Jn Deutschland würde das nicht geschehn, sprach Medardus; das ist gar ein braves Ländchen, Madam. Wenn mich nur der unglückliche Sturm nicht so weit von meiner Heimath verschlagen hätte! -- Sie sollten wahrhaftig bey mir wohnen und allen mei- nen Apfelwein mit mir theilen. Wenn Sie wollen, noch ist es Zeit: in dem Lande hier könnte ich so nicht bleiben: es geht ja so bar- barisch, wie unter den Menschenfressern, zu. --
O, mein Herr, erwiederte die Markisinn, hier hat die Unterdrückung ihre natürliche grause wilde Mine: doch anderswo trägt sie tausend betriegerische Larven, wovon eini- ge das Ungeheuer ganz unkenntlich machen, nicht eher darunter vermuthen lassen, als bis man von seinen Zähnen gewürgt wird. Ei- ner meiner Brüder ist exilirt, der andre ver- brannt worden.
Beide Gäste exklamirten laut vor Erstau- nen. --
Der eine war ein Hugenott, fuhr sie fort, der andre ein Feind der Geistlichkeit und be- sonders der Jesuiten. Dieser, der jüngste von beiden, ließ sich von jugendlichem Feuer
Jn Deutſchland wuͤrde das nicht geſchehn, ſprach Medardus; das iſt gar ein braves Laͤndchen, Madam. Wenn mich nur der ungluͤckliche Sturm nicht ſo weit von meiner Heimath verſchlagen haͤtte! — Sie ſollten wahrhaftig bey mir wohnen und allen mei- nen Apfelwein mit mir theilen. Wenn Sie wollen, noch iſt es Zeit: in dem Lande hier koͤnnte ich ſo nicht bleiben: es geht ja ſo bar- bariſch, wie unter den Menſchenfreſſern, zu. —
O, mein Herr, erwiederte die Markiſinn, hier hat die Unterdruͤckung ihre natuͤrliche grauſe wilde Mine: doch anderswo traͤgt ſie tauſend betriegeriſche Larven, wovon eini- ge das Ungeheuer ganz unkenntlich machen, nicht eher darunter vermuthen laſſen, als bis man von ſeinen Zaͤhnen gewuͤrgt wird. Ei- ner meiner Bruͤder iſt exilirt, der andre ver- brannt worden.
Beide Gaͤſte exklamirten laut vor Erſtau- nen. —
Der eine war ein Hugenott, fuhr ſie fort, der andre ein Feind der Geiſtlichkeit und be- ſonders der Jeſuiten. Dieſer, der juͤngſte von beiden, ließ ſich von jugendlichem Feuer
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Jn Deutſchland wuͤrde das nicht geſchehn,
ſprach Medardus; das iſt gar ein braves
Laͤndchen, Madam. Wenn mich nur der
ungluͤckliche Sturm nicht ſo weit von meiner
Heimath verſchlagen haͤtte! — Sie ſollten
wahrhaftig bey mir wohnen und allen mei-
nen Apfelwein mit mir theilen. Wenn Sie
wollen, noch iſt es Zeit: in dem Lande hier
koͤnnte ich ſo nicht bleiben: es geht ja ſo bar-
bariſch, wie unter den Menſchenfreſſern, zu. —
O, mein Herr, erwiederte die Markiſinn,
hier hat die Unterdruͤckung ihre natuͤrliche
grauſe wilde Mine: doch anderswo traͤgt
ſie tauſend betriegeriſche Larven, wovon eini-
ge das Ungeheuer ganz unkenntlich machen,
nicht eher darunter vermuthen laſſen, als bis
man von ſeinen Zaͤhnen gewuͤrgt wird. Ei-
ner meiner Bruͤder iſt exilirt, der andre ver-
brannt worden.
Beide Gaͤſte exklamirten laut vor Erſtau-
nen. —
Der eine war ein Hugenott, fuhr ſie fort,
der andre ein Feind der Geiſtlichkeit und be-
ſonders der Jeſuiten. Dieſer, der juͤngſte
von beiden, ließ ſich von jugendlichem Feuer
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/154>, abgerufen am 08.05.2024.
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