Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

versprach ihr als ein ehrlicher Mann, sie
von Herzen zu hassen, und wenn es seyn
könnte, gar zu vergessen.

Des Morgens darauf wanderte Medar-
dus mit Belphegorn aus, um ihre Reise bis
an den Ort zusammen zu thun, wo jener sein
neues Amt antreten sollte. Belphegor gieng
mit schwerem Herzen und traurigen Ahndun-
gen wieder in die offne Welt aus, und würde
vermuthlich noch tausendmal unmuthiger die-
se Ausflucht unternommen haben, wenn er
nicht einen so wohlmeinenden gutherzigen
Freund an seinem Begleiter gehabt hätte.
Medardus nahm von der Wohnung und dem
Orte, wo er sein Liebstes zurückließ, mit den
weichmüthigsten Thränen Abschied, und ehe
er noch ausgeweint hatte, kehrte er sich um,
faßte seinen Reisegefährten bey der Hand und
sagte mit lebhafter Frölichkeit zu ihm, als er
seine verstörte Mine erblickte: Brüderchen, sey
gutes Muthes! Die Vorsicht ist überall. --

Aber auch die Welt! unterbrach ihn Bel-
phegor. O Fromal! daß du Recht hattest,
als du mich lehrtest, überall sey Krieg. Jch,
Elender, trage die traurigsten Beweise, daß

E 4

verſprach ihr als ein ehrlicher Mann, ſie
von Herzen zu haſſen, und wenn es ſeyn
koͤnnte, gar zu vergeſſen.

Des Morgens darauf wanderte Medar-
dus mit Belphegorn aus, um ihre Reiſe bis
an den Ort zuſammen zu thun, wo jener ſein
neues Amt antreten ſollte. Belphegor gieng
mit ſchwerem Herzen und traurigen Ahndun-
gen wieder in die offne Welt aus, und wuͤrde
vermuthlich noch tauſendmal unmuthiger die-
ſe Ausflucht unternommen haben, wenn er
nicht einen ſo wohlmeinenden gutherzigen
Freund an ſeinem Begleiter gehabt haͤtte.
Medardus nahm von der Wohnung und dem
Orte, wo er ſein Liebſtes zuruͤckließ, mit den
weichmuͤthigſten Thraͤnen Abſchied, und ehe
er noch ausgeweint hatte, kehrte er ſich um,
faßte ſeinen Reiſegefaͤhrten bey der Hand und
ſagte mit lebhafter Froͤlichkeit zu ihm, als er
ſeine verſtoͤrte Mine erblickte: Bruͤderchen, ſey
gutes Muthes! Die Vorſicht iſt uͤberall. —

Aber auch die Welt! unterbrach ihn Bel-
phegor. O Fromal! daß du Recht hatteſt,
als du mich lehrteſt, uͤberall ſey Krieg. Jch,
Elender, trage die traurigſten Beweiſe, daß

E 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0091" n="71"/>
ver&#x017F;prach ihr als ein ehrlicher Mann, &#x017F;ie<lb/>
von Herzen zu ha&#x017F;&#x017F;en, und wenn es &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nnte, gar zu verge&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Des Morgens darauf wanderte Medar-<lb/>
dus mit Belphegorn aus, um ihre Rei&#x017F;e bis<lb/>
an den Ort zu&#x017F;ammen zu thun, wo jener &#x017F;ein<lb/>
neues Amt antreten &#x017F;ollte. Belphegor gieng<lb/>
mit &#x017F;chwerem Herzen und traurigen Ahndun-<lb/>
gen wieder in die offne Welt aus, und wu&#x0364;rde<lb/>
vermuthlich noch tau&#x017F;endmal unmuthiger die-<lb/>
&#x017F;e Ausflucht unternommen haben, wenn er<lb/>
nicht einen &#x017F;o wohlmeinenden gutherzigen<lb/>
Freund an &#x017F;einem Begleiter gehabt ha&#x0364;tte.<lb/>
Medardus nahm von der Wohnung und dem<lb/>
Orte, wo er &#x017F;ein Lieb&#x017F;tes zuru&#x0364;ckließ, mit den<lb/>
weichmu&#x0364;thig&#x017F;ten Thra&#x0364;nen Ab&#x017F;chied, und ehe<lb/>
er noch ausgeweint hatte, kehrte er &#x017F;ich um,<lb/>
faßte &#x017F;einen Rei&#x017F;egefa&#x0364;hrten bey der Hand und<lb/>
&#x017F;agte mit lebhafter Fro&#x0364;lichkeit zu ihm, als er<lb/>
&#x017F;eine ver&#x017F;to&#x0364;rte Mine erblickte: Bru&#x0364;derchen, &#x017F;ey<lb/>
gutes Muthes! Die Vor&#x017F;icht i&#x017F;t u&#x0364;berall. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Aber auch die Welt! unterbrach ihn Bel-<lb/>
phegor. O Fromal! daß du Recht hatte&#x017F;t,<lb/>
als du mich lehrte&#x017F;t, u&#x0364;berall &#x017F;ey Krieg. Jch,<lb/>
Elender, trage die traurig&#x017F;ten Bewei&#x017F;e, daß<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 4</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0091] verſprach ihr als ein ehrlicher Mann, ſie von Herzen zu haſſen, und wenn es ſeyn koͤnnte, gar zu vergeſſen. Des Morgens darauf wanderte Medar- dus mit Belphegorn aus, um ihre Reiſe bis an den Ort zuſammen zu thun, wo jener ſein neues Amt antreten ſollte. Belphegor gieng mit ſchwerem Herzen und traurigen Ahndun- gen wieder in die offne Welt aus, und wuͤrde vermuthlich noch tauſendmal unmuthiger die- ſe Ausflucht unternommen haben, wenn er nicht einen ſo wohlmeinenden gutherzigen Freund an ſeinem Begleiter gehabt haͤtte. Medardus nahm von der Wohnung und dem Orte, wo er ſein Liebſtes zuruͤckließ, mit den weichmuͤthigſten Thraͤnen Abſchied, und ehe er noch ausgeweint hatte, kehrte er ſich um, faßte ſeinen Reiſegefaͤhrten bey der Hand und ſagte mit lebhafter Froͤlichkeit zu ihm, als er ſeine verſtoͤrte Mine erblickte: Bruͤderchen, ſey gutes Muthes! Die Vorſicht iſt uͤberall. — Aber auch die Welt! unterbrach ihn Bel- phegor. O Fromal! daß du Recht hatteſt, als du mich lehrteſt, uͤberall ſey Krieg. Jch, Elender, trage die traurigſten Beweiſe, daß E 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/91
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/91>, abgerufen am 27.11.2024.