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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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jagte sich zwar nach längerer Zeit darin umher, aber diese fischte
man, so gut es gehen wollte, heraus.

Für Kapitän und Steuerleute befand sich ein Filtrirapparat
an Bord, der aber nur ungefähr für deren Bedarf ausreichte.
Bisweilen, wenn ich Nachts auf der Mittelwache am Steuer
stand, brachte mir dann der Untersteuermann aus besonderem
Wohlwollen ein solches Glas destillirtes Wasser, wahrscheinlich
auf Anregung meines alten Freundes, des Bootsmanns, der
mit ihm auf gutem Fuße stand. Was für ein Genuß war
das und wie dankbar war ich dem Geber dafür!

Es wäre ja ein Leichtes und für die Rheder gar keine
kostspielige Sache gewesen, auch für die ganze Mannschaft solche
Filtrirapparate mitzugeben, aber daran dachte Niemand. Weder
Geiz noch böser Wille waren an der Unterlassung Schuld. Der
Matrose schluckte ohne ernstlich zu murren das böse Getränk
hinunter, es schadete seiner Gesundheit nicht, man war es von
jeher so gewohnt, die Humanitätsideen der Neuzeit waren damals
noch nicht im Schwange und so blieb es einfach beim Alten,
während z. B. auf der Rhede von Batavia, wo der Genuß rohen
Wassers als gesundheitsschädlich gilt, die Mannschaften auf
deutschen Schiffen nur gekochtes Theewasser zum Trinken erhielten,
ein Beweis, daß man nicht etwa sparsam sein wollte.

In neuerer Zeit und namentlich nach Erfindung des
Normandyschen Destillirapparats, der die Aufgabe gelöst hat,
die condensirten und demgemäß salzfreien Dämpfe von Seewasser
mit der nöthigen Menge von Luft zu mischen, wodurch das so
gewonnene Wasser erst trinkbar wurde, haben sich diese Ver-
hältnisse etwas geändert. Auf fast allen Kriegsschiffen befinden
sich solche Apparate, die täglich bis zu 2000 Liter Wasser liefern,
und ebenso auf den größeren Handelsdampfern. Dadurch ist
es möglich geworden, dem gewöhnlichen Matrosen an Bord
wenigstens den Genuß guten Trinkwassers und auch den nöthigen
Bedarf zur Reinigung seines Körpers und seiner Wäsche zu

Werner
jagte ſich zwar nach längerer Zeit darin umher, aber dieſe fiſchte
man, ſo gut es gehen wollte, heraus.

Für Kapitän und Steuerleute befand ſich ein Filtrirapparat
an Bord, der aber nur ungefähr für deren Bedarf ausreichte.
Bisweilen, wenn ich Nachts auf der Mittelwache am Steuer
ſtand, brachte mir dann der Unterſteuermann aus beſonderem
Wohlwollen ein ſolches Glas deſtillirtes Waſſer, wahrſcheinlich
auf Anregung meines alten Freundes, des Bootsmanns, der
mit ihm auf gutem Fuße ſtand. Was für ein Genuß war
das und wie dankbar war ich dem Geber dafür!

Es wäre ja ein Leichtes und für die Rheder gar keine
koſtſpielige Sache geweſen, auch für die ganze Mannſchaft ſolche
Filtrirapparate mitzugeben, aber daran dachte Niemand. Weder
Geiz noch böſer Wille waren an der Unterlaſſung Schuld. Der
Matroſe ſchluckte ohne ernſtlich zu murren das böſe Getränk
hinunter, es ſchadete ſeiner Geſundheit nicht, man war es von
jeher ſo gewohnt, die Humanitätsideen der Neuzeit waren damals
noch nicht im Schwange und ſo blieb es einfach beim Alten,
während z. B. auf der Rhede von Batavia, wo der Genuß rohen
Waſſers als geſundheitsſchädlich gilt, die Mannſchaften auf
deutſchen Schiffen nur gekochtes Theewaſſer zum Trinken erhielten,
ein Beweis, daß man nicht etwa ſparſam ſein wollte.

In neuerer Zeit und namentlich nach Erfindung des
Normandyſchen Deſtillirapparats, der die Aufgabe gelöſt hat,
die condenſirten und demgemäß ſalzfreien Dämpfe von Seewaſſer
mit der nöthigen Menge von Luft zu miſchen, wodurch das ſo
gewonnene Waſſer erſt trinkbar wurde, haben ſich dieſe Ver-
hältniſſe etwas geändert. Auf faſt allen Kriegsſchiffen befinden
ſich ſolche Apparate, die täglich bis zu 2000 Liter Waſſer liefern,
und ebenſo auf den größeren Handelsdampfern. Dadurch iſt
es möglich geworden, dem gewöhnlichen Matroſen an Bord
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[62/0074] Werner jagte ſich zwar nach längerer Zeit darin umher, aber dieſe fiſchte man, ſo gut es gehen wollte, heraus. Für Kapitän und Steuerleute befand ſich ein Filtrirapparat an Bord, der aber nur ungefähr für deren Bedarf ausreichte. Bisweilen, wenn ich Nachts auf der Mittelwache am Steuer ſtand, brachte mir dann der Unterſteuermann aus beſonderem Wohlwollen ein ſolches Glas deſtillirtes Waſſer, wahrſcheinlich auf Anregung meines alten Freundes, des Bootsmanns, der mit ihm auf gutem Fuße ſtand. Was für ein Genuß war das und wie dankbar war ich dem Geber dafür! Es wäre ja ein Leichtes und für die Rheder gar keine koſtſpielige Sache geweſen, auch für die ganze Mannſchaft ſolche Filtrirapparate mitzugeben, aber daran dachte Niemand. Weder Geiz noch böſer Wille waren an der Unterlaſſung Schuld. Der Matroſe ſchluckte ohne ernſtlich zu murren das böſe Getränk hinunter, es ſchadete ſeiner Geſundheit nicht, man war es von jeher ſo gewohnt, die Humanitätsideen der Neuzeit waren damals noch nicht im Schwange und ſo blieb es einfach beim Alten, während z. B. auf der Rhede von Batavia, wo der Genuß rohen Waſſers als geſundheitsſchädlich gilt, die Mannſchaften auf deutſchen Schiffen nur gekochtes Theewaſſer zum Trinken erhielten, ein Beweis, daß man nicht etwa ſparſam ſein wollte. In neuerer Zeit und namentlich nach Erfindung des Normandyſchen Deſtillirapparats, der die Aufgabe gelöſt hat, die condenſirten und demgemäß ſalzfreien Dämpfe von Seewaſſer mit der nöthigen Menge von Luft zu miſchen, wodurch das ſo gewonnene Waſſer erſt trinkbar wurde, haben ſich dieſe Ver- hältniſſe etwas geändert. Auf faſt allen Kriegsſchiffen befinden ſich ſolche Apparate, die täglich bis zu 2000 Liter Waſſer liefern, und ebenſo auf den größeren Handelsdampfern. Dadurch iſt es möglich geworden, dem gewöhnlichen Matroſen an Bord wenigſtens den Genuß guten Trinkwaſſers und auch den nöthigen Bedarf zur Reinigung ſeines Körpers und ſeiner Wäſche zu

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/74>, abgerufen am 03.05.2024.