zum Würgen und Morden Anlaß gegeben hatten: weil er beständig wider sie zürnte, so wollte er schon vor vielen Jahren in einer unwilligen Laune, sie insgesammt der öffent- lichen Verachtung aussetzen, doch glückli- cher Weise hatte er die Idee aufgehoben, um izt sein Brod damit zu verdienen.
Die Komposition des Gemäldes war er- funden, und man schritt zur Ausführung; aber zur größten Bestürzung wurde man ge- wahr, daß man zum Malen Leinwand und Farbe brauche und doch kein Geld bey der Hand habe, um diese Materialien anzukau- fen. Belphegors Gefährte wußte Rath zu schaffen: er schlich des Abends in ein klei- nes Dorf, kam zurück und überbrachte sei- nem Gefährten, so viel er für nöthig erach- tete, was er aller Wahrscheinlichkeit gemäß gestohlen haben mußte: es wurden Farben aus Wurzeln gepreßt, aus Erden zuberei- tet, die Leinwand aufgespannt, das Palet ergriffen und das Ganze meisterlich ausge- führt. Belphegor konnte etwas zeichnen und sein Gefährte hatte es ehemals gekonnt: dieser wenigen Talente ungeachtet, brachten sie doch ein Werk zu Stande, dem man we-
nigstens
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zum Wuͤrgen und Morden Anlaß gegeben hatten: weil er beſtaͤndig wider ſie zuͤrnte, ſo wollte er ſchon vor vielen Jahren in einer unwilligen Laune, ſie insgeſammt der oͤffent- lichen Verachtung ausſetzen, doch gluͤckli- cher Weiſe hatte er die Idee aufgehoben, um izt ſein Brod damit zu verdienen.
Die Kompoſition des Gemaͤldes war er- funden, und man ſchritt zur Ausfuͤhrung; aber zur groͤßten Beſtuͤrzung wurde man ge- wahr, daß man zum Malen Leinwand und Farbe brauche und doch kein Geld bey der Hand habe, um dieſe Materialien anzukau- fen. Belphegors Gefaͤhrte wußte Rath zu ſchaffen: er ſchlich des Abends in ein klei- nes Dorf, kam zuruͤck und uͤberbrachte ſei- nem Gefaͤhrten, ſo viel er fuͤr noͤthig erach- tete, was er aller Wahrſcheinlichkeit gemaͤß geſtohlen haben mußte: es wurden Farben aus Wurzeln gepreßt, aus Erden zuberei- tet, die Leinwand aufgeſpannt, das Palet ergriffen und das Ganze meiſterlich ausge- fuͤhrt. Belphegor konnte etwas zeichnen und ſein Gefaͤhrte hatte es ehemals gekonnt: dieſer wenigen Talente ungeachtet, brachten ſie doch ein Werk zu Stande, dem man we-
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zum Wuͤrgen und Morden Anlaß gegeben
hatten: weil er beſtaͤndig wider ſie zuͤrnte,
ſo wollte er ſchon vor vielen Jahren in einer
unwilligen Laune, ſie insgeſammt der oͤffent-
lichen Verachtung ausſetzen, doch gluͤckli-
cher Weiſe hatte er die Idee aufgehoben, um
izt ſein Brod damit zu verdienen.
Die Kompoſition des Gemaͤldes war er-
funden, und man ſchritt zur Ausfuͤhrung;
aber zur groͤßten Beſtuͤrzung wurde man ge-
wahr, daß man zum Malen Leinwand und
Farbe brauche und doch kein Geld bey der
Hand habe, um dieſe Materialien anzukau-
fen. Belphegors Gefaͤhrte wußte Rath zu
ſchaffen: er ſchlich des Abends in ein klei-
nes Dorf, kam zuruͤck und uͤberbrachte ſei-
nem Gefaͤhrten, ſo viel er fuͤr noͤthig erach-
tete, was er aller Wahrſcheinlichkeit gemaͤß
geſtohlen haben mußte: es wurden Farben
aus Wurzeln gepreßt, aus Erden zuberei-
tet, die Leinwand aufgeſpannt, das Palet
ergriffen und das Ganze meiſterlich ausge-
fuͤhrt. Belphegor konnte etwas zeichnen
und ſein Gefaͤhrte hatte es ehemals gekonnt:
dieſer wenigen Talente ungeachtet, brachten
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/123>, abgerufen am 22.12.2024.
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