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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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alter Fuhrmann gern klatschen hört, wenn
sein Arm zu steif ist, die Peitsche selbst zu re-
gieren. Sie war -- wenn man ihre Ver-
richtung bey dem eigentlichen Namen nennen
darf -- eine Kupplerinn, und genoß die
Freuden ihrer Jugend wenigstens in der
Einbildung,
wenn sie den fremden Ge-
nuß derselben vor sich sahe, da das unbarm-
herzige Alter sie leider! unfähig gemacht
hatte, sich in der Wirklichkeit daran zu ver-
gnügen. Ihr Mann, der mit seinem Kopfe
immer auf irrendritterliche Fahrten ausgieng,
konnte über dem Eifer, die ganze Welt zu
bessern, nicht daran denken, sein Haus zu
bessern, das durch die Geschäftigkeit seiner
Frau einem Bordelle nicht unähnlich gewor-
den war. Er merkte nicht das mindeste hier-
von, sondern lebte nunmehr von der Ein-
nahme seiner Frau, unbekümmert, daß sie
der Gewinst einer Unterdrückung war, die
alle andern überwiegt -- der Unterdrückung
der Tugend. Indessen daß diese ohne sein
Bewußtseyn täglich hinter seinem Rücken
geschah, schwärmte er mit seinen Gedanken
in der Welt herum, suchte Materialien zum
Aerger auf und zürnte, daß die Natur nicht

ihn
Q 4

alter Fuhrmann gern klatſchen hoͤrt, wenn
ſein Arm zu ſteif iſt, die Peitſche ſelbſt zu re-
gieren. Sie war — wenn man ihre Ver-
richtung bey dem eigentlichen Namen nennen
darf — eine Kupplerinn, und genoß die
Freuden ihrer Jugend wenigſtens in der
Einbildung,
wenn ſie den fremden Ge-
nuß derſelben vor ſich ſahe, da das unbarm-
herzige Alter ſie leider! unfaͤhig gemacht
hatte, ſich in der Wirklichkeit daran zu ver-
gnuͤgen. Ihr Mann, der mit ſeinem Kopfe
immer auf irrendritterliche Fahrten ausgieng,
konnte uͤber dem Eifer, die ganze Welt zu
beſſern, nicht daran denken, ſein Haus zu
beſſern, das durch die Geſchaͤftigkeit ſeiner
Frau einem Bordelle nicht unaͤhnlich gewor-
den war. Er merkte nicht das mindeſte hier-
von, ſondern lebte nunmehr von der Ein-
nahme ſeiner Frau, unbekuͤmmert, daß ſie
der Gewinſt einer Unterdruͤckung war, die
alle andern uͤberwiegt — der Unterdruͤckung
der Tugend. Indeſſen daß dieſe ohne ſein
Bewußtſeyn taͤglich hinter ſeinem Ruͤcken
geſchah, ſchwaͤrmte er mit ſeinen Gedanken
in der Welt herum, ſuchte Materialien zum
Aerger auf und zuͤrnte, daß die Natur nicht

ihn
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[245/0251] alter Fuhrmann gern klatſchen hoͤrt, wenn ſein Arm zu ſteif iſt, die Peitſche ſelbſt zu re- gieren. Sie war — wenn man ihre Ver- richtung bey dem eigentlichen Namen nennen darf — eine Kupplerinn, und genoß die Freuden ihrer Jugend wenigſtens in der Einbildung, wenn ſie den fremden Ge- nuß derſelben vor ſich ſahe, da das unbarm- herzige Alter ſie leider! unfaͤhig gemacht hatte, ſich in der Wirklichkeit daran zu ver- gnuͤgen. Ihr Mann, der mit ſeinem Kopfe immer auf irrendritterliche Fahrten ausgieng, konnte uͤber dem Eifer, die ganze Welt zu beſſern, nicht daran denken, ſein Haus zu beſſern, das durch die Geſchaͤftigkeit ſeiner Frau einem Bordelle nicht unaͤhnlich gewor- den war. Er merkte nicht das mindeſte hier- von, ſondern lebte nunmehr von der Ein- nahme ſeiner Frau, unbekuͤmmert, daß ſie der Gewinſt einer Unterdruͤckung war, die alle andern uͤberwiegt — der Unterdruͤckung der Tugend. Indeſſen daß dieſe ohne ſein Bewußtſeyn taͤglich hinter ſeinem Ruͤcken geſchah, ſchwaͤrmte er mit ſeinen Gedanken in der Welt herum, ſuchte Materialien zum Aerger auf und zuͤrnte, daß die Natur nicht ihn Q 4

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/251>, abgerufen am 18.05.2024.