Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

besänftigte die Verfechter der Freiheit und be-
zahlte niemanden seine Versäumniß, seine
Wunden und sein verschwärmtes Geld: es
blieb wie sonst, und die Freiheit war nichts
besser und nichts gekränkter. --

Wohl einem Volke, sagte Belphegor, das
für die Freiheit fechten kann! Keine Jllusion
ist glücklicher als die Jllusion der Freiheit,
wenn man ihr gleich jährlich etliche hundert
Hirnschädel opfern müßte. Mein Blut
schwillt in allen Adern empor und zersprengt
fast mein Herz vor übereilter zuströmender
Bewegung, wenn ich nur den begeisternden
Klang Freiheit tönen höre. Komm! wir
kehren zurück nach England: das einzige
Land der Erde, wo ich von nun an wohnen
will! Die Sonne muß dort erfreulicher
wärmen, der Schatten viel erfrischender la-
ben, weil er ein freyes Haupt erquickt.
Freunde! wenn mein Leben nur noch in Ei-
nem Tropfen Blutes bestünde, gern wollte
ich mir selbst die Ader zerschneiden und ihn
herauströpfeln lassen, könnte ich durch die-
sen Tod eine Menge Menschen in die Jllusion
versetzen, sich für freyer als den Rest der

beſaͤnftigte die Verfechter der Freiheit und be-
zahlte niemanden ſeine Verſaͤumniß, ſeine
Wunden und ſein verſchwaͤrmtes Geld: es
blieb wie ſonſt, und die Freiheit war nichts
beſſer und nichts gekraͤnkter. —

Wohl einem Volke, ſagte Belphegor, das
fuͤr die Freiheit fechten kann! Keine Jlluſion
iſt gluͤcklicher als die Jlluſion der Freiheit,
wenn man ihr gleich jaͤhrlich etliche hundert
Hirnſchaͤdel opfern muͤßte. Mein Blut
ſchwillt in allen Adern empor und zerſprengt
faſt mein Herz vor uͤbereilter zuſtroͤmender
Bewegung, wenn ich nur den begeiſternden
Klang Freiheit toͤnen hoͤre. Komm! wir
kehren zuruͤck nach England: das einzige
Land der Erde, wo ich von nun an wohnen
will! Die Sonne muß dort erfreulicher
waͤrmen, der Schatten viel erfriſchender la-
ben, weil er ein freyes Haupt erquickt.
Freunde! wenn mein Leben nur noch in Ei-
nem Tropfen Blutes beſtuͤnde, gern wollte
ich mir ſelbſt die Ader zerſchneiden und ihn
heraustroͤpfeln laſſen, koͤnnte ich durch die-
ſen Tod eine Menge Menſchen in die Jlluſion
verſetzen, ſich fuͤr freyer als den Reſt der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0190" n="170"/>
be&#x017F;a&#x0364;nftigte die Verfechter der Freiheit und be-<lb/>
zahlte niemanden &#x017F;eine Ver&#x017F;a&#x0364;umniß, &#x017F;eine<lb/>
Wunden und &#x017F;ein ver&#x017F;chwa&#x0364;rmtes Geld: es<lb/>
blieb wie &#x017F;on&#x017F;t, und die Freiheit war nichts<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er und nichts gekra&#x0364;nkter. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wohl einem Volke, &#x017F;agte Belphegor, das<lb/>
fu&#x0364;r die Freiheit fechten kann! Keine Jllu&#x017F;ion<lb/>
i&#x017F;t glu&#x0364;cklicher als die Jllu&#x017F;ion der Freiheit,<lb/>
wenn man ihr gleich ja&#x0364;hrlich etliche hundert<lb/>
Hirn&#x017F;cha&#x0364;del opfern mu&#x0364;ßte. Mein Blut<lb/>
&#x017F;chwillt in allen Adern empor und zer&#x017F;prengt<lb/>
fa&#x017F;t mein Herz vor u&#x0364;bereilter zu&#x017F;tro&#x0364;mender<lb/>
Bewegung, wenn ich nur den begei&#x017F;ternden<lb/>
Klang <hi rendition="#fr">Freiheit</hi> to&#x0364;nen ho&#x0364;re. Komm! wir<lb/>
kehren zuru&#x0364;ck nach England: das einzige<lb/>
Land der Erde, wo ich von nun an wohnen<lb/>
will! Die Sonne muß dort erfreulicher<lb/>
wa&#x0364;rmen, der Schatten viel erfri&#x017F;chender la-<lb/>
ben, weil er ein <hi rendition="#fr">freyes</hi> Haupt erquickt.<lb/>
Freunde! wenn mein Leben nur noch in Ei-<lb/>
nem Tropfen Blutes be&#x017F;tu&#x0364;nde, gern wollte<lb/>
ich mir &#x017F;elb&#x017F;t die Ader zer&#x017F;chneiden und ihn<lb/>
heraustro&#x0364;pfeln la&#x017F;&#x017F;en, ko&#x0364;nnte ich durch die-<lb/>
&#x017F;en Tod eine Menge Men&#x017F;chen in die Jllu&#x017F;ion<lb/>
ver&#x017F;etzen, &#x017F;ich fu&#x0364;r freyer als den Re&#x017F;t der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0190] beſaͤnftigte die Verfechter der Freiheit und be- zahlte niemanden ſeine Verſaͤumniß, ſeine Wunden und ſein verſchwaͤrmtes Geld: es blieb wie ſonſt, und die Freiheit war nichts beſſer und nichts gekraͤnkter. — Wohl einem Volke, ſagte Belphegor, das fuͤr die Freiheit fechten kann! Keine Jlluſion iſt gluͤcklicher als die Jlluſion der Freiheit, wenn man ihr gleich jaͤhrlich etliche hundert Hirnſchaͤdel opfern muͤßte. Mein Blut ſchwillt in allen Adern empor und zerſprengt faſt mein Herz vor uͤbereilter zuſtroͤmender Bewegung, wenn ich nur den begeiſternden Klang Freiheit toͤnen hoͤre. Komm! wir kehren zuruͤck nach England: das einzige Land der Erde, wo ich von nun an wohnen will! Die Sonne muß dort erfreulicher waͤrmen, der Schatten viel erfriſchender la- ben, weil er ein freyes Haupt erquickt. Freunde! wenn mein Leben nur noch in Ei- nem Tropfen Blutes beſtuͤnde, gern wollte ich mir ſelbſt die Ader zerſchneiden und ihn heraustroͤpfeln laſſen, koͤnnte ich durch die- ſen Tod eine Menge Menſchen in die Jlluſion verſetzen, ſich fuͤr freyer als den Reſt der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/190
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/190>, abgerufen am 08.05.2024.