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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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losen Mitgeschöpfen verglich, die ihm die
Mittel zu einer so weichlichen Bequemlichkeit
erarbeiten mußten: er wollte nicht mehr die-
selbe Luft mit ihm athmen, oder von Einem
Dache mit ihm bedeckt seyn; und als er eines
Tages den Auftrag bekam, ihu mit der Vorle-
sung seines Geschlechtsregisters einzuschlä-
fern, so that er ihm mit dem Eifer eines
Bußpredigers eine so nachdrückliche morali-
sche Vorhaltung seiner noch weniger als thie-
rischen Lebensart und der Unterdrückung, die
er begehn müßte, um sie genießen zu können,
daß der Mann kein Auge zu thun konnte,
worüber er so ergrimmte, daß er den armen
Belphegor, als einen unbrauchbaren Be-
dienten, zum Hause augenblicklich hinaus-
weisen ließ. Das Schicksal war hart, aber
ein kleiner Rest von Stolze, der ihn überre-
dete, für die Wahrheit eine Aufopferung ge-
than zu haben, stärkte ihn hinlänglich, daß
er so aufgerichtet und frölich, wie ein Mär-
tyrer, über die Schwelle schreiten konnte.

Er nahm seine Zuslucht zu Akanten, die
noch, so sehr sich ihre Reize auch vermin-
dert hatten, aus dem nämlichen Grunde
gern mit der Liebe spielte, aus welchem ein

alter

loſen Mitgeſchoͤpfen verglich, die ihm die
Mittel zu einer ſo weichlichen Bequemlichkeit
erarbeiten mußten: er wollte nicht mehr die-
ſelbe Luft mit ihm athmen, oder von Einem
Dache mit ihm bedeckt ſeyn; und als er eines
Tages den Auftrag bekam, ihu mit der Vorle-
ſung ſeines Geſchlechtsregiſters einzuſchlaͤ-
fern, ſo that er ihm mit dem Eifer eines
Bußpredigers eine ſo nachdruͤckliche morali-
ſche Vorhaltung ſeiner noch weniger als thie-
riſchen Lebensart und der Unterdruͤckung, die
er begehn muͤßte, um ſie genießen zu koͤnnen,
daß der Mann kein Auge zu thun konnte,
woruͤber er ſo ergrimmte, daß er den armen
Belphegor, als einen unbrauchbaren Be-
dienten, zum Hauſe augenblicklich hinaus-
weiſen ließ. Das Schickſal war hart, aber
ein kleiner Reſt von Stolze, der ihn uͤberre-
dete, fuͤr die Wahrheit eine Aufopferung ge-
than zu haben, ſtaͤrkte ihn hinlaͤnglich, daß
er ſo aufgerichtet und froͤlich, wie ein Maͤr-
tyrer, uͤber die Schwelle ſchreiten konnte.

Er nahm ſeine Zuſlucht zu Akanten, die
noch, ſo ſehr ſich ihre Reize auch vermin-
dert hatten, aus dem naͤmlichen Grunde
gern mit der Liebe ſpielte, aus welchem ein

alter
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[244/0250] loſen Mitgeſchoͤpfen verglich, die ihm die Mittel zu einer ſo weichlichen Bequemlichkeit erarbeiten mußten: er wollte nicht mehr die- ſelbe Luft mit ihm athmen, oder von Einem Dache mit ihm bedeckt ſeyn; und als er eines Tages den Auftrag bekam, ihu mit der Vorle- ſung ſeines Geſchlechtsregiſters einzuſchlaͤ- fern, ſo that er ihm mit dem Eifer eines Bußpredigers eine ſo nachdruͤckliche morali- ſche Vorhaltung ſeiner noch weniger als thie- riſchen Lebensart und der Unterdruͤckung, die er begehn muͤßte, um ſie genießen zu koͤnnen, daß der Mann kein Auge zu thun konnte, woruͤber er ſo ergrimmte, daß er den armen Belphegor, als einen unbrauchbaren Be- dienten, zum Hauſe augenblicklich hinaus- weiſen ließ. Das Schickſal war hart, aber ein kleiner Reſt von Stolze, der ihn uͤberre- dete, fuͤr die Wahrheit eine Aufopferung ge- than zu haben, ſtaͤrkte ihn hinlaͤnglich, daß er ſo aufgerichtet und froͤlich, wie ein Maͤr- tyrer, uͤber die Schwelle ſchreiten konnte. Er nahm ſeine Zuſlucht zu Akanten, die noch, ſo ſehr ſich ihre Reize auch vermin- dert hatten, aus dem naͤmlichen Grunde gern mit der Liebe ſpielte, aus welchem ein alter

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/250>, abgerufen am 04.05.2024.