mich in Verwahrung bringen werde, um mich die anvertrauten Geheimnisse nicht aus- schwatzen zu lassen: doch warum entwischte ich? -- um den schrecklichsten Bedrängnissen entgegen zu gehn. Jn Neapel wurde ich vom Pöbel fast zerrissen, weil ich mich zu na- he zum Blute des heil. Januars hinzudräng- te und beinahe wahrgenommen hätte, daß man die Leichtgläubigen mit einer Taschen- spielerey betrog: ich kam eben dort an, als man einen Hund zum fürchterlichen Exempel aller Hunde öffentlich enthauptete, weil er die Gottlosigkeit begangen hatte, ein Kind umzubringen. Ob ich gleich viel freyes über diesen Gebrauch sagte, so kam ich doch glück- lich durch: aber meine Gutherzigkeit, den Pöbel klüger zu machen, hätte mich beinahe ums Leben gebracht. Jch entkam voller Lö- cher und Wunden vom Wirbel bis auf die Fußsolen, und gieng nach Venedig, um dort erdrosselt zu werden. Jch sagte einem No- bile, dessen Mätresse ich war, daß ich mich wunderte, wie ein Paar tausend Leute dazu kämen, so viele Menschen unter sich stolz nie- derzudrücken, und ihnen allein, mit Ausschlies- sung aller andern, zu gebieten. Er gab mir
mich in Verwahrung bringen werde, um mich die anvertrauten Geheimniſſe nicht aus- ſchwatzen zu laſſen: doch warum entwiſchte ich? — um den ſchrecklichſten Bedraͤngniſſen entgegen zu gehn. Jn Neapel wurde ich vom Poͤbel faſt zerriſſen, weil ich mich zu na- he zum Blute des heil. Januars hinzudraͤng- te und beinahe wahrgenommen haͤtte, daß man die Leichtglaͤubigen mit einer Taſchen- ſpielerey betrog: ich kam eben dort an, als man einen Hund zum fuͤrchterlichen Exempel aller Hunde oͤffentlich enthauptete, weil er die Gottloſigkeit begangen hatte, ein Kind umzubringen. Ob ich gleich viel freyes uͤber dieſen Gebrauch ſagte, ſo kam ich doch gluͤck- lich durch: aber meine Gutherzigkeit, den Poͤbel kluͤger zu machen, haͤtte mich beinahe ums Leben gebracht. Jch entkam voller Loͤ- cher und Wunden vom Wirbel bis auf die Fußſolen, und gieng nach Venedig, um dort erdroſſelt zu werden. Jch ſagte einem No- bile, deſſen Maͤtreſſe ich war, daß ich mich wunderte, wie ein Paar tauſend Leute dazu kaͤmen, ſo viele Menſchen unter ſich ſtolz nie- derzudruͤcken, und ihnen allein, mit Ausſchlieſ- ſung aller andern, zu gebieten. Er gab mir
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0124"n="104"/>
mich in Verwahrung bringen werde, um<lb/>
mich die anvertrauten Geheimniſſe nicht aus-<lb/>ſchwatzen zu laſſen: doch warum entwiſchte<lb/>
ich? — um den ſchrecklichſten Bedraͤngniſſen<lb/>
entgegen zu gehn. Jn Neapel wurde ich<lb/>
vom Poͤbel faſt zerriſſen, weil ich mich zu na-<lb/>
he zum Blute des heil. Januars hinzudraͤng-<lb/>
te und beinahe wahrgenommen haͤtte, daß<lb/>
man die Leichtglaͤubigen mit einer Taſchen-<lb/>ſpielerey betrog: ich kam eben dort an, als<lb/>
man einen Hund zum fuͤrchterlichen Exempel<lb/>
aller Hunde oͤffentlich enthauptete, weil er<lb/>
die Gottloſigkeit begangen hatte, ein Kind<lb/>
umzubringen. Ob ich gleich viel freyes uͤber<lb/>
dieſen Gebrauch ſagte, ſo kam ich doch gluͤck-<lb/>
lich durch: aber meine Gutherzigkeit, den<lb/>
Poͤbel kluͤger zu machen, haͤtte mich beinahe<lb/>
ums Leben gebracht. Jch entkam voller Loͤ-<lb/>
cher und Wunden vom Wirbel bis auf die<lb/>
Fußſolen, und gieng nach Venedig, um dort<lb/>
erdroſſelt zu werden. Jch ſagte einem No-<lb/>
bile, deſſen Maͤtreſſe ich war, daß ich mich<lb/>
wunderte, wie ein Paar tauſend Leute dazu<lb/>
kaͤmen, ſo viele Menſchen unter ſich ſtolz nie-<lb/>
derzudruͤcken, und ihnen allein, mit Ausſchlieſ-<lb/>ſung aller andern, zu gebieten. Er gab mir<lb/></p></div></body></text></TEI>
[104/0124]
mich in Verwahrung bringen werde, um
mich die anvertrauten Geheimniſſe nicht aus-
ſchwatzen zu laſſen: doch warum entwiſchte
ich? — um den ſchrecklichſten Bedraͤngniſſen
entgegen zu gehn. Jn Neapel wurde ich
vom Poͤbel faſt zerriſſen, weil ich mich zu na-
he zum Blute des heil. Januars hinzudraͤng-
te und beinahe wahrgenommen haͤtte, daß
man die Leichtglaͤubigen mit einer Taſchen-
ſpielerey betrog: ich kam eben dort an, als
man einen Hund zum fuͤrchterlichen Exempel
aller Hunde oͤffentlich enthauptete, weil er
die Gottloſigkeit begangen hatte, ein Kind
umzubringen. Ob ich gleich viel freyes uͤber
dieſen Gebrauch ſagte, ſo kam ich doch gluͤck-
lich durch: aber meine Gutherzigkeit, den
Poͤbel kluͤger zu machen, haͤtte mich beinahe
ums Leben gebracht. Jch entkam voller Loͤ-
cher und Wunden vom Wirbel bis auf die
Fußſolen, und gieng nach Venedig, um dort
erdroſſelt zu werden. Jch ſagte einem No-
bile, deſſen Maͤtreſſe ich war, daß ich mich
wunderte, wie ein Paar tauſend Leute dazu
kaͤmen, ſo viele Menſchen unter ſich ſtolz nie-
derzudruͤcken, und ihnen allein, mit Ausſchlieſ-
ſung aller andern, zu gebieten. Er gab mir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/124>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.