Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Schuldigkeit zurückzubringen. Diese Tren-
nung verursachte bald allgemeine Unordnung
und Verwirrung: dieser fürchtete sich, jener
zürnte, dieser tobte, jener stand vor Zer-
streuung unthätig: ein jeder wurde durch
eine Leidenschaft von der Gegenwehr abgeru-
fen, die Feinde drangen ein, trieben sie fort
umringten den verlaßnen Fali und brachten
ihn vor seinen Herrn, der ihn gern mit dem
Blicke vor Wuth getödtet hätte und ihn so-
gleich den gräulichsten Martern übergeben
ließ.

Nunmehr, da der Sturm vorüber war,
hatte er Muße, die Schönheit in Betrach-
tung zu nehmen, die ihn veranlaßt hatte:
ich wurde zu ihm geführt. War es Unmuth
und böse Laune oder entsprach meine Gestalt
seiner überspannten Erwartung nicht! --
ich mißfiel ihm im höchsten Grade, so sehr
daß er mich von zween Evnuchen zum Se-
rail hinauspeitschen ließ und sogleich Befehl
gab, dem Edzar, der die Wollust seines
Herrn so unverantwortlicher Weise zu der
falschesten Erwartung verführt hatte, den
Kopf glatt vom Rumpfe herabzusäbeln. --

Da

Schuldigkeit zuruͤckzubringen. Dieſe Tren-
nung verurſachte bald allgemeine Unordnung
und Verwirrung: dieſer fuͤrchtete ſich, jener
zuͤrnte, dieſer tobte, jener ſtand vor Zer-
ſtreuung unthaͤtig: ein jeder wurde durch
eine Leidenſchaft von der Gegenwehr abgeru-
fen, die Feinde drangen ein, trieben ſie fort
umringten den verlaßnen Fali und brachten
ihn vor ſeinen Herrn, der ihn gern mit dem
Blicke vor Wuth getoͤdtet haͤtte und ihn ſo-
gleich den graͤulichſten Martern uͤbergeben
ließ.

Nunmehr, da der Sturm voruͤber war,
hatte er Muße, die Schoͤnheit in Betrach-
tung zu nehmen, die ihn veranlaßt hatte:
ich wurde zu ihm gefuͤhrt. War es Unmuth
und boͤſe Laune oder entſprach meine Geſtalt
ſeiner uͤberſpannten Erwartung nicht! —
ich mißfiel ihm im hoͤchſten Grade, ſo ſehr
daß er mich von zween Evnuchen zum Se-
rail hinauspeitſchen ließ und ſogleich Befehl
gab, dem Edzar, der die Wolluſt ſeines
Herrn ſo unverantwortlicher Weiſe zu der
falſcheſten Erwartung verfuͤhrt hatte, den
Kopf glatt vom Rumpfe herabzuſaͤbeln. —

Da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="146"/>
Schuldigkeit zuru&#x0364;ckzubringen. Die&#x017F;e Tren-<lb/>
nung verur&#x017F;achte bald allgemeine Unordnung<lb/>
und Verwirrung: die&#x017F;er fu&#x0364;rchtete &#x017F;ich, jener<lb/>
zu&#x0364;rnte, die&#x017F;er tobte, jener &#x017F;tand vor Zer-<lb/>
&#x017F;treuung untha&#x0364;tig: ein jeder wurde durch<lb/>
eine Leiden&#x017F;chaft von der Gegenwehr abgeru-<lb/>
fen, die Feinde drangen ein, trieben &#x017F;ie fort<lb/>
umringten den verlaßnen Fali und brachten<lb/>
ihn vor &#x017F;einen Herrn, der ihn gern mit dem<lb/>
Blicke vor Wuth geto&#x0364;dtet ha&#x0364;tte und ihn &#x017F;o-<lb/>
gleich den gra&#x0364;ulich&#x017F;ten Martern u&#x0364;bergeben<lb/>
ließ.</p><lb/>
        <p>Nunmehr, da der Sturm voru&#x0364;ber war,<lb/>
hatte er Muße, die Scho&#x0364;nheit in Betrach-<lb/>
tung zu nehmen, die ihn veranlaßt hatte:<lb/>
ich wurde zu ihm gefu&#x0364;hrt. War es Unmuth<lb/>
und bo&#x0364;&#x017F;e Laune oder ent&#x017F;prach meine Ge&#x017F;talt<lb/>
&#x017F;einer u&#x0364;ber&#x017F;pannten Erwartung nicht! &#x2014;<lb/>
ich mißfiel ihm im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade, &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/>
daß er mich von zween Evnuchen zum Se-<lb/>
rail hinauspeit&#x017F;chen ließ und &#x017F;ogleich Befehl<lb/>
gab, dem Edzar, der die Wollu&#x017F;t &#x017F;eines<lb/>
Herrn &#x017F;o unverantwortlicher Wei&#x017F;e zu der<lb/>
fal&#x017F;che&#x017F;ten Erwartung verfu&#x0364;hrt hatte, den<lb/>
Kopf glatt vom Rumpfe herabzu&#x017F;a&#x0364;beln. &#x2014;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0152] Schuldigkeit zuruͤckzubringen. Dieſe Tren- nung verurſachte bald allgemeine Unordnung und Verwirrung: dieſer fuͤrchtete ſich, jener zuͤrnte, dieſer tobte, jener ſtand vor Zer- ſtreuung unthaͤtig: ein jeder wurde durch eine Leidenſchaft von der Gegenwehr abgeru- fen, die Feinde drangen ein, trieben ſie fort umringten den verlaßnen Fali und brachten ihn vor ſeinen Herrn, der ihn gern mit dem Blicke vor Wuth getoͤdtet haͤtte und ihn ſo- gleich den graͤulichſten Martern uͤbergeben ließ. Nunmehr, da der Sturm voruͤber war, hatte er Muße, die Schoͤnheit in Betrach- tung zu nehmen, die ihn veranlaßt hatte: ich wurde zu ihm gefuͤhrt. War es Unmuth und boͤſe Laune oder entſprach meine Geſtalt ſeiner uͤberſpannten Erwartung nicht! — ich mißfiel ihm im hoͤchſten Grade, ſo ſehr daß er mich von zween Evnuchen zum Se- rail hinauspeitſchen ließ und ſogleich Befehl gab, dem Edzar, der die Wolluſt ſeines Herrn ſo unverantwortlicher Weiſe zu der falſcheſten Erwartung verfuͤhrt hatte, den Kopf glatt vom Rumpfe herabzuſaͤbeln. — Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/152
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/152>, abgerufen am 04.05.2024.