die Höhe steigt, bedeutet es gutes Wetter, und es kommt Sturm, wenn es sich senkt. Beleuchtet es den Kopf eines Matrosen in der Takelage, so ist es das Vorzeichen seines baldigen Todes.
Ich sah die Erscheinung zum ersten Male, hatte früher noch nichts davon gehört, und wenn mein Verstand mir auch sagte, sie sei electrischer Natur, so hatte ich mich doch eines drückenden Gefühls nicht erwehren können. Die tiefe Dunkelheit und die unheimliche, schaurige Stille hatten auch mein Gemüth gefangen genommen und es mit abergläubischer Furcht erfüllt.
Einige schwere Regentropfen begannen zu fallen; es war so still, daß man jeden einzelnen derselben auf das Deck auf- schlagen hörte. Einige Minuten später ertönte dumpfes Rollen des Donners und Wetterleuchten durchzuckte den Horizont. Wir warteten in ängstlicher Spannung auf das Einfallen der Bö, aber sie blieb noch immer aus. Ein plötzlicher Windstoß, wenn auch nur schwach, blähte die Marssegel für einen Augenblick, dann hingen sie wieder regungslos.
Da auf einmal war es, als ob nur Feuer uns umfinge und tausend grelle Blitze vom Himmel zugleich auf uns hernieder zuckten. Im selben Augenblicke erkrachte der Donner mit so furchtbarer Gewalt, daß der Ocean zu erzittern schien und wir erschreckt zusammenfuhren, während der Himmel seine Schleusen öffnete und wahre Ströme von Wasser auf uns ergoß. Es war ein förmlicher Wolkenbruch, und obwol er in dieser Stärke kaum fünf Minuten dauerte, so konnte das Wasser durch Speigaten und Sturzpforten doch nicht ablaufen. Es stand fußhoch auf dem Deck und wogte mit dumpfen Rauschen hin und her, wenn das Schiff sich bewegte.
Dazu die dichte Finsterniß, das unaufhörliche blendende Blitzen und der betäubende Donner -- wahrlich es war als ob die Welt untergehen sollte, und wir standen wie erstarrt über die schaurige Großartigkeit des Naturereignisses.
Noch immer regte sich wunderbarer Weise kein Lüftchen
Eine erſte Seereiſe
die Höhe ſteigt, bedeutet es gutes Wetter, und es kommt Sturm, wenn es ſich ſenkt. Beleuchtet es den Kopf eines Matroſen in der Takelage, ſo iſt es das Vorzeichen ſeines baldigen Todes.
Ich ſah die Erſcheinung zum erſten Male, hatte früher noch nichts davon gehört, und wenn mein Verſtand mir auch ſagte, ſie ſei electriſcher Natur, ſo hatte ich mich doch eines drückenden Gefühls nicht erwehren können. Die tiefe Dunkelheit und die unheimliche, ſchaurige Stille hatten auch mein Gemüth gefangen genommen und es mit abergläubiſcher Furcht erfüllt.
Einige ſchwere Regentropfen begannen zu fallen; es war ſo ſtill, daß man jeden einzelnen derſelben auf das Deck auf- ſchlagen hörte. Einige Minuten ſpäter ertönte dumpfes Rollen des Donners und Wetterleuchten durchzuckte den Horizont. Wir warteten in ängſtlicher Spannung auf das Einfallen der Bö, aber ſie blieb noch immer aus. Ein plötzlicher Windſtoß, wenn auch nur ſchwach, blähte die Marsſegel für einen Augenblick, dann hingen ſie wieder regungslos.
Da auf einmal war es, als ob nur Feuer uns umfinge und tauſend grelle Blitze vom Himmel zugleich auf uns hernieder zuckten. Im ſelben Augenblicke erkrachte der Donner mit ſo furchtbarer Gewalt, daß der Ocean zu erzittern ſchien und wir erſchreckt zuſammenfuhren, während der Himmel ſeine Schleuſen öffnete und wahre Ströme von Waſſer auf uns ergoß. Es war ein förmlicher Wolkenbruch, und obwol er in dieſer Stärke kaum fünf Minuten dauerte, ſo konnte das Waſſer durch Speigaten und Sturzpforten doch nicht ablaufen. Es ſtand fußhoch auf dem Deck und wogte mit dumpfen Rauſchen hin und her, wenn das Schiff ſich bewegte.
Dazu die dichte Finſterniß, das unaufhörliche blendende Blitzen und der betäubende Donner — wahrlich es war als ob die Welt untergehen ſollte, und wir ſtanden wie erſtarrt über die ſchaurige Großartigkeit des Naturereigniſſes.
Noch immer regte ſich wunderbarer Weiſe kein Lüftchen
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Eine erſte Seereiſe
die Höhe ſteigt, bedeutet es gutes Wetter, und es kommt Sturm,
wenn es ſich ſenkt. Beleuchtet es den Kopf eines Matroſen in
der Takelage, ſo iſt es das Vorzeichen ſeines baldigen Todes.
Ich ſah die Erſcheinung zum erſten Male, hatte früher
noch nichts davon gehört, und wenn mein Verſtand mir auch ſagte,
ſie ſei electriſcher Natur, ſo hatte ich mich doch eines drückenden
Gefühls nicht erwehren können. Die tiefe Dunkelheit und die
unheimliche, ſchaurige Stille hatten auch mein Gemüth gefangen
genommen und es mit abergläubiſcher Furcht erfüllt.
Einige ſchwere Regentropfen begannen zu fallen; es war
ſo ſtill, daß man jeden einzelnen derſelben auf das Deck auf-
ſchlagen hörte. Einige Minuten ſpäter ertönte dumpfes Rollen
des Donners und Wetterleuchten durchzuckte den Horizont.
Wir warteten in ängſtlicher Spannung auf das Einfallen der Bö,
aber ſie blieb noch immer aus. Ein plötzlicher Windſtoß, wenn
auch nur ſchwach, blähte die Marsſegel für einen Augenblick, dann
hingen ſie wieder regungslos.
Da auf einmal war es, als ob nur Feuer uns umfinge
und tauſend grelle Blitze vom Himmel zugleich auf uns hernieder
zuckten. Im ſelben Augenblicke erkrachte der Donner mit ſo
furchtbarer Gewalt, daß der Ocean zu erzittern ſchien und wir
erſchreckt zuſammenfuhren, während der Himmel ſeine Schleuſen
öffnete und wahre Ströme von Waſſer auf uns ergoß. Es
war ein förmlicher Wolkenbruch, und obwol er in dieſer Stärke
kaum fünf Minuten dauerte, ſo konnte das Waſſer durch
Speigaten und Sturzpforten doch nicht ablaufen. Es ſtand
fußhoch auf dem Deck und wogte mit dumpfen Rauſchen hin
und her, wenn das Schiff ſich bewegte.
Dazu die dichte Finſterniß, das unaufhörliche blendende
Blitzen und der betäubende Donner — wahrlich es war als
ob die Welt untergehen ſollte, und wir ſtanden wie erſtarrt über
die ſchaurige Großartigkeit des Naturereigniſſes.
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/97>, abgerufen am 16.02.2025.
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