nehmen, sich nie von ihm zu trennen. Er wusch seine Wunden, verband ihn, so gut er konnte, und trug ihn auf seinen Schultern in ein Dorf, wo sie auf vieles Bitten in einer Scheune beherbergt wurden.
Eine Regel hatte sich Belphegor aus sei- nen bisherigen Unglücksfällen abgezogen, daß er in die Flamme seines guten empfindungs- vollen Herzens eine gute Dosis kühle Vor- sicht gießen müsse: er nahm sich auch in völ- ligem Ernsie vor, Neid und Unterdrückung ins künftige als bloßer Zuschauer zu betrach- ten, eher an dem Feuer des Unwillens zu er- sticken, als es hervorbrechen zu lassen, und wenigstens die innerlichen Theile des Leibes unbeschädigt zu erhalten, da kein äußerliches Glied an ihm war, das nicht Denkmale sei- nes Eifers für die Gerechtigkeit, blaue Fle- cken, Narben oder Beulen bezeichneten.
Der Mitleidige, der ihm einen Plaz bey sich verstattet und auch zuweilen eine Wohl- that mitgetheilt hatte, bot ihm izt, da er wieder geheilt war, wie auch seinem Gefähr- ten eine Stelle unter seinen Arbeitern an: keiner von beiden schlug das Anerbieten aus,
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nehmen, ſich nie von ihm zu trennen. Er wuſch ſeine Wunden, verband ihn, ſo gut er konnte, und trug ihn auf ſeinen Schultern in ein Dorf, wo ſie auf vieles Bitten in einer Scheune beherbergt wurden.
Eine Regel hatte ſich Belphegor aus ſei- nen bisherigen Ungluͤcksfaͤllen abgezogen, daß er in die Flamme ſeines guten empfindungs- vollen Herzens eine gute Doſis kuͤhle Vor- ſicht gießen muͤſſe: er nahm ſich auch in voͤl- ligem Ernſie vor, Neid und Unterdruͤckung ins kuͤnftige als bloßer Zuſchauer zu betrach- ten, eher an dem Feuer des Unwillens zu er- ſticken, als es hervorbrechen zu laſſen, und wenigſtens die innerlichen Theile des Leibes unbeſchaͤdigt zu erhalten, da kein aͤußerliches Glied an ihm war, das nicht Denkmale ſei- nes Eifers fuͤr die Gerechtigkeit, blaue Fle- cken, Narben oder Beulen bezeichneten.
Der Mitleidige, der ihm einen Plaz bey ſich verſtattet und auch zuweilen eine Wohl- that mitgetheilt hatte, bot ihm izt, da er wieder geheilt war, wie auch ſeinem Gefaͤhr- ten eine Stelle unter ſeinen Arbeitern an: keiner von beiden ſchlug das Anerbieten aus,
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nehmen, ſich nie von ihm zu trennen. Er
wuſch ſeine Wunden, verband ihn, ſo gut er
konnte, und trug ihn auf ſeinen Schultern in
ein Dorf, wo ſie auf vieles Bitten in einer
Scheune beherbergt wurden.
Eine Regel hatte ſich Belphegor aus ſei-
nen bisherigen Ungluͤcksfaͤllen abgezogen, daß
er in die Flamme ſeines guten empfindungs-
vollen Herzens eine gute Doſis kuͤhle Vor-
ſicht gießen muͤſſe: er nahm ſich auch in voͤl-
ligem Ernſie vor, Neid und Unterdruͤckung
ins kuͤnftige als bloßer Zuſchauer zu betrach-
ten, eher an dem Feuer des Unwillens zu er-
ſticken, als es hervorbrechen zu laſſen, und
wenigſtens die innerlichen Theile des Leibes
unbeſchaͤdigt zu erhalten, da kein aͤußerliches
Glied an ihm war, das nicht Denkmale ſei-
nes Eifers fuͤr die Gerechtigkeit, blaue Fle-
cken, Narben oder Beulen bezeichneten.
Der Mitleidige, der ihm einen Plaz bey
ſich verſtattet und auch zuweilen eine Wohl-
that mitgetheilt hatte, bot ihm izt, da er
wieder geheilt war, wie auch ſeinem Gefaͤhr-
ten eine Stelle unter ſeinen Arbeitern an:
keiner von beiden ſchlug das Anerbieten aus,
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/53>, abgerufen am 22.11.2024.
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