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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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porschwellen: nimm, iß! und wenn du dann
zu der wichtigen Unternehmung dich nicht
hingerissen fühlst, so bist du nicht werth,
daß du aus der Brust deiner Mutter einen
Tropfen Blut empfiengst. --

Der glühende Belphegor nahm den ange-
botnen Opium und verschluckte eine große
Menge, die in kurzer Zeit eine flüchtige An-
spannung aller seiner Gefäße veranlaßte,
daß seine Imagination aufbrauste; und in
diesem Taumel gab er Akanten die Hand,
schwur ihr einen theuern Eyd, und nichts
war gewisser, als daß sie beide, wie irrende
Ritter, zu der Erlösung des weiblichen Ge-
schlechts auswandern wollten. Da sie in
einem Lande waren, das ihnen Gelegenheit
genug anbieten konnte, ihre ritterliche Tapfer-
keit zu üben, so sollte das Kriegstheater zuerst
dort eröffnet werden. Sie fiengen den Zug
an, und ihre vier Arme dünkten ihnen in
ihrer stolzen Berauschung so stark als hundert-
tausend zu seyn, weswegen sie nicht die min-
deste Bedenklichkeit hatten, ohne Hülfstrup-
pen mit dem ganzen Oriente allein fertig zu
werden. Sie rückten an den nächsten Ort
an, drangen mit Geschrey in ein Haus und

verlan-

porſchwellen: nimm, iß! und wenn du dann
zu der wichtigen Unternehmung dich nicht
hingeriſſen fuͤhlſt, ſo biſt du nicht werth,
daß du aus der Bruſt deiner Mutter einen
Tropfen Blut empfiengſt. —

Der gluͤhende Belphegor nahm den ange-
botnen Opium und verſchluckte eine große
Menge, die in kurzer Zeit eine fluͤchtige An-
ſpannung aller ſeiner Gefaͤße veranlaßte,
daß ſeine Imagination aufbrauſte; und in
dieſem Taumel gab er Akanten die Hand,
ſchwur ihr einen theuern Eyd, und nichts
war gewiſſer, als daß ſie beide, wie irrende
Ritter, zu der Erloͤſung des weiblichen Ge-
ſchlechts auswandern wollten. Da ſie in
einem Lande waren, das ihnen Gelegenheit
genug anbieten konnte, ihre ritterliche Tapfer-
keit zu uͤben, ſo ſollte das Kriegstheater zuerſt
dort eroͤffnet werden. Sie fiengen den Zug
an, und ihre vier Arme duͤnkten ihnen in
ihrer ſtolzen Berauſchung ſo ſtark als hundert-
tauſend zu ſeyn, weswegen ſie nicht die min-
deſte Bedenklichkeit hatten, ohne Huͤlfstrup-
pen mit dem ganzen Oriente allein fertig zu
werden. Sie ruͤckten an den naͤchſten Ort
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[156/0162] porſchwellen: nimm, iß! und wenn du dann zu der wichtigen Unternehmung dich nicht hingeriſſen fuͤhlſt, ſo biſt du nicht werth, daß du aus der Bruſt deiner Mutter einen Tropfen Blut empfiengſt. — Der gluͤhende Belphegor nahm den ange- botnen Opium und verſchluckte eine große Menge, die in kurzer Zeit eine fluͤchtige An- ſpannung aller ſeiner Gefaͤße veranlaßte, daß ſeine Imagination aufbrauſte; und in dieſem Taumel gab er Akanten die Hand, ſchwur ihr einen theuern Eyd, und nichts war gewiſſer, als daß ſie beide, wie irrende Ritter, zu der Erloͤſung des weiblichen Ge- ſchlechts auswandern wollten. Da ſie in einem Lande waren, das ihnen Gelegenheit genug anbieten konnte, ihre ritterliche Tapfer- keit zu uͤben, ſo ſollte das Kriegstheater zuerſt dort eroͤffnet werden. Sie fiengen den Zug an, und ihre vier Arme duͤnkten ihnen in ihrer ſtolzen Berauſchung ſo ſtark als hundert- tauſend zu ſeyn, weswegen ſie nicht die min- deſte Bedenklichkeit hatten, ohne Huͤlfstrup- pen mit dem ganzen Oriente allein fertig zu werden. Sie ruͤckten an den naͤchſten Ort an, drangen mit Geſchrey in ein Haus und verlan-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/162>, abgerufen am 04.05.2024.