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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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ganz einladend, an Bord von Handelsschiffen versteht man aber
unter "Pudding" für die Leute etwas anderes, als sonst im
gewöhnlichen Leben. Die Ingredienzien sind einfach Mehl,
Wasser und etwas abgeschöpftes Fett vom gesalzenen Rindfleisch,
und das Ganze wird in Salzwasser in einem Segeltuchbeutel
gekocht. Das mag sehr nahrhaft sein, aber besonders gut schmeckte
es mir nicht. Eben so wenig habe ich mich je mit den grauen
Erbsen befreunden können. In Ostpreußen, wo sie wachsen,
gelten sie als Leckerbissen, ich wüßte jedoch Niemand aus einem
andern Theile Deutschlands, der diesen Geschmack getheilt hätte.
Bei den Matrosen haben sie den Spitznamen "Bramstagläufer"
und gewöhnlich ging der ganze Suppennapf voll bei uns unan-
gerührt über Bord oder man fütterte damit die Schweine, wenn
solche zum Schlachten mitgenommen waren.

Von dem gesalzenen Rindfleisch gab es vier Mal und vom
Schweinefleisch drei Mal wöchentlich, außerdem Morgens Kaffee
und als dicken Brei gekochte Graupen, Abends Thee und wie
zum Frühstück Schiffszwieback und Butter, so lange sie reichte.
Kaffee und Thee trank man natürlich ohne Milch und Zucker.

Trotz dieses einfachen wenn auch sehr soliden Küchenzettels,
hätte sich nichts dagegen sagen lassen, so lange die verschiedenen
Proviantartikel gut blieben, aber das dauerte nur kurze Zeit,
und schon nach einigen Monaten sah es ziemlich schlimm damit
aus. Die Hülsenfrüchte wurden hart, die Butter in den Tropen
flüssig und abschmeckend, das Fleisch durch das längere Liegen
in der scharfen Pökel brandsalzig, hart und holzig, das Schweine-
fleisch gelb und ranzig, das Mehl miethig und in dem Schiffs-
zwieback hausten ganze Insectensammlungen. Nur die Graupen
blieben gut und Monate lang bildeten sie unser Hauptnahrungs-
mittel an den Tagen, wo es Erbsen oder Bohnen gab, also
fünf Mal in der Woche. Da zum Frühstück eine reichliche
Portion gekocht wurde, hoben wir uns stets davon zu Mittag auf.

Das harte trockene Salzfleisch, das die Matrosen Tornister-

Werner
ganz einladend, an Bord von Handelsſchiffen verſteht man aber
unter „Pudding“ für die Leute etwas anderes, als ſonſt im
gewöhnlichen Leben. Die Ingredienzien ſind einfach Mehl,
Waſſer und etwas abgeſchöpftes Fett vom geſalzenen Rindfleiſch,
und das Ganze wird in Salzwaſſer in einem Segeltuchbeutel
gekocht. Das mag ſehr nahrhaft ſein, aber beſonders gut ſchmeckte
es mir nicht. Eben ſo wenig habe ich mich je mit den grauen
Erbſen befreunden können. In Oſtpreußen, wo ſie wachſen,
gelten ſie als Leckerbiſſen, ich wüßte jedoch Niemand aus einem
andern Theile Deutſchlands, der dieſen Geſchmack getheilt hätte.
Bei den Matroſen haben ſie den Spitznamen „Bramſtagläufer“
und gewöhnlich ging der ganze Suppennapf voll bei uns unan-
gerührt über Bord oder man fütterte damit die Schweine, wenn
ſolche zum Schlachten mitgenommen waren.

Von dem geſalzenen Rindfleiſch gab es vier Mal und vom
Schweinefleiſch drei Mal wöchentlich, außerdem Morgens Kaffee
und als dicken Brei gekochte Graupen, Abends Thee und wie
zum Frühſtück Schiffszwieback und Butter, ſo lange ſie reichte.
Kaffee und Thee trank man natürlich ohne Milch und Zucker.

Trotz dieſes einfachen wenn auch ſehr ſoliden Küchenzettels,
hätte ſich nichts dagegen ſagen laſſen, ſo lange die verſchiedenen
Proviantartikel gut blieben, aber das dauerte nur kurze Zeit,
und ſchon nach einigen Monaten ſah es ziemlich ſchlimm damit
aus. Die Hülſenfrüchte wurden hart, die Butter in den Tropen
flüſſig und abſchmeckend, das Fleiſch durch das längere Liegen
in der ſcharfen Pökel brandſalzig, hart und holzig, das Schweine-
fleiſch gelb und ranzig, das Mehl miethig und in dem Schiffs-
zwieback hauſten ganze Inſectenſammlungen. Nur die Graupen
blieben gut und Monate lang bildeten ſie unſer Hauptnahrungs-
mittel an den Tagen, wo es Erbſen oder Bohnen gab, alſo
fünf Mal in der Woche. Da zum Frühſtück eine reichliche
Portion gekocht wurde, hoben wir uns ſtets davon zu Mittag auf.

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[64/0076] Werner ganz einladend, an Bord von Handelsſchiffen verſteht man aber unter „Pudding“ für die Leute etwas anderes, als ſonſt im gewöhnlichen Leben. Die Ingredienzien ſind einfach Mehl, Waſſer und etwas abgeſchöpftes Fett vom geſalzenen Rindfleiſch, und das Ganze wird in Salzwaſſer in einem Segeltuchbeutel gekocht. Das mag ſehr nahrhaft ſein, aber beſonders gut ſchmeckte es mir nicht. Eben ſo wenig habe ich mich je mit den grauen Erbſen befreunden können. In Oſtpreußen, wo ſie wachſen, gelten ſie als Leckerbiſſen, ich wüßte jedoch Niemand aus einem andern Theile Deutſchlands, der dieſen Geſchmack getheilt hätte. Bei den Matroſen haben ſie den Spitznamen „Bramſtagläufer“ und gewöhnlich ging der ganze Suppennapf voll bei uns unan- gerührt über Bord oder man fütterte damit die Schweine, wenn ſolche zum Schlachten mitgenommen waren. Von dem geſalzenen Rindfleiſch gab es vier Mal und vom Schweinefleiſch drei Mal wöchentlich, außerdem Morgens Kaffee und als dicken Brei gekochte Graupen, Abends Thee und wie zum Frühſtück Schiffszwieback und Butter, ſo lange ſie reichte. Kaffee und Thee trank man natürlich ohne Milch und Zucker. Trotz dieſes einfachen wenn auch ſehr ſoliden Küchenzettels, hätte ſich nichts dagegen ſagen laſſen, ſo lange die verſchiedenen Proviantartikel gut blieben, aber das dauerte nur kurze Zeit, und ſchon nach einigen Monaten ſah es ziemlich ſchlimm damit aus. Die Hülſenfrüchte wurden hart, die Butter in den Tropen flüſſig und abſchmeckend, das Fleiſch durch das längere Liegen in der ſcharfen Pökel brandſalzig, hart und holzig, das Schweine- fleiſch gelb und ranzig, das Mehl miethig und in dem Schiffs- zwieback hauſten ganze Inſectenſammlungen. Nur die Graupen blieben gut und Monate lang bildeten ſie unſer Hauptnahrungs- mittel an den Tagen, wo es Erbſen oder Bohnen gab, alſo fünf Mal in der Woche. Da zum Frühſtück eine reichliche Portion gekocht wurde, hoben wir uns ſtets davon zu Mittag auf. Das harte trockene Salzfleiſch, das die Matroſen Torniſter-

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/76>, abgerufen am 24.11.2024.