Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite
Eine erste Seereise
Doch leider ist kurz nur der Freude Bestand,
Der Pfennig, der letzte geht fort.
Adieu liebes Mädchen, adieu schönes Land!
Jetzt heißt es "Marsch, wieder an Bord!"

Auch ein zweites, aus derselben Quelle stammend, in dem
sich eine Theerjacke selbst ironisirt, wurde gern gesungen und mag
hier Platz finden:

Fast scheint es, als ob schon dem seemännschen Stande
Anklebte ein eigenes Duften nach Theer;
Denn auch in dem feinsten Landrattengewande
Riecht man den Matrosen von weitem schon her.
Heut wollt' ich zu Balle und putzte mich mächtig,
Die Kneifzange1 saß mir gemacht wie aus Guß,
Die schneeweißen Leesegel2 standen ganz prächtig,
Wie Kohltheer so glänzten die Stiefel am Fuß.
Das seidene Schnupftuch halb 'raus aus der Tasche,
Die Schraub'3 auf drei Haaren, den Bart fein gebrannt,
So ging ich wie Felix4 hervor aus der Asche
Und macht' mich, als wär' ich mit Pabstens verwandt.
Bedächtiglich steuerte ich zu dem Balle
Und hört' schon von weitem des Basses Gebrumm
Und bei der Musik weit klingendem Schalle,
Da drehten sich wirbelnd die Paare schon um.
Bald lockten auch mich zu dem Drehen die Töne
Und machten mich wirbeln vom Kiel bis zum Top5,
Ich enterte eine verlassene Schöne
Und kreuzte mit ihr durch den Saal in Salopp.
Doch, kaum hatt' die Länge des Deck's ich gemessen
Und wollte mit meiner Fregatt' über Stag6,
Da riß sie sich los, wie vom Teufel besessen,
Gewaltsam, daß bald sie den Arm mir zerbrach.

1 Frack.
2 Vatermörder.
3 Hut.
4 Phönix.
5 Von der Fuß-
sohle bis zum Scheitel.
6 Umwenden.
Eine erſte Seereiſe
Doch leider iſt kurz nur der Freude Beſtand,
Der Pfennig, der letzte geht fort.
Adieu liebes Mädchen, adieu ſchönes Land!
Jetzt heißt es „Marſch, wieder an Bord!“

Auch ein zweites, aus derſelben Quelle ſtammend, in dem
ſich eine Theerjacke ſelbſt ironiſirt, wurde gern geſungen und mag
hier Platz finden:

Faſt ſcheint es, als ob ſchon dem ſeemännſchen Stande
Anklebte ein eigenes Duften nach Theer;
Denn auch in dem feinſten Landrattengewande
Riecht man den Matroſen von weitem ſchon her.
Heut wollt’ ich zu Balle und putzte mich mächtig,
Die Kneifzange1 ſaß mir gemacht wie aus Guß,
Die ſchneeweißen Leeſegel2 ſtanden ganz prächtig,
Wie Kohltheer ſo glänzten die Stiefel am Fuß.
Das ſeidene Schnupftuch halb ’raus aus der Taſche,
Die Schraub’3 auf drei Haaren, den Bart fein gebrannt,
So ging ich wie Felix4 hervor aus der Aſche
Und macht’ mich, als wär’ ich mit Pabſtens verwandt.
Bedächtiglich ſteuerte ich zu dem Balle
Und hört’ ſchon von weitem des Baſſes Gebrumm
Und bei der Muſik weit klingendem Schalle,
Da drehten ſich wirbelnd die Paare ſchon um.
Bald lockten auch mich zu dem Drehen die Töne
Und machten mich wirbeln vom Kiel bis zum Top5,
Ich enterte eine verlaſſene Schöne
Und kreuzte mit ihr durch den Saal in Salopp.
Doch, kaum hatt’ die Länge des Deck’s ich gemeſſen
Und wollte mit meiner Fregatt’ über Stag6,
Da riß ſie ſich los, wie vom Teufel beſeſſen,
Gewaltſam, daß bald ſie den Arm mir zerbrach.

