sie insgesamt stockblind; kein einziges Auge wollte nach der Verpflanzung bekleiben. Ein kleiner Haufe begnügte sich mit der ersten Thorheit und ertrug seine vermeinte Schande in Gelassenheit. War gleich der geringere Theil der Einwohner beruhigt, so brach nun- mehr der Krieg am Hofe aus. Dem großen Neguz hatte die Natur gar kein linkes Auge mitgegeben: die beiden Augenlieder schlossen sich fest zusammen, oder waren vielmehr zu- sammengewachsen und in den leeren Plaz des Auges hineingedrückt. Einige von seinen Hofleuten waren so glücklich gewesen, ver- mittelst eines feinen Leims die Augenlieder ebenfalls zu vereinigen und durch ein andres Hülfsmittel ihnen natürlich die nämliche Ge- stalt zu geben, als wenn es Werke der Na- tur nach Einem Modelle wären. Allen, die von ihnen hierinne zurückgelassen wurden, dienten sie zu einem Gegenstande des Neides und des Hasses: die Unglücklichen waren überzeugt, daß sie niemals mit ihnen zu glei- chem Vorzug gelangen konnten, und erreg- ten die häßlichsten Meutereyen, sie ihrer Zier- de zu berauben. Jene Auserwählten durften
ſie insgeſamt ſtockblind; kein einziges Auge wollte nach der Verpflanzung bekleiben. Ein kleiner Haufe begnuͤgte ſich mit der erſten Thorheit und ertrug ſeine vermeinte Schande in Gelaſſenheit. War gleich der geringere Theil der Einwohner beruhigt, ſo brach nun- mehr der Krieg am Hofe aus. Dem großen Neguz hatte die Natur gar kein linkes Auge mitgegeben: die beiden Augenlieder ſchloſſen ſich feſt zuſammen, oder waren vielmehr zu- ſammengewachſen und in den leeren Plaz des Auges hineingedruͤckt. Einige von ſeinen Hofleuten waren ſo gluͤcklich geweſen, ver- mittelſt eines feinen Leims die Augenlieder ebenfalls zu vereinigen und durch ein andres Huͤlfsmittel ihnen natuͤrlich die naͤmliche Ge- ſtalt zu geben, als wenn es Werke der Na- tur nach Einem Modelle waͤren. Allen, die von ihnen hierinne zuruͤckgelaſſen wurden, dienten ſie zu einem Gegenſtande des Neides und des Haſſes: die Ungluͤcklichen waren uͤberzeugt, daß ſie niemals mit ihnen zu glei- chem Vorzug gelangen konnten, und erreg- ten die haͤßlichſten Meutereyen, ſie ihrer Zier- de zu berauben. Jene Auserwaͤhlten durften
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ſie insgeſamt ſtockblind; kein einziges Auge
wollte nach der Verpflanzung bekleiben. Ein
kleiner Haufe begnuͤgte ſich mit der erſten
Thorheit und ertrug ſeine vermeinte Schande
in Gelaſſenheit. War gleich der geringere
Theil der Einwohner beruhigt, ſo brach nun-
mehr der Krieg am Hofe aus. Dem großen
Neguz hatte die Natur gar kein linkes Auge
mitgegeben: die beiden Augenlieder ſchloſſen
ſich feſt zuſammen, oder waren vielmehr zu-
ſammengewachſen und in den leeren Plaz des
Auges hineingedruͤckt. Einige von ſeinen
Hofleuten waren ſo gluͤcklich geweſen, ver-
mittelſt eines feinen Leims die Augenlieder
ebenfalls zu vereinigen und durch ein andres
Huͤlfsmittel ihnen natuͤrlich die naͤmliche Ge-
ſtalt zu geben, als wenn es Werke der Na-
tur nach Einem Modelle waͤren. Allen, die
von ihnen hierinne zuruͤckgelaſſen wurden,
dienten ſie zu einem Gegenſtande des Neides
und des Haſſes: die Ungluͤcklichen waren
uͤberzeugt, daß ſie niemals mit ihnen zu glei-
chem Vorzug gelangen konnten, und erreg-
ten die haͤßlichſten Meutereyen, ſie ihrer Zier-
de zu berauben. Jene Auserwaͤhlten durften
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/306>, abgerufen am 03.05.2024.
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