu ko&#x0364;nnen, als<lb/>
er den Verfa&#x017F;&#x017F;er de&#x017F;&#x017F;elben errieth. Er las<lb/>
ihn unruhig und zitternd durch, mußte es<lb/>
noch einmal thun und wurde in ein tiefes<lb/>
Nachdenken ver&#x017F;enkt, las ihn wieder und<lb/>
&#x017F;ann, konnte nicht e&#x017F;&#x017F;en und nicht &#x017F;chlafen.<lb/>
Die &#x017F;chauerhaften Be&#x017F;chwo&#x0364;rungen &#x017F;eines<lb/>
Freundes &#x017F;chlichen unaufho&#x0364;rlich, wie Ge-<lb/>
&#x017F;pen&#x017F;ter, vor &#x017F;einer Seele voru&#x0364;ber: er<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte, &#x017F;ich bey dem Manne rechtfertigen<lb/>
zu ko&#x0364;nnen, der einen &#x017F;olchen Aufruhr in ihm<lb/>
gemacht hatte, und doch &#x017F;cha&#x0364;mte er &#x017F;ich,<lb/>
ihm in die Augen zu &#x017F;ehn. In die&#x017F;er unru-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">higen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0273] gieb den Bedruͤckten, die Du vor Raͤube- reyen ſchuͤtzen ſollteſt und ſelbſt beraubt haſt, gieb ihnen alles wieder, ſey kuͤnftig gerecht, billig, menſchenfreundlich! — und Du biſt wieder mein Freund; wo nicht, ſo ſoll Dich meine Nachkommenſchaft bis in Ewigkeit verfluchen, und jeder Tropfen mei- nes Blutes, ſo lange er noch in einer Ader fließt, um Rache wider Dich ſchreyen. — Der Brief that ſeine Wirkung. Belphe- gor hatte ſehr ſorgfaͤltig verhelt, daß er der Urheber von ihm war, und Fromal, der dieß nicht vermuthete, hatte bereits zu viel geleſen, um wieder aufhoͤren zu koͤnnen, als er den Verfaſſer deſſelben errieth. Er las ihn unruhig und zitternd durch, mußte es noch einmal thun und wurde in ein tiefes Nachdenken verſenkt, las ihn wieder und ſann, konnte nicht eſſen und nicht ſchlafen. Die ſchauerhaften Beſchwoͤrungen ſeines Freundes ſchlichen unaufhoͤrlich, wie Ge- ſpenſter, vor ſeiner Seele voruͤber: er wuͤnſchte, ſich bey dem Manne rechtfertigen zu koͤnnen, der einen ſolchen Aufruhr in ihm gemacht hatte, und doch ſchaͤmte er ſich, ihm in die Augen zu ſehn. In dieſer unru- higen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/273
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/273>, abgerufen am 19.05.2024.