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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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ten, mich wieder zu einer Aussöhnung zu
bringen: -- vermuthlich war es ihm uner-
träglich, niemanden zu haben, an dem er
seine böse Laune befriedigen konnte. Das
Herz einer Dame vergiebt schon, indem es
über die Beleidigung zürnt: die dringenden
Bitten seiner Anverwandtinnen beredeten
mich, wieder zu ihm zurückzukehren. Jm
Anfange war er, wenigstens so sehr er es
seyn konnte, ein erträglicher und beinahe gü-
tiger Gemahl: doch in vier Wochen war er
durch diesen Zwang erschöpft; er warf ihn
ab: seine Gütigkeiten waren nur, so zu sagen,
pattes de velours gewesen, und er zog izt
seine ganzen Krallen hervor. Mitten unter
unsern Unzufriedenheiten starb er plözlich an
einer Vergiftung, die durch die gültigsten Be-
weise gerichtlich dargethan wurde. Jch hatte
keine sonderliche Ursache, betrübt zu seyn, ich
war es nicht, und fand auch keine, es mehr
zu seyn, als ichs war. Jch wollte mein Ver-
mögen zurückziehn und seinen Erben das sei-
nige überlassen, denen es gebührte, weil wir
keine Schenkung errichtet hatten: doch dieses
war mit jenem in den lezten Jahren so
verwebt worden, daß eine Absonderung

J

ten, mich wieder zu einer Ausſoͤhnung zu
bringen: — vermuthlich war es ihm uner-
traͤglich, niemanden zu haben, an dem er
ſeine boͤſe Laune befriedigen konnte. Das
Herz einer Dame vergiebt ſchon, indem es
uͤber die Beleidigung zuͤrnt: die dringenden
Bitten ſeiner Anverwandtinnen beredeten
mich, wieder zu ihm zuruͤckzukehren. Jm
Anfange war er, wenigſtens ſo ſehr er es
ſeyn konnte, ein ertraͤglicher und beinahe guͤ-
tiger Gemahl: doch in vier Wochen war er
durch dieſen Zwang erſchoͤpft; er warf ihn
ab: ſeine Guͤtigkeiten waren nur, ſo zu ſagen,
pattes de velours geweſen, und er zog izt
ſeine ganzen Krallen hervor. Mitten unter
unſern Unzufriedenheiten ſtarb er ploͤzlich an
einer Vergiftung, die durch die guͤltigſten Be-
weiſe gerichtlich dargethan wurde. Jch hatte
keine ſonderliche Urſache, betruͤbt zu ſeyn, ich
war es nicht, und fand auch keine, es mehr
zu ſeyn, als ichs war. Jch wollte mein Ver-
moͤgen zuruͤckziehn und ſeinen Erben das ſei-
nige uͤberlaſſen, denen es gebuͤhrte, weil wir
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war mit jenem in den lezten Jahren ſo
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[129/0149] ten, mich wieder zu einer Ausſoͤhnung zu bringen: — vermuthlich war es ihm uner- traͤglich, niemanden zu haben, an dem er ſeine boͤſe Laune befriedigen konnte. Das Herz einer Dame vergiebt ſchon, indem es uͤber die Beleidigung zuͤrnt: die dringenden Bitten ſeiner Anverwandtinnen beredeten mich, wieder zu ihm zuruͤckzukehren. Jm Anfange war er, wenigſtens ſo ſehr er es ſeyn konnte, ein ertraͤglicher und beinahe guͤ- tiger Gemahl: doch in vier Wochen war er durch dieſen Zwang erſchoͤpft; er warf ihn ab: ſeine Guͤtigkeiten waren nur, ſo zu ſagen, pattes de velours geweſen, und er zog izt ſeine ganzen Krallen hervor. Mitten unter unſern Unzufriedenheiten ſtarb er ploͤzlich an einer Vergiftung, die durch die guͤltigſten Be- weiſe gerichtlich dargethan wurde. Jch hatte keine ſonderliche Urſache, betruͤbt zu ſeyn, ich war es nicht, und fand auch keine, es mehr zu ſeyn, als ichs war. Jch wollte mein Ver- moͤgen zuruͤckziehn und ſeinen Erben das ſei- nige uͤberlaſſen, denen es gebuͤhrte, weil wir keine Schenkung errichtet hatten: doch dieſes war mit jenem in den lezten Jahren ſo verwebt worden, daß eine Abſonderung J

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/149>, abgerufen am 24.11.2024.