von seinem Nebenbuhler umschlungen, am Fenster stehn und mit der ausgelassensten Frölichkeit seiner spotten: wenigstens gab er ihrem Lachen diesen Sinn.
Ja, sie war es, sagte er endlich leise zu sich, sie war es, die Tigerinn! Sie hat mir meine Hüfte zerbrochen; sie hat mich zum Krüpel gemacht. -- Jn diesem Tone fuhr er noch lange Zeit fort und sagte sich mancher- ley von den herzbrechenden Dingen, die mei- ne Leser in jedem Romane oder Trauerspiele nachschlagen können. Mitten in dem Selbst- gespräche näherte sich ihm ein Mann, auf einem Grauschimmel -- zwo Gestalten, die er schon von weitem haßte, weil der Reuter eine so fröliche Mine in seinem Gesichte trug, als wenn die Glücksgöttinn seine leibliche Schwe- ster wäre, und das Pferd in einem so leichten sorglosen Trabe daher tanzte, daß er mit sei- nem Herrn von Einem frohen Muthe belebt zu seyn schien.
Der Reisende redte ihn an, und erhielt lange keine Antwort, bis endlich seine muntre Freundlichkeit Belphegors Herz öffnete, zu dem jede Empfindung leicht und bald den Schlüssel fand. -- Jch merke, Freund, sagte
A 3
von ſeinem Nebenbuhler umſchlungen, am Fenſter ſtehn und mit der ausgelaſſenſten Froͤlichkeit ſeiner ſpotten: wenigſtens gab er ihrem Lachen dieſen Sinn.
Ja, ſie war es, ſagte er endlich leiſe zu ſich, ſie war es, die Tigerinn! Sie hat mir meine Huͤfte zerbrochen; ſie hat mich zum Kruͤpel gemacht. — Jn dieſem Tone fuhr er noch lange Zeit fort und ſagte ſich mancher- ley von den herzbrechenden Dingen, die mei- ne Leſer in jedem Romane oder Trauerſpiele nachſchlagen koͤnnen. Mitten in dem Selbſt- geſpraͤche naͤherte ſich ihm ein Mann, auf einem Grauſchimmel — zwo Geſtalten, die er ſchon von weitem haßte, weil der Reuter eine ſo froͤliche Mine in ſeinem Geſichte trug, als wenn die Gluͤcksgoͤttinn ſeine leibliche Schwe- ſter waͤre, und das Pferd in einem ſo leichten ſorgloſen Trabe daher tanzte, daß er mit ſei- nem Herrn von Einem frohen Muthe belebt zu ſeyn ſchien.
Der Reiſende redte ihn an, und erhielt lange keine Antwort, bis endlich ſeine muntre Freundlichkeit Belphegors Herz oͤffnete, zu dem jede Empfindung leicht und bald den Schluͤſſel fand. — Jch merke, Freund, ſagte
A 3
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0025"n="5"/>
von ſeinem Nebenbuhler umſchlungen, am<lb/>
Fenſter ſtehn und mit der ausgelaſſenſten<lb/>
Froͤlichkeit ſeiner ſpotten: wenigſtens gab <hirendition="#fr">er</hi><lb/>
ihrem Lachen dieſen Sinn.</p><lb/><p>Ja, ſie war es, ſagte er endlich leiſe zu<lb/>ſich, ſie war es, die Tigerinn! Sie hat mir<lb/>
meine Huͤfte zerbrochen; ſie hat mich zum<lb/>
Kruͤpel gemacht. — Jn dieſem Tone fuhr er<lb/>
noch lange Zeit fort und ſagte ſich mancher-<lb/>
ley von den herzbrechenden Dingen, die mei-<lb/>
ne Leſer in jedem Romane oder Trauerſpiele<lb/>
nachſchlagen koͤnnen. Mitten in dem Selbſt-<lb/>
geſpraͤche naͤherte ſich ihm ein Mann, auf einem<lb/>
Grauſchimmel — zwo Geſtalten, die er ſchon<lb/>
von weitem haßte, weil der Reuter eine ſo<lb/>
froͤliche Mine in ſeinem Geſichte trug, als<lb/>
wenn die Gluͤcksgoͤttinn ſeine leibliche Schwe-<lb/>ſter waͤre, und das Pferd in einem ſo leichten<lb/>ſorgloſen Trabe daher tanzte, daß er mit ſei-<lb/>
nem Herrn von Einem frohen Muthe belebt<lb/>
zu ſeyn ſchien.</p><lb/><p>Der Reiſende redte ihn an, und erhielt<lb/>
lange keine Antwort, bis endlich ſeine muntre<lb/>
Freundlichkeit Belphegors Herz oͤffnete, zu<lb/>
dem jede Empfindung leicht und bald den<lb/>
Schluͤſſel fand. — Jch merke, Freund, ſagte<lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 3</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[5/0025]
von ſeinem Nebenbuhler umſchlungen, am
Fenſter ſtehn und mit der ausgelaſſenſten
Froͤlichkeit ſeiner ſpotten: wenigſtens gab er
ihrem Lachen dieſen Sinn.
Ja, ſie war es, ſagte er endlich leiſe zu
ſich, ſie war es, die Tigerinn! Sie hat mir
meine Huͤfte zerbrochen; ſie hat mich zum
Kruͤpel gemacht. — Jn dieſem Tone fuhr er
noch lange Zeit fort und ſagte ſich mancher-
ley von den herzbrechenden Dingen, die mei-
ne Leſer in jedem Romane oder Trauerſpiele
nachſchlagen koͤnnen. Mitten in dem Selbſt-
geſpraͤche naͤherte ſich ihm ein Mann, auf einem
Grauſchimmel — zwo Geſtalten, die er ſchon
von weitem haßte, weil der Reuter eine ſo
froͤliche Mine in ſeinem Geſichte trug, als
wenn die Gluͤcksgoͤttinn ſeine leibliche Schwe-
ſter waͤre, und das Pferd in einem ſo leichten
ſorgloſen Trabe daher tanzte, daß er mit ſei-
nem Herrn von Einem frohen Muthe belebt
zu ſeyn ſchien.
Der Reiſende redte ihn an, und erhielt
lange keine Antwort, bis endlich ſeine muntre
Freundlichkeit Belphegors Herz oͤffnete, zu
dem jede Empfindung leicht und bald den
Schluͤſſel fand. — Jch merke, Freund, ſagte
A 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/25>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.