"Weil ich so oft von moralischer Schön- "heit, von Empfindung, von Liebe in einer "Begeisterung mit dir sprach, in welcher da- "mals meine Fantasie taumelte, und deine "noch herumschwärmt! Jch weis nunmehr, "was eine jede von jenen Raritäten in dieser "Welt werth ist; der Firniß ist von meiner "Fantasie weggewischt: laß dir Deine auch "ausputzen! Du hast alsdann zwar weniger "einsame Freuden, aber auch weniger Leiden "unter Menschen; und wenn du ja ein- "mal wider einen recht herzangreifenden Puff "des Schicksals eine Stärkung brauchst, so "wird eine Fantasie, wie die Deinige, noch "immer brennbar genug seyn, um sie auf ein "Paar Stunden zu erhitzen.
Du, sonst der edle, der empfindende, der be- geisterte Verehrer der Tugend! -- Doch die Welt --
"-- hat mich aus meiner Begeisterung "gerissen; du wolltest sagen -- verdor- "ben! -- wie man es nimmt! was wir "sonst einander vorschwatzten, war der "Rausch einer warmen Jmagination und "eines warmen Herzens: izt bin ich nüch-
„Weil ich ſo oft von moraliſcher Schoͤn- „heit, von Empfindung, von Liebe in einer „Begeiſterung mit dir ſprach, in welcher da- „mals meine Fantaſie taumelte, und deine „noch herumſchwaͤrmt! Jch weis nunmehr, „was eine jede von jenen Raritaͤten in dieſer „Welt werth iſt; der Firniß iſt von meiner „Fantaſie weggewiſcht: laß dir Deine auch „ausputzen! Du haſt alsdann zwar weniger „einſame Freuden, aber auch weniger Leiden „unter Menſchen; und wenn du ja ein- „mal wider einen recht herzangreifenden Puff „des Schickſals eine Staͤrkung brauchſt, ſo „wird eine Fantaſie, wie die Deinige, noch „immer brennbar genug ſeyn, um ſie auf ein „Paar Stunden zu erhitzen.
Du, ſonſt der edle, der empfindende, der be- geiſterte Verehrer der Tugend! — Doch die Welt —
„— hat mich aus meiner Begeiſterung „geriſſen; du wollteſt ſagen — verdor- „ben! — wie man es nimmt! was wir „ſonſt einander vorſchwatzten, war der „Rauſch einer warmen Jmagination und „eines warmen Herzens: izt bin ich nuͤch-
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„Weil ich ſo oft von moraliſcher Schoͤn-
„heit, von Empfindung, von Liebe in einer
„Begeiſterung mit dir ſprach, in welcher da-
„mals meine Fantaſie taumelte, und deine
„noch herumſchwaͤrmt! Jch weis nunmehr,
„was eine jede von jenen Raritaͤten in dieſer
„Welt werth iſt; der Firniß iſt von meiner
„Fantaſie weggewiſcht: laß dir Deine auch
„ausputzen! Du haſt alsdann zwar weniger
„einſame Freuden, aber auch weniger Leiden
„unter Menſchen; und wenn du ja ein-
„mal wider einen recht herzangreifenden Puff
„des Schickſals eine Staͤrkung brauchſt, ſo
„wird eine Fantaſie, wie die Deinige, noch
„immer brennbar genug ſeyn, um ſie auf ein
„Paar Stunden zu erhitzen.
Du, ſonſt der edle, der empfindende, der be-
geiſterte Verehrer der Tugend! — Doch die
Welt —
„— hat mich aus meiner Begeiſterung
„geriſſen; du wollteſt ſagen — verdor-
„ben! — wie man es nimmt! was wir
„ſonſt einander vorſchwatzten, war der
„Rauſch einer warmen Jmagination und
„eines warmen Herzens: izt bin ich nuͤch-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/34>, abgerufen am 19.04.2024.
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