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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Wonne so sehr nieder, als daß er sich nicht
des Flusses von seiner Quelle an bemeistern
konnte und so viele Körner vor ihm schon
fremde Hände bereicherten. Dieser widrige
Gedanke brachte ihn eines Tages auf den
tollen Anschlag, den Fluß von der Quelle
weg mit einem ungeheuren Umschweife durch
eine Sandwüste in sein Gebiet zu leiten,
ohne daß er ein fremdes berühren sollte:
doch sehr bald, obgleich mit dem bittersten
Widerwillen, verließ er diese ausschweifende
Idee und begnügte sich, von der Nothwen-
digkeit gezwungen, mit dem Antheile, den
er seinen Nachbarn abschnitt, die den Fluß
von ihm empfiengen.

Demungeachtet bemerkte er zu seinem Leid-
wesen, daß für die Lebensmittel, die sein
Land nicht hinlänglich lieferte und die Ein-
wohner doch für unentbehrlich zu ihrem Da-
seyn hielten, ein mittelmäßiger Theil von
seinem Golde wieder zu den Nachbarn über-
gieng, die ihnen mit den fehlenden Bedürf-
nissen aushalfen: er verbot diesen Handel:
die Einwohner beschwerten sich über Man-
gel, und er gab den Befehl, daß künftig,
um keines fremden Zuschusses zu bedürfen,

jeder
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Wonne ſo ſehr nieder, als daß er ſich nicht
des Fluſſes von ſeiner Quelle an bemeiſtern
konnte und ſo viele Koͤrner vor ihm ſchon
fremde Haͤnde bereicherten. Dieſer widrige
Gedanke brachte ihn eines Tages auf den
tollen Anſchlag, den Fluß von der Quelle
weg mit einem ungeheuren Umſchweife durch
eine Sandwuͤſte in ſein Gebiet zu leiten,
ohne daß er ein fremdes beruͤhren ſollte:
doch ſehr bald, obgleich mit dem bitterſten
Widerwillen, verließ er dieſe ausſchweifende
Idee und begnuͤgte ſich, von der Nothwen-
digkeit gezwungen, mit dem Antheile, den
er ſeinen Nachbarn abſchnitt, die den Fluß
von ihm empfiengen.

Demungeachtet bemerkte er zu ſeinem Leid-
weſen, daß fuͤr die Lebensmittel, die ſein
Land nicht hinlaͤnglich lieferte und die Ein-
wohner doch fuͤr unentbehrlich zu ihrem Da-
ſeyn hielten, ein mittelmaͤßiger Theil von
ſeinem Golde wieder zu den Nachbarn uͤber-
gieng, die ihnen mit den fehlenden Beduͤrf-
niſſen aushalfen: er verbot dieſen Handel:
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gel, und er gab den Befehl, daß kuͤnftig,
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[7/0013] Wonne ſo ſehr nieder, als daß er ſich nicht des Fluſſes von ſeiner Quelle an bemeiſtern konnte und ſo viele Koͤrner vor ihm ſchon fremde Haͤnde bereicherten. Dieſer widrige Gedanke brachte ihn eines Tages auf den tollen Anſchlag, den Fluß von der Quelle weg mit einem ungeheuren Umſchweife durch eine Sandwuͤſte in ſein Gebiet zu leiten, ohne daß er ein fremdes beruͤhren ſollte: doch ſehr bald, obgleich mit dem bitterſten Widerwillen, verließ er dieſe ausſchweifende Idee und begnuͤgte ſich, von der Nothwen- digkeit gezwungen, mit dem Antheile, den er ſeinen Nachbarn abſchnitt, die den Fluß von ihm empfiengen. Demungeachtet bemerkte er zu ſeinem Leid- weſen, daß fuͤr die Lebensmittel, die ſein Land nicht hinlaͤnglich lieferte und die Ein- wohner doch fuͤr unentbehrlich zu ihrem Da- ſeyn hielten, ein mittelmaͤßiger Theil von ſeinem Golde wieder zu den Nachbarn uͤber- gieng, die ihnen mit den fehlenden Beduͤrf- niſſen aushalfen: er verbot dieſen Handel: die Einwohner beſchwerten ſich uͤber Man- gel, und er gab den Befehl, daß kuͤnftig, um keines fremden Zuſchuſſes zu beduͤrfen, jeder A 4

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/13>, abgerufen am 22.11.2024.