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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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erniedrigt werden mußte, damit der andre
desto höher sich emporhebe? -- O Gott!
mir schwellen alle meine Adern, wenn ich
diesen tollen Lauf der Welt überdeuke! --
Was sind diese Befehlshaber, diese Corre-
gidoren anders als privilegirte Unterdrücker!
Was seyd ihr, die ihr den Reichthum des
Landes der Erde abgewinnt, anders, als
immerwährende Unterdrücker? als vom Recht
geschüzte Unterdrücker, wenn ihr auch noch
so gelinde verfahrt? Und wenn der Elendediese
beiden Ruthen bis zum Verbluten gefühlt hat,
dann setzt noch der geistliche Blutsauger den
Rüssel an und zieht dem armen Einfältigen
den wenigen Saft aus, der ihm übrig blieb,
verkauft ihm schnöde nichtsnutze Possen und
pflanzt ihm den häßlichsten Aberglauben ein,
damit ihn Gewissen und Blödsinn zum Kaufe
zwingen. -- Ist es erhört, o Natur, daß
du eine Gattung von deinen Geschöpfen so
ganz stiefmütterlich vernachlassigen konntest?
Waren die Indianer nicht auch dein Werk?
Und doch ließest du sie vielleicht viele tausend
Jahre in Dummheit und dem grausamsten
Aberglauben herumkriechen, Sklaven ihrer
Tyrannen und ihrer Götter seyn, dann sie

zu tau-

erniedrigt werden mußte, damit der andre
deſto hoͤher ſich emporhebe? — O Gott!
mir ſchwellen alle meine Adern, wenn ich
dieſen tollen Lauf der Welt uͤberdeuke! —
Was ſind dieſe Befehlshaber, dieſe Corre-
gidoren anders als privilegirte Unterdruͤcker!
Was ſeyd ihr, die ihr den Reichthum des
Landes der Erde abgewinnt, anders, als
immerwaͤhrende Unterdruͤcker? als vom Recht
geſchuͤzte Unterdruͤcker, wenn ihr auch noch
ſo gelinde verfahrt? Und wenn der Elendedieſe
beiden Ruthen bis zum Verbluten gefuͤhlt hat,
dann ſetzt noch der geiſtliche Blutſauger den
Ruͤſſel an und zieht dem armen Einfaͤltigen
den wenigen Saft aus, der ihm uͤbrig blieb,
verkauft ihm ſchnoͤde nichtsnutze Poſſen und
pflanzt ihm den haͤßlichſten Aberglauben ein,
damit ihn Gewiſſen und Bloͤdſinn zum Kaufe
zwingen. — Iſt es erhoͤrt, o Natur, daß
du eine Gattung von deinen Geſchoͤpfen ſo
ganz ſtiefmuͤtterlich vernachlaſſigen konnteſt?
Waren die Indianer nicht auch dein Werk?
Und doch ließeſt du ſie vielleicht viele tauſend
Jahre in Dummheit und dem grauſamſten
Aberglauben herumkriechen, Sklaven ihrer
Tyrannen und ihrer Goͤtter ſeyn, dann ſie

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[240/0246] erniedrigt werden mußte, damit der andre deſto hoͤher ſich emporhebe? — O Gott! mir ſchwellen alle meine Adern, wenn ich dieſen tollen Lauf der Welt uͤberdeuke! — Was ſind dieſe Befehlshaber, dieſe Corre- gidoren anders als privilegirte Unterdruͤcker! Was ſeyd ihr, die ihr den Reichthum des Landes der Erde abgewinnt, anders, als immerwaͤhrende Unterdruͤcker? als vom Recht geſchuͤzte Unterdruͤcker, wenn ihr auch noch ſo gelinde verfahrt? Und wenn der Elendedieſe beiden Ruthen bis zum Verbluten gefuͤhlt hat, dann ſetzt noch der geiſtliche Blutſauger den Ruͤſſel an und zieht dem armen Einfaͤltigen den wenigen Saft aus, der ihm uͤbrig blieb, verkauft ihm ſchnoͤde nichtsnutze Poſſen und pflanzt ihm den haͤßlichſten Aberglauben ein, damit ihn Gewiſſen und Bloͤdſinn zum Kaufe zwingen. — Iſt es erhoͤrt, o Natur, daß du eine Gattung von deinen Geſchoͤpfen ſo ganz ſtiefmuͤtterlich vernachlaſſigen konnteſt? Waren die Indianer nicht auch dein Werk? Und doch ließeſt du ſie vielleicht viele tauſend Jahre in Dummheit und dem grauſamſten Aberglauben herumkriechen, Sklaven ihrer Tyrannen und ihrer Goͤtter ſeyn, dann ſie zu tau-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/246>, abgerufen am 04.05.2024.