Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

ihr übergehn und selbst mit ihr fechten: er
machte es ihnen sogar wahrscheinlich, daß ich
über einem solchen Anschlage brütete. Jn
kurzem kam es dahin, daß jedermann meine
Predigten so ungern hörte, als die seinigen;
er genoß wegen seiner Entdeckung ein wenig
Achtung mehr als ich; und wir waren wieder
herzensgute Freunde. -- Siehst du, Brü-
derchen? wird dir die Zeit etwa lang? --
Siehst du? wer zu mir kömmt, muß einen
Krug Apfelwein mit mir trinken und meine
Geschichte hören; sonst laß ich ihn nicht
von mir. -- Da! Freund Fromal soll leben! --

Die großen Herren machten Friede, und
bey mir gieng der Krieg an. Jch sollte zu
einer ansehnlichen Stelle erhoben werden,
und meine Patrone machten alle Anstalt da-
zu. Gleich war ich wieder ein Jrrgläubiger;
alles an mir, bis auf die Schuhschnallen,
war heterodox. Jch mußte mich lange her-
umtummeln und richtete doch nichts aus.
Jch behielt Unrecht: denn ich lag unter.
Siehst du, Brüderchen? Jch mußte vorlieb
nehmen, was sie mir gaben: die mich vor-
her, als ich über sie wollte, haßten und ver-
folgten, thaten mir izt Gutes -- was ich

E 2

ihr uͤbergehn und ſelbſt mit ihr fechten: er
machte es ihnen ſogar wahrſcheinlich, daß ich
uͤber einem ſolchen Anſchlage bruͤtete. Jn
kurzem kam es dahin, daß jedermann meine
Predigten ſo ungern hoͤrte, als die ſeinigen;
er genoß wegen ſeiner Entdeckung ein wenig
Achtung mehr als ich; und wir waren wieder
herzensgute Freunde. — Siehſt du, Bruͤ-
derchen? wird dir die Zeit etwa lang? —
Siehſt du? wer zu mir koͤmmt, muß einen
Krug Apfelwein mit mir trinken und meine
Geſchichte hoͤren; ſonſt laß ich ihn nicht
von mir. — Da! Freund Fromal ſoll leben! —

Die großen Herren machten Friede, und
bey mir gieng der Krieg an. Jch ſollte zu
einer anſehnlichen Stelle erhoben werden,
und meine Patrone machten alle Anſtalt da-
zu. Gleich war ich wieder ein Jrrglaͤubiger;
alles an mir, bis auf die Schuhſchnallen,
war heterodox. Jch mußte mich lange her-
umtummeln und richtete doch nichts aus.
Jch behielt Unrecht: denn ich lag unter.
Siehſt du, Bruͤderchen? Jch mußte vorlieb
nehmen, was ſie mir gaben: die mich vor-
her, als ich uͤber ſie wollte, haßten und ver-
folgten, thaten mir izt Gutes — was ich

E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0087" n="67"/>
ihr u&#x0364;bergehn und &#x017F;elb&#x017F;t mit ihr fechten: er<lb/>
machte es ihnen &#x017F;ogar wahr&#x017F;cheinlich, daß ich<lb/>
u&#x0364;ber einem &#x017F;olchen An&#x017F;chlage bru&#x0364;tete. Jn<lb/>
kurzem kam es dahin, daß jedermann meine<lb/>
Predigten &#x017F;o ungern ho&#x0364;rte, als die &#x017F;einigen;<lb/>
er genoß wegen &#x017F;einer Entdeckung ein wenig<lb/>
Achtung mehr als ich; und wir waren wieder<lb/>
herzensgute Freunde. &#x2014; Sieh&#x017F;t du, Bru&#x0364;-<lb/>
derchen? wird dir die Zeit etwa lang? &#x2014;<lb/>
Sieh&#x017F;t du? wer zu mir ko&#x0364;mmt, muß einen<lb/>
Krug Apfelwein mit mir trinken und meine<lb/>
Ge&#x017F;chichte ho&#x0364;ren; &#x017F;on&#x017F;t laß ich ihn nicht<lb/>
von mir. &#x2014; Da! Freund Fromal &#x017F;oll leben! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Die großen Herren machten Friede, und<lb/>
bey mir gieng der Krieg an. Jch &#x017F;ollte zu<lb/>
einer an&#x017F;ehnlichen Stelle erhoben werden,<lb/>
und meine Patrone machten alle An&#x017F;talt da-<lb/>
zu. Gleich war ich wieder ein Jrrgla&#x0364;ubiger;<lb/>
alles an mir, bis auf die Schuh&#x017F;chnallen,<lb/>
war heterodox. Jch mußte mich lange her-<lb/>
umtummeln und richtete doch nichts aus.<lb/>
Jch behielt Unrecht: denn ich lag unter.<lb/>
Sieh&#x017F;t du, Bru&#x0364;derchen? Jch mußte vorlieb<lb/>
nehmen, was &#x017F;ie mir gaben: die mich vor-<lb/>
her, als ich <hi rendition="#fr">u&#x0364;ber</hi> &#x017F;ie wollte, haßten und ver-<lb/>
folgten, thaten mir izt Gutes &#x2014; was ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0087] ihr uͤbergehn und ſelbſt mit ihr fechten: er machte es ihnen ſogar wahrſcheinlich, daß ich uͤber einem ſolchen Anſchlage bruͤtete. Jn kurzem kam es dahin, daß jedermann meine Predigten ſo ungern hoͤrte, als die ſeinigen; er genoß wegen ſeiner Entdeckung ein wenig Achtung mehr als ich; und wir waren wieder herzensgute Freunde. — Siehſt du, Bruͤ- derchen? wird dir die Zeit etwa lang? — Siehſt du? wer zu mir koͤmmt, muß einen Krug Apfelwein mit mir trinken und meine Geſchichte hoͤren; ſonſt laß ich ihn nicht von mir. — Da! Freund Fromal ſoll leben! — Die großen Herren machten Friede, und bey mir gieng der Krieg an. Jch ſollte zu einer anſehnlichen Stelle erhoben werden, und meine Patrone machten alle Anſtalt da- zu. Gleich war ich wieder ein Jrrglaͤubiger; alles an mir, bis auf die Schuhſchnallen, war heterodox. Jch mußte mich lange her- umtummeln und richtete doch nichts aus. Jch behielt Unrecht: denn ich lag unter. Siehſt du, Bruͤderchen? Jch mußte vorlieb nehmen, was ſie mir gaben: die mich vor- her, als ich uͤber ſie wollte, haßten und ver- folgten, thaten mir izt Gutes — was ich E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/87
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/87>, abgerufen am 24.11.2024.