1 Frack.
2 Vatermörder.
3 Hut.
4 Phönix.
5 Von der Fuß-
ſohle bis zum Scheitel.
6 Umwenden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0081" n="69"/>
          <fw place="top" type="header">Eine er&#x017F;te Seerei&#x017F;e</fw><lb/>
          <lg n="14">
            <l>Doch leider i&#x017F;t kurz nur der Freude Be&#x017F;tand,</l><lb/>
            <l>Der Pfennig, der letzte geht fort.</l><lb/>
            <l>Adieu liebes Mädchen, adieu &#x017F;chönes Land!</l><lb/>
            <l>Jetzt heißt es &#x201E;Mar&#x017F;ch, wieder an Bord!&#x201C;</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <p>Auch ein zweites, aus der&#x017F;elben Quelle &#x017F;tammend, in dem<lb/>
&#x017F;ich eine Theerjacke &#x017F;elb&#x017F;t ironi&#x017F;irt, wurde gern ge&#x017F;ungen und mag<lb/>
hier Platz finden:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Fa&#x017F;t &#x017F;cheint es, als ob &#x017F;chon dem &#x017F;eemänn&#x017F;chen Stande</l><lb/>
            <l>Anklebte ein eigenes Duften nach Theer;</l><lb/>
            <l>Denn auch in dem fein&#x017F;ten Landrattengewande</l><lb/>
            <l>Riecht man den Matro&#x017F;en von weitem &#x017F;chon her.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Heut wollt&#x2019; ich zu Balle und putzte mich mächtig,</l><lb/>
            <l>Die Kneifzange<note place="foot" n="1">Frack.</note> &#x017F;aß mir gemacht wie aus Guß,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;chneeweißen Lee&#x017F;egel<note place="foot" n="2">Vatermörder.</note> &#x017F;tanden ganz prächtig,</l><lb/>
            <l>Wie Kohltheer &#x017F;o glänzten die Stiefel am Fuß.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Das &#x017F;eidene Schnupftuch halb &#x2019;raus aus der Ta&#x017F;che,</l><lb/>
            <l>Die Schraub&#x2019;<note place="foot" n="3">Hut.</note> auf drei Haaren, den Bart fein gebrannt,</l><lb/>
            <l>So ging ich wie Felix<note place="foot" n="4">Phönix.</note> hervor aus der A&#x017F;che</l><lb/>
            <l>Und macht&#x2019; mich, als wär&#x2019; ich mit Pab&#x017F;tens verwandt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Bedächtiglich &#x017F;teuerte ich zu dem Balle</l><lb/>
            <l>Und hört&#x2019; &#x017F;chon von weitem des Ba&#x017F;&#x017F;es Gebrumm</l><lb/>
            <l>Und bei der Mu&#x017F;ik weit klingendem Schalle,</l><lb/>
            <l>Da drehten &#x017F;ich wirbelnd die Paare &#x017F;chon um.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Bald lockten auch mich zu dem Drehen die Töne</l><lb/>
            <l>Und machten mich wirbeln vom Kiel bis zum Top<note place="foot" n="5">Von der Fuß-<lb/>
&#x017F;ohle bis zum Scheitel.</note>,</l><lb/>
            <l>Ich enterte eine verla&#x017F;&#x017F;ene Schöne</l><lb/>
            <l>Und kreuzte mit ihr durch den Saal in Salopp.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="6">
            <l>Doch, kaum hatt&#x2019; die Länge des Deck&#x2019;s ich geme&#x017F;&#x017F;en</l><lb/>
            <l>Und wollte mit meiner Fregatt&#x2019; über Stag<note place="foot" n="6">Umwenden.</note>,</l><lb/>
            <l>Da riß &#x017F;ie &#x017F;ich los, wie vom Teufel be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Gewalt&#x017F;am, daß bald &#x017F;ie den Arm mir zerbrach.</l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0081] Eine erſte Seereiſe Doch leider iſt kurz nur der Freude Beſtand, Der Pfennig, der letzte geht fort. Adieu liebes Mädchen, adieu ſchönes Land! Jetzt heißt es „Marſch, wieder an Bord!“ Auch ein zweites, aus derſelben Quelle ſtammend, in dem ſich eine Theerjacke ſelbſt ironiſirt, wurde gern geſungen und mag hier Platz finden: Faſt ſcheint es, als ob ſchon dem ſeemännſchen Stande Anklebte ein eigenes Duften nach Theer; Denn auch in dem feinſten Landrattengewande Riecht man den Matroſen von weitem ſchon her. Heut wollt’ ich zu Balle und putzte mich mächtig, Die Kneifzange 1 ſaß mir gemacht wie aus Guß, Die ſchneeweißen Leeſegel 2 ſtanden ganz prächtig, Wie Kohltheer ſo glänzten die Stiefel am Fuß. Das ſeidene Schnupftuch halb ’raus aus der Taſche, Die Schraub’ 3 auf drei Haaren, den Bart fein gebrannt, So ging ich wie Felix 4 hervor aus der Aſche Und macht’ mich, als wär’ ich mit Pabſtens verwandt. Bedächtiglich ſteuerte ich zu dem Balle Und hört’ ſchon von weitem des Baſſes Gebrumm Und bei der Muſik weit klingendem Schalle, Da drehten ſich wirbelnd die Paare ſchon um. Bald lockten auch mich zu dem Drehen die Töne Und machten mich wirbeln vom Kiel bis zum Top 5, Ich enterte eine verlaſſene Schöne Und kreuzte mit ihr durch den Saal in Salopp. Doch, kaum hatt’ die Länge des Deck’s ich gemeſſen Und wollte mit meiner Fregatt’ über Stag 6, Da riß ſie ſich los, wie vom Teufel beſeſſen, Gewaltſam, daß bald ſie den Arm mir zerbrach. 1 Frack. 2 Vatermörder. 3 Hut. 4 Phönix. 5 Von der Fuß- ſohle bis zum Scheitel. 6 Umwenden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/81
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/81>, abgerufen am 25.11.2024